Sarah Lesch und politische Musik

Shownotes

Musik in all ihrer Konsequenz kam durch einen familiären Schicksalsschlag in Sarah Leschs Leben: Sie steckt mitten in ihrem Job als Erzieherin, ist beruflich gefordert und öfters auch unzufrieden in dieser Situation, als sie plötzlich einen sehr wichtigen Menschen verliert. Bei einem bis heute ungeklärten Kriminalfall kommt vor über zehn Jahren ihre Großmutter ums Leben. Dieses Unglück beschreibt die Musikerin rückblickend als Erweckungsmoment.

Denn eine Frage begleitet sie von da an: „Was, wenn du jetzt stirbst und du hast all diese Lieder nicht aufgeschrieben?“ Diese Vorstellung sei für sie so beängstigend gewesen, dass der Druck, endlich ein Album zu machen, immer größer wurde. In der Folge sei sie sprichwörtlich über Leichen gegangen, um von ihrem Hobby, ihrer Leidenschaft leben zu können. Sie beendet damals ihre Beziehung, tauscht Tübingen gegen Leipzig – und schreibt ihre Geschichte neu. Sechs Alben dokumentieren heute, wie ihr dieser Biografiebruch geglückt ist.

Von Beginn an sind ihre Songs politisch. Sarah Lesch verwebt Themen wie Seenotrettung und Emanzipation mit Bildern von freundlichen Riesen, Schiffen aus Zauberpapier und Beobachtungen deutscher Spießbürgerlichkeit. Sie feiert Neopronomen und queeres Leben, kritisiert Rassismus in der Gesellschaft.

Ihr größter Hit hat sie dabei persönlich auf die Probe gestellt: 2015 erscheint „Testament“ – ein Song, der vom Kindsein erzählt. Für ihren Sohn geschrieben, hält Sarah Lesch darin autoritären Institutionen und Erziehungsstilen den Spiegel vor. Und sie erlebt, wie ihre Zeilen von Rechtsaußen vereinnahmt werden. Im Gespräch mit Ninia LaGrande lässt die Musikerin diesen Schock Revue passieren, spricht von Abgrenzung, Haltung und Verantwortung.

In dieser Folge von GANZSCHÖNLAUT geht es um persönliche Entwicklung und die Frage, wie es sich anfühlt, zur Projektionsfläche zu werden. Sarah Lesch verrät, dass sie „lange nicht gecheckt hat, queer zu sein“ und geht offen damit um, wie sie zum Thema kulturelle Aneignung in der Musik steht.

TRANSPARENZ

Im Gespräch erinnert sich Sarah Lesch an die Anfänge ihrer Musikkarriere und erzählt, warum ihr erster Song von Kapitän und Seenotretter Stefan Schmidt handelt. Mehrere Folgen von GANZSCHÖNLAUT thematisieren die zivile Seenotrettung – zum Beispiel die Episoden mit Dariush Beigui und Ruben Neugebauer. Zudem verweist Sarah Lesch auf die Organisation Sea Punks für die sie bei ihren Konzerten Spenden sammelt.

Sarah Lesch spricht über die Beziehung zu ihrem Vater, dem Musiker Ralf Kruse, und ihre Verbindung zum Osten ausgehend von diesem Interview.

Außerdem wird ein Auftritt Helene Fischers thematisiert, bei dem sich die Sängerin vor Kurzem deutlich politisch positionierte.

Im Austausch über das Thema kulturelle Aneignung wird ein Politikum aufgegriffen, das rund um die Ausladung der Musikerin Ronja Maltzahn von einer Fridays for Future-Veranstaltung entstanden ist. Sarah Lesch hat sich dazu deutlich auf Instagram positioniert.

Sarah Lesch hat im März 2024 ihr neues Album „Gute Nachrichten“ veröffentlicht.

Die Folge mit Sarah Lesch wurde am 4. April 2024 aufgezeichnet.

URHEBERRECHT

Im Intro des Podcasts zitieren wir:

Enissa Amani, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 2: „Die Macht der Comedy“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:11:26

Anja Reschke, aus: „Panorama“, Beitrag „Mein Nachbar ist Nazi“ vom 1. Juli 2022, NDR, Timecode: 00:00:05

Disarstar, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 1: „Die Macht der Musik“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:01:45

DANKSAGUNG

Redaktion: Melanie Skurt, Jule Merx; Hosts: Ninia La Grande, Stephan Anpalagan; Produktion: Arian Dominiak; Artwork: Karla Schröder; Sprecherin: Leni Leßmann

FINANZIERUNG

Veto wird anteilig gefördert von der Schöpflin Stiftung, der GLS Treuhand und vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Transkript anzeigen

00:00:00: Es hätte keine Veränderungen dieser Welt gegeben, wenn nicht irgendjemand gesagt hätte,

00:00:05: "Achtung, das müssen wir ändern."

00:00:07: Aber manchmal muss man klare Kante zeigen.

00:00:09: Das fordert die Gesellschaft ja auch.

00:00:11: Klare Kante gegen rechts heißt es doch zum Beispiel immer.

00:00:13: Die Welt brennt an allen Ecken und Enden.

00:00:15: Haben wir extreme, massive Probleme, vor denen sich auch keiner verschließen kann.

00:00:19: Die Welt ist in Aufruhr.

00:00:21: Doch Aktivistinnen geben Hoffnung.

00:00:24: Du hörst "Ganz schön laut".

00:00:26: Den Veto-Podcast mit Ninia Lagrande und Steven an Palaggan.

00:00:29: Wir stellen Menschen vor, die für Veränderungen etwas riskieren.

00:00:33: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge "Ganz schön laut".

00:00:42: Dem Interview-Podcast des Veto-Magazins.

00:00:44: Alle zwei Wochen kommen wir hier mit Menschen ins Gespräch, die laut

00:00:48: und manchmal auch leise für gesellschaftliche Veränderungen einstehen.

00:00:52: Laut, das kann unser heutiger Gast Sarah Lesch wahrscheinlich sehr gut,

00:00:55: denn Sarah steht auf den Bühnen Deutschlands und trägt so ihre Botschaften

00:00:59: in die Welt hinaus.

00:01:01: Sie ist Liedermacherin, singt über Dinge, die sie bewegen

00:01:04: und eckt mit ihren gesellschaftskritischen Texten auch manchmal an.

00:01:07: Schön, dass wir heute miteinander ins Gespräch kommen.

00:01:10: Wie geht es dir denn in diesem Moment, in welcher Stimmung treffen wir dich heute?

00:01:13: Hallo, ja. Ich freue mich total, dass ich hier dabei sein kann.

00:01:16: Das ist heute meine Stimmung.

00:01:18: Und ja, ich finde es total schön, dass ich eingeladen bin.

00:01:23: Ich freue mich auf das Gespräch.

00:01:25: Ja, wir wollen ein bisschen darüber sprechen,

00:01:27: inwiefern Musikanstoss für Veränderung sein kann.

00:01:30: Und darum, wie es ist, wenn man vielleicht auch mal ungewollt

00:01:33: als Projektionsfläche für andere herhalten muss.

00:01:35: Und auch darum, dass man nie zu alt ist, um dazu zu lernen.

00:01:38: Für Menschen, die dich noch nicht kennen, Sarah,

00:01:40: vielleicht nur ganz kurz und knapp,

00:01:42: einige Stationen deines Lebens im Schnelldurchlauf.

00:01:44: Du bist in Altenburg in Thüringen geboren

00:01:46: und mit fünf Jahren mit deiner Mutter nach Baden-Württemberg gezogen.

00:01:49: Du hast hier die Schule beendet, bist Erzieherin geworden

00:01:52: und hast in diesem Beruf auch einige Jahre gearbeitet.

00:01:55: Parallel dazu warst du aber immer auch schon Musikerin.

00:01:58: Einem größeren Publikum bist du dann 2016 bekannt geworden

00:02:01: als dein Song Testament,

00:02:03: unter anderem beim österreichischen Protest-Zon-Kontest gewonnen hat.

00:02:06: Darüber sprechen wir später natürlich noch.

00:02:09: Und seit 2015 lebst du in Leipzig und von der Musik.

00:02:12: Und immer wieder greifst du in deinen Songs

00:02:14: feministische, emanzipatorische Themen auf,

00:02:17: aber auch den komplex-gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,

00:02:20: zum Beispiel gegenüber der queeren Community.

00:02:22: Ich würde gerne direkt zum Start unseres Gesprächs

00:02:25: an den Anfang zurückgehen

00:02:27: und hoffe, dass diese Zeitreise uns glückt,

00:02:30: wenn du jetzt mal einige Jahre zurückdenkst

00:02:32: und vielleicht kannst du unsere Hörer*innen mitnehmen.

00:02:35: Wie hast du zu Musik gefunden

00:02:37: und welche bildliche Szene kommt dir vielleicht auch dazu in den Kopf?

00:02:40: Also ich habe schon seit ich klein war Musik total geliebt

00:02:45: und das Bild, was mir sofort in den Kopf kommt,

00:02:47: ist ein Bild, das an meinem Kühlschrank hängt,

00:02:49: wo ich als kleines Mädchen im Wohnzimmer mit der Haarbürste

00:02:52: performe in so einem Kindervogelt-T-Shirt oder so.

00:02:57: Genau.

00:02:59: Und ich wollte immer so sein wie Axel Rose oder Michael Jackson.

00:03:04: Das waren so meine, das war ja so die Zeit irgendwie.

00:03:07: Und ich habe, mein Vater, der hat auch Musik gemacht

00:03:12: und ich kannte ihn aber nur eigentlich aus dem Fernsehen.

00:03:14: Ich bin sozusagen nicht mit ihm aufgewachsen,

00:03:17: bin bei meiner Mutter aufgewachsen und habe,

00:03:20: ja irgendwie wollte sie nicht so gerne, dass ich Musik mache.

00:03:24: Und ich, also ich habe eigentlich alles dann irgendwann später

00:03:27: mehr autodidaktisch angeeignet.

00:03:29: Das war sozusagen meine totale Rebellion,

00:03:31: mir eine Gitarre zu kaufen

00:03:33: und in meinem Zimmer mit zwei Akkorden da irgendwie loszulegen.

00:03:37: Und genau, was jetzt in der Story, in der Live-Story,

00:03:42: die du sozusagen gerade ja vorgelesen hast,

00:03:44: nicht vorkommst, ein ganz wichtiger Punkt an meinem Leben,

00:03:46: nämlich, dass ich mit 18 schon Mama geworden bin.

00:03:49: Und, genau, und damals habe ich einfach viel, viel langeweile gehabt,

00:03:56: weil du mit 18 Eltern wirst.

00:03:58: So, und alle gehen ins Ausland oder irgendwie in coole, große Städte

00:04:02: und ich saß da in Tübingen rum und habe irgendwie viel, viel langeweile gehabt.

00:04:08: Und das waren so die goldenen Zeiten von YouTube und Facebook.

00:04:13: Also wo du quasi was veröffentlicht hast und hast so viele Leute erreicht

00:04:17: und hast super viel Reichweite bekommen,

00:04:20: einfach dadurch, dass du überhaupt ein Video veröffentlicht hast oder so.

00:04:23: Ja, und das waren so, genau, waren so meine Anfänge.

00:04:27: Und das ist, ich lebe schon seit zehn Jahren von der Musik.

00:04:29: Also ich habe dieses Jahr tatsächlich zehnjähriges im April.

00:04:32: Yay!

00:04:33: Das mit der Habeste kenne ich auch.

00:04:35: Ich habe dann immer mit der Habeste die Oscar-Verleihung moderiert.

00:04:38: Ah, siehst du?

00:04:40: Sehr schön.

00:04:42: Der erste Song, den du jemals geschrieben hast, ist "Der Kapitän".

00:04:46: Der dreht sich um zivile Seenotrettung.

00:04:48: Darin prangerst du die Kriminalisierung von Engagierten an,

00:04:51: die auf dem Offenen Meer Menschen vor dem Ertrinken retten.

00:04:53: Du singst.

00:04:54: Für die Regierung waren es illegale.

00:04:56: Ich denke, dass es Menschen waren.

00:04:58: Welche Geschichte steckt hinter dem Song und inwiefern ist er für dich noch aktuell?

00:05:02: Ja, also die Geschichte ist, dass damals, als ich den Song geschrieben habe,

00:05:06: war ich mit dem Sohn von Kapitän Stefan Schmidt zusammen,

00:05:12: der die Kap-Annamur gesegelt ist und im Jahr 2004

00:05:17: geflüchtete Menschen aus Seenot gerettet hat.

00:05:20: Unter deutscher Flagge.

00:05:22: Und der ist damals zusammen mit Elias Bierdel,

00:05:24: dem damaligen Vorsitzenden der Kap-Annamur,

00:05:27: in Italien angeklagt gewesen, der Schlepperei.

00:05:30: Und das war so ein Präzidentsfall halt.

00:05:33: Und ich war dabei,

00:05:37: als Stefan eine Medaille verliehen bekommen hat.

00:05:40: In Berlin, der hatte Karl von Osjatzke Medaille bekommen

00:05:42: und ist auf die Bühne gegangen und hat eine sehr berührende Rede gehalten.

00:05:45: Das kann er sehr gut.

00:05:47: Er hat also frei gesprochen, hat seine Geschichte erzählt

00:05:50: und hat eben gesagt, ja, nur weil ich halt weiß bin

00:05:53: und unter deutscher Flagge gesegelt bin,

00:05:55: werde ich jetzt gesehen und kriege ich jetzt einen Preis verliehen

00:05:58: und werde hier irgendwie zum Helden gemacht.

00:06:00: Aber es gibt halt ein Haufen unbekannte tunisische Fischer

00:06:05: oder so, die jetzt auch ihre Schiffe weggenommen bekommen

00:06:08: und die im Gefängnis sitzen und hat dann seinen Preis quasi geteilt

00:06:11: mit einem tunisischen Fischer, der zur gleichen Zeit eben auch

00:06:14: im Gefängnis saß und wo aber niemand hingeschaut hat.

00:06:17: Und hat gesagt, ihr müsst mich nicht zum Helden machen.

00:06:19: Ihr müsst endlich was tun.

00:06:21: Und dann bin ich damals nach Hause gefahren

00:06:24: und dachte so, was kann ich denn machen so?

00:06:27: Ich würde so gerne irgendwie auch wirksam sein

00:06:30: und ich habe mich so wahnsinnig klein gefühlt, weiß auch nicht.

00:06:33: Und dann saß ich zu Hause und habe dann mit meinem damaligen Freund

00:06:37: eben irgendwie, ich sag, komm, wir schreiben einfach ein Lied,

00:06:40: vielleicht ist das wenigstens ein kleiner Trost,

00:06:42: dass man die Geschichte irgendwie erzählt,

00:06:44: weil ich so dachte, Solider, die gehen ja nicht kaputt, weißt du?

00:06:48: Also die bleiben ja in der Welt, wenn die einmal da sind,

00:06:51: auch wenn jetzt dich nicht viele Leute kennen

00:06:53: oder es keine Reichweite gibt es immer irgendjemand,

00:06:55: der dein Lied kennt.

00:06:57: Und dann habe ich dieses Lied halt geschrieben

00:07:00: und viele, viele Jahre später, wo ich eigentlich schon dachte,

00:07:04: ey, wenn das alle wissen, weil damals wusste niemand,

00:07:07: was an den Außengrenzen los ist, so richtig.

00:07:09: Und ich dachte, wenn das alle wissen, dann machen wir was dagegen.

00:07:14: Ich war ja auch noch mega jung und jetzt ist es so erschreckend,

00:07:18: einfach wie wenig da getan wird und wie viel immer noch passiert.

00:07:24: Und ja, das hat mich irgendwie ziemlich auf eine ungute Art

00:07:29: ernüchtert gemacht, weißt du?

00:07:31: Zu merken, wie aktuell der Song halt noch ist.

00:07:34: Genau.

00:07:35: Und ich bin auch jetzt wieder mit dem neuen Album,

00:07:37: wir machen eine Kooperation mit den C-Punks

00:07:39: und versuchen da auch jeden Tag auf den Konzerten zu sammeln

00:07:43: für die Sinn- und Rettung,

00:07:45: weil ja, das kostet so viel Geld, so eine Mission

00:07:48: und das ist einfach irgendwie so krass, dass man diskriminalisiert

00:07:52: und dass diese Leute, die da rausfahren,

00:07:54: dass die so zu leiden haben, dafür, dass sie unsere Scheiße wegmachen.

00:07:59: Also ich finde das echt krass.

00:08:01: Ich kann das, ja, das macht mich einfach unfassbar traurig.

00:08:05: Und wütend.

00:08:06: Das glaube ich.

00:08:07: Ja, das macht uns auch wütend.

00:08:08: Wir haben auch verschiedene Folgen zum Thema Seenotrettung.

00:08:10: Vielleicht können wir die in den Shownotes nochmal zusätzlich verlinken.

00:08:14: War für dich denn von Anfang an klar,

00:08:17: dass du mit deiner Musik auch politische Statements setzen möchtest?

00:08:20: Irgendwie schon.

00:08:22: Wobei ich nicht, also ich mache das nicht extra.

00:08:27: Also im Sinne von ich will jetzt was Politisches machen,

00:08:30: sondern ich schreibe Songs,

00:08:32: die mit Themen, die mich betreffen oder berühren

00:08:36: und ja, die mich selbst irgendwie bewegen in meinem Alltag.

00:08:41: Und ich bin halt so ein Mensch,

00:08:43: der sich schon sehr viele Gedanken darüber macht.

00:08:46: Ich habe jetzt nicht unbedingt total über Zahlen informiert

00:08:50: oder irgendwelche Statistiken.

00:08:52: Oder ich kann mir zum Beispiel meistens keine Namen merken.

00:08:55: Oder sowas.

00:08:57: Aber also von irgendwie Politiker*innen oder sowas.

00:08:59: Da bin ich jetzt nicht so der Crack, sag ich mal, ne.

00:09:02: Bin ja keine Politikwissenschaftlerin oder so.

00:09:04: Aber ich bin schon jemand, den das irgendwie betrifft

00:09:07: und bewegt und berührt, wenn ich mich so im Alltag bewege.

00:09:10: Und meine großen Vorbilder waren abgesehen jetzt von Axl Rose

00:09:14: und ich habe auch noch die deutschen Liedermacher,

00:09:18: die man so kennt, wie zum Beispiel auch Gerhard Schöne

00:09:20: oder so, das ist ja ein Ostliedermacher, den im Westen viele gar nicht kennen.

00:09:24: Und ich fand das immer schon sehr faszinierend,

00:09:27: einfach wie so Liedermacher aus dem Leben erzählen.

00:09:32: Weißt du, wie so ein Hutmacher eigentlich?

00:09:34: Also man bewegt sich so in der Gesellschaft

00:09:37: und nimmt so auf, was alles da so rumschwingt

00:09:40: und macht daraus so ein Lied und presst so eine Essenz

00:09:43: und versucht irgendwie dieses Gefühl auszudrücken.

00:09:45: Und das ist etwas, das mich irgendwie fasziniert hat.

00:09:48: Und dann kannst du ja gar nicht anders

00:09:51: als irgendwie politisch und gesellschaftskritisch sein.

00:09:54: Weil wenn du wirklich die Musik hast,

00:09:57: um die Verbindung in der Gesellschaft mit den anderen auszudrücken,

00:10:00: dann ist das auf jeden Fall auch ein Thema.

00:10:02: Kannst du dich an Themen aus deiner Kindheit oder Jugend erinnern,

00:10:06: die später Songtexte geworden sind?

00:10:09: Ja, auf jeden Fall.

00:10:12: Also das Erste, was mir da natürlich einfällt, ist Testament.

00:10:16: Das Lied Testament, also ich habe das geschrieben.

00:10:19: Also es war auch einer der Songs von meinem zweiten Album,

00:10:24: also ziemlich in den Anfängen sozusagen.

00:10:27: Ich war zu der Zeit noch Erzieherin

00:10:29: und habe, mein Sohn war halt so in der Zeit,

00:10:33: wo er in die Schule gekommen ist.

00:10:35: Und da kam bei mir ganz, ganz viel Ängste hoch

00:10:38: und ganz viel ja auch Wut so über die Zeit,

00:10:43: wie es mir eigentlich in der Schule ging

00:10:45: und wie es mir auch als Kind ging.

00:10:47: Also weil, wenn du selber Eltern wirst,

00:10:49: das können sich ja viele nachvollziehen,

00:10:51: dann stößt du innerlich schon an so Grenzen und Punkte,

00:10:54: wo du plötzlich merkst, oh Gott, ich merke jetzt,

00:10:57: ich gerate ja in auch so eine Mühle,

00:10:59: dass ich plötzlich verstehen kann,

00:11:01: warum meine Eltern manchmal so reagiert haben,

00:11:04: ich bin auch Mutter, ich fühle das sehr.

00:11:06: Ja, okay, deswegen guckst du so, ich habe es mir schon gedacht.

00:11:09: Genau, und das ist halt so krass,

00:11:12: weil du so viele Dinge tust, die nicht deinem Herz entsprechen.

00:11:15: Also du reagierst irgendwie und merkst in dem Moment selber,

00:11:18: das war jetzt totaler Schwachsinn, was ich jetzt von dir verlangt habe.

00:11:21: Aber ich habe so das Gefühl, ich stehe selber so unter Druck.

00:11:24: Man befindet sich ja nicht im Luftlerren Raum als Eltern,

00:11:28: sondern man befindet sich halt in diesem gesellschaftlichen Konstrukt

00:11:31: und auch in diesem Patriarchat und all diese ganze Scheiße.

00:11:36: Und ich muss schon sagen, dass ich halt gerade bei Testament auch sagen kann,

00:11:40: jetzt wo ich meine Songwriting wird ja immer klarer.

00:11:44: Also eigentlich, es war früher vielleicht ein bisschen poetischer

00:11:47: und jetzt wird es gerade im Moment, es ist sehr auf den Punkt,

00:11:50: weil ich auch das Gefühl hatte, das muss irgendwie doch nochmal sein,

00:11:53: dass man so paar Sachen so ganz klar benennt.

00:11:55: Und ich muss aber wirklich sagen, Testament ist eigentlich

00:11:58: ein zutiefst feministisches Lied.

00:12:01: Also viele sagen so, jetzt wirst du so feministisch?

00:12:03: Nein. Also ich habe eigentlich alles, was ich im Leben sagen könnte,

00:12:07: habe ich mit diesem Song schon längst gesagt.

00:12:09: Es gibt nichts, was ich noch sagen kann,

00:12:11: aber ich musste noch ein paar Disclaimer-Songs hinterher schieben, glaube ich,

00:12:15: aus besagten Gründen, die wir bestimmt auch noch erörtern werden.

00:12:20: Du hast gerade gesagt, du hast damals ja noch als Erzieherin gearbeitet.

00:12:25: Warum wolltest du aus dem Beruf raus und kannst du dich an den Moment erinnern,

00:12:29: als dir klar wurde, jetzt setze ich alles auf die Karte Musik?

00:12:33: Ja, auf jeden Fall. Es gab verschiedene Gründe.

00:12:36: Zum einen war ich nie richtig ganz zufrieden mit so, ich mache jetzt ein Beruf

00:12:41: und den mache ich jetzt mein Leben lang.

00:12:43: Und dann hat man so ein paar Tage Urlaub im Jahr.

00:12:45: Also darin habe ich mich total gefangen gefühlt.

00:12:48: Dann muss ich auch sagen, dass ich mich null gewertschätzt gefühlt habe,

00:12:52: weder gesellschaftlich noch irgendwo anders, auch so in meiner Familie

00:12:56: oder so für diesen Beruf, den ich da gemacht habe und eben auch gemerkt habe.

00:13:00: Ich fühlte mich auch nicht gut bezahlt.

00:13:03: Ich fühlte mich gleichzeitig ständig überfordert

00:13:05: und konnte nicht das so wirklich umsetzen, auch beruflich,

00:13:08: was ich wusste, dass ich eigentlich gerne würde.

00:13:11: Also man kann sozusagen eigentlich dem Beruf nicht gerecht werden,

00:13:15: weil zum Beispiel zu wenig Personal in den Kindergärten überall ist und so weiter.

00:13:20: Und dann war ich auch so, bin ich so ein Typ, ich bin schneller auch dann so auditiv überlastet

00:13:24: und das ist alles, das ist ein ganz schön krasser Beruf.

00:13:27: Das muss man wirklich sagen.

00:13:29: Und ich habe das auf eine Art auch sehr geliebt, auch in den letzten Jahren,

00:13:32: in dem ich gearbeitet habe, als Erzieherin, da habe ich unter dreijährige Kinder betreut,

00:13:36: in einem Waldkindergarten.

00:13:37: Das war echt schön.

00:13:39: Der Wald ist einfach sowieso der beste Erzieher.

00:13:43: Also weil es einfach wirklich, das macht vieles einfacher,

00:13:46: aber das ist ein anderes Thema.

00:13:48: Genau.

00:13:50: Und ja, irgendwie war dann in meiner Familie, also ist etwas ganz, ganz Heftiges passiert,

00:13:57: ein ganz krasser Schicksalsschlag.

00:13:59: Und zwar ist meine Oma, die mich großgetugen hat,

00:14:02: mit ziemlich jungen Jahren noch durch einen unaufgeklärten Kriminalfall ums Leben gekommen.

00:14:09: Und das war also ganz, ganz dramatisch für unsere Familie

00:14:12: und für mich sehr, sehr traumatisierend.

00:14:15: Und ich konnte das in dem Moment nicht benennen, aber heute könnte ich es benennen.

00:14:19: Das ist jetzt schon über zehn Jahre her und jetzt kann ich mich anders reflektieren.

00:14:22: Und ich habe damals irgendwie erstens natürlich verstanden, wie kurz das Leben sein kann

00:14:27: und hatte so einen Aufrüttler, so einen Schreck einfach, so einen, oh mein Gott,

00:14:31: wenn jetzt irgendwie, also das kann so schnell gehen,

00:14:35: dass irgend so ein Scheiß passiert.

00:14:37: Und was, wenn du dann stirbst und hast diese Lieder nicht aufgeschrieben.

00:14:41: Also das ist natürlich irgendwie, das hat sich für mich so unendlich schmerzvoll angefühlt,

00:14:46: dass ich einen richtigen krassen Drang hatte und auch einen Druck jetzt an Album zu machen.

00:14:52: Also wirklich das zu manifestieren, was ich halt ins Leben bringen will, so.

00:14:56: Und ich konnte auch wirklich gar nicht mit mich auf Arbeiten konzentrieren,

00:15:00: sondern ich habe die ganze Zeit nur noch Texte gedacht.

00:15:02: Also eigentlich würde ich sagen, ich war halt super krass traumatisiert.

00:15:05: Ich hatte auch definitiv so eine posttraumatische Belastungsstörung,

00:15:08: die sehr viele Jahre dann gedauert hat.

00:15:10: Und die habe ich mit der Musik kompensiert sozusagen.

00:15:14: Und ich habe da aber wirklich auch, ich habe meine Beziehung aufgegeben.

00:15:19: Ich bin nach der Leipzig gezogen.

00:15:21: Ich bin wirklich sprichwörtlich über Leichen gegangen für diese Musik.

00:15:27: Ich habe also vieles hinter mir gelassen, um diese Musik zu machen.

00:15:31: Und dann hatte ich ja eben auch damit ziemlich großen Erfolg

00:15:34: und habe dann aber auch gemerkt, dass meine Gesundheit, meine Seele

00:15:40: jetzt nicht so richtig hinterhergekommen sind.

00:15:42: Das war ziemlich heftig für mich.

00:15:44: Also dann zu merken, okay, und jetzt bist du plötzlich in dieser Öffentlichkeit,

00:15:48: wirst sozusagen auch zu so einer Art Guru gemacht.

00:15:52: Also ich war plötzlich gar nicht mehr Teil der Menschen.

00:15:54: Ich konnte nicht mehr mich als Beobachterin unter den Menschen bewegen.

00:15:58: Ich war überall bekannt, also so vom Gefühl jetzt, von meinem Gefühl her,

00:16:02: viele Menschen, die auch übergriffig waren, die einfach mich einfach angefasst haben

00:16:07: und die einfach so nah an mich ran wollten.

00:16:10: Und das hat mich dann zusätzlich übelst getriggert.

00:16:13: Und es war total gut für mich, dass dann, ehrlich gesagt,

00:16:16: dass dann die Pandemie kam und so diese Ruhe plötzlich drin war.

00:16:19: Das war für mich gesundheitlich gesehen ganz gut.

00:16:22: Und dann konnte ich mal so ein bisschen gucken,

00:16:25: was ist denn da eigentlich noch so nicht mitgekommen?

00:16:28: Also welche Anteile von mir habe ich denn damals da unten

00:16:31: an der Ecke stehen lassen im Wald Kindergarten.

00:16:33: Und die habe ich dann jetzt noch eingesammelt und habe mein neues Album gemacht.

00:16:36: Und jetzt bin ich bereit.

00:16:37: Jetzt bin ich bereit für alles, aber wirklich richtig.

00:16:40: Du bist ja dann, das hast du gerade gesagt, nach Leipzig zurück, oder nicht zurück,

00:16:45: du bist nach Leipzig gezogen, du hast auch mal in einem Interview gesagt,

00:16:48: um diesen musikalischen Weg gehen zu können,

00:16:50: wolltest du unbedingt zurück in den Osten.

00:16:52: Warum war dir das so ein großes Bedürfnis?

00:16:54: Das war mir ein großes Bedürfnis, weil es mir wichtig war,

00:16:57: diesen Teil meiner Familie auch nochmal zu erleben.

00:17:00: Also ich habe Familie im Osten, auf jeden Fall Tante Onkel und so und Cousine Cousins,

00:17:04: die ich halt kenne und auch schon immer besucht habe,

00:17:07: aber die Familie Väterlicherseits,

00:17:09: das hatte ich noch gar nicht so richtig ausgecheckt irgendwie.

00:17:13: Genau, und ich habe zu der Zeit Kontakt aufgenommen zu meinen Halbgeschwistern,

00:17:18: also die Kinder von meinem Vater,

00:17:20: weil mich hat irgendwann meinem Bruder angeschrieben,

00:17:22: der hat nämlich auch eine Punkband hier in Leipzig.

00:17:24: Und er hat mir so geschrieben, hey, ich habe gerade gemerkt,

00:17:26: dass du meine Schwester bist, weil wir haben unterschiedliche Nachnamen.

00:17:29: Also es war total witzig.

00:17:31: Und da habe ich hier ein Konzert gespielt in so einer klein verrauchten Kneipe in Leipzig,

00:17:35: und da war mein Bruder dann da und seine ganzen Kumpels und irgendwie die Bandfreunde.

00:17:41: Und dann haben wir uns so kennengelernt und dann bin ich meinem Vater begegnet

00:17:44: und das war alles so aufregend.

00:17:46: Irgendwie habe ich dann bei dem Konzert gesagt,

00:17:48: so, Leute hat jemand eine Wohnung frei, ich glaube, ich bleib mal hier.

00:17:51: Und es hatte halt so gerufen auch der Osten,

00:17:54: weil ich habe das als Kind auch voll gemerkt.

00:17:56: Also ich bin, jetzt würde ich sagen, ich bin so ein Gemisch aus Schwabe und Aussie

00:18:05: und irgendwie auch Nordie, weil da habe ich auch voll den Bezug und voll den Familienbezug hin.

00:18:10: Aber damals habe ich halt immer gesagt, ich bin Aussie, ich geh hier nicht ins Schwabenland.

00:18:15: Ich gehe irgendwann wieder zurück so, weil ich habe das ganz doll gespürt,

00:18:19: dass ich anders bin als die anderen Kinder, dass meine Familie anders ist.

00:18:23: Und das war für mich schon auch ein großes Leid als Kind.

00:18:26: Also meine Mama auch, alleine erziehend, super jung Mama geworden, immer Vollzeitberufstätig.

00:18:32: Das ist dort nicht angesagt gewesen so.

00:18:34: Wir waren auch nicht christlich und so und ja, es ist alles so ein bisschen anders halt, ne?

00:18:39: Und genau, die Mentalität ist sehr anders.

00:18:42: Also ich bin da ganz klar, das ist, für mich ist, das sind das Riesenunterschiede heute noch.

00:18:48: Und genau, deswegen wollte ich wieder hierher.

00:18:50: Und dann habe ich hier natürlich auch eine tolle Agentur gefunden, also einen großen Verlag

00:18:55: und Management und so, die dann sozusagen mir geholfen haben, das Schiff zu steuern.

00:19:00: Das ja mittlerweile für mich alleine gar nicht mehr steuerbar war.

00:19:03: Wir spielen ein kleines Spiel.

00:19:06: Wir spielen immer zwischendurch in diesem Podcast so kleine Spielchen.

00:19:10: Deswegen habe ich jetzt hier gerade schon meine Stop-Ober bereit gelegt.

00:19:13: Okay.

00:19:14: Wir haben gleich nach dem Dschingle 1,5 Minuten

00:19:17: und ich stelle dir so viele Fragen wie möglich

00:19:20: und du antwortest einfach kurz und knapp auf die Frage.

00:19:23: Das wird hart für mich.

00:19:25: Scheiße.

00:19:27: Ich bin immer froh, dass ich dich in die Gebände die Frage stellen kann in diesem Podcast

00:19:33: und die nicht so schnell reagieren muss oder sich entscheiden muss.

00:19:36: Also los geht's.

00:19:38: Ganz schön knapp. Alles auf Zeit.

00:19:46: Wann warst du zuletzt richtig wütend und warum?

00:19:50: Oh Gott.

00:19:51: Vorgestern.

00:19:53: Wegen so einem Rechtsstreit, den ich gerade habe.

00:19:59: Unangenehm.

00:20:01: Und worüber hast du zuletzt herzlich gelacht?

00:20:04: Gestern Abend über lustigen Merchandise, den ich mir gerade ausdenke für meine Tische.

00:20:10: Welchen Song spielst du, wenn eine Party nicht in Gang kommt?

00:20:14: Highway to Hell.

00:20:16: Von AC-Dizzy.

00:20:18: Über dieses Thema würdest du niemals einen Song machen.

00:20:22: Oh Gott.

00:20:24: Oh Gott.

00:20:26: Äh, gibt's keins.

00:20:28: Gibt's keins.

00:20:30: Ach gut.

00:20:32: Was empfiehlst du deinem jüngeren Ich?

00:20:35: Lass dich nicht verarschen.

00:20:38: Wen bewunderst du, außer Exo Rose?

00:20:41: Dota Care.

00:20:43: Dein Traumfeature für einen Song.

00:20:46: Vielleicht gleiche Antwort.

00:20:48: Nein, ich habe mit Dota schon ganz viel gemacht.

00:20:50: Ja, hast du schon, genau.

00:20:52: Mein Traumfeature für einen Song.

00:20:54: Danger Dan.

00:20:56: Wovon bekommst du nie genug?

00:20:59: Kaffee.

00:21:01: Was würdest du gerne können?

00:21:03: Dota Care.

00:21:05: Dota Care.

00:21:07: Kaffee.

00:21:09: Was würdest du gerne können?

00:21:11: Ich würde gerne Autos reparieren können.

00:21:13: Welchen Trend hättest du besser nicht mitgemacht?

00:21:18: Äh, welchen Trend hätt ich besser nicht mitgemacht?

00:21:24: Ach du Scheiße.

00:21:26: Haare blondieren.

00:21:29: Keine Ahnung.

00:21:31: Ich dachte gerade so an HP Backstounder,

00:21:34: dass der jetzt wieder Musik macht.

00:21:37: Und da fällt die direktare blondier.

00:21:40: Ich habe mir damit voll den Kopf kaputt gemacht.

00:21:43: Oder?

00:21:45: Ja, genau.

00:21:47: Das war ja richtig heftig damals.

00:21:50: Ich hatte auch jeder Haarfarbe, die es so gibt.

00:21:53: Aber blond ist echt dieses ganz Wasserstoffblonde.

00:21:56: Das ist nicht schön für den Kopf.

00:21:59: Das Schöne an Musik ist,

00:22:02: dass sich quasi alle Leute aus den Liedern das herausziehen können,

00:22:06: was sie brauchen.

00:22:08: Kraftwut, Zuspruch, Trost.

00:22:10: Es gibt aber eben auch die Kehrseite der Medaille.

00:22:13: Das hast du ganz schön arg zu spüren bekommen.

00:22:15: Zum Beispiel bei Testament.

00:22:17: Das hast du eigentlich deinem Sohn gewidmet.

00:22:19: Und jetzt ist ja ein Song gegen Angepasstsein,

00:22:22: gegen Konsum, gegen den Start der Freigeister Frist.

00:22:25: Das hat der Spiegel so geschrieben.

00:22:27: Mit diesem Song hast du aber mehr Menschen erreicht,

00:22:30: sondern auch Menschen, die rechtspopulistisch

00:22:33: oder auf den Rechtsextremen sind,

00:22:35: die haben dein Song verbreitet, geteilt und für ihre Zwecke genutzt.

00:22:38: Kannst du dich an deinen ersten Gedanken zurück erinnern,

00:22:41: als du das mitbekommen hast?

00:22:43: Also ich muss insofern noch mal was dazu sagen,

00:22:46: weil das finde ich nämlich einen ganz spannenden Punkt.

00:22:49: Du hast ja gerade gesagt, ich habe die falschen Leute damit erreicht.

00:22:52: Und das sagen ganz viele so.

00:22:54: Und ich finde das ganz spannend, weil ich sehe das nämlich anders.

00:22:57: Ich will ja alle damit erreichen,

00:22:59: weil es ist ja ein Song,

00:23:01: der die zutiefst die eigene Menschlichkeit anspricht.

00:23:04: Ich habe diese Leute nicht erreicht mit dem Song.

00:23:07: Das ist der Punkt.

00:23:09: Weil das hat sie nicht wirklich erreicht.

00:23:12: Oder sie haben dann was daraus gemacht,

00:23:14: was aber die falsche Konsequenz war.

00:23:17: Das hat sie irgendwie getroffen,

00:23:20: aber sie haben die falsche Konsequenz gezogen, finde ich, daraus.

00:23:23: Oder die falsche Handlungskonsequenz.

00:23:25: Genau, mein erster Gedanke.

00:23:27: Ich weiß noch, dass ich mit meinem Management gerade irgendwie

00:23:31: bei einem Weinchen saß.

00:23:33: Wir wollten ein paar Sachen besprechen

00:23:35: für die anstehenden Touren und so halt.

00:23:38: Und uns ein bisschen austauschen.

00:23:40: Und plötzlich kriegte ich so eine Nachricht auf Facebook

00:23:43: von einem Fan so, der halt geschrieben hat,

00:23:46: so, ey, hast du das hier mitbekommen? Was hier los ist?

00:23:48: Und dann gucken wir auf die Seite und dann waren wir völlig geschockt.

00:23:51: Und ehrlich gesagt, ich habe gar nichts gedacht.

00:23:53: Ich stand total unter Schock.

00:23:55: Also ich war völlig, völlig von den Sorken weg.

00:23:57: Warte mal.

00:23:59: Also erstmal freust du dich natürlich, okay krass,

00:24:01: ich habe auf einmal, wie viele Tausend Likes da,

00:24:03: auf einmal mehr und denkst dir so, ich bin irgendwie steil gegangen,

00:24:07: was ist denn jetzt passiert?

00:24:09: Und dann merkst du aber ganz schnell, also das dauert ein paar Minuten

00:24:12: und dann raterte das so und dann haben wir uns angucken,

00:24:14: was ist das denn überhaupt?

00:24:16: Und das dann zu verstehen.

00:24:18: Also das Problem war ja,

00:24:20: dass das gar nicht so gleich ersichtlich war,

00:24:23: was das für Organisationen sind, die da wirken.

00:24:25: Also was ist das denn? Das sind irgendwelche,

00:24:27: also ich sage es jetzt mal so, wie ich es jetzt gesagt habe,

00:24:29: wie wir in dem Moment dachten, okay, das sind irgendwelche Hippies, okay, hey,

00:24:32: was machen wir?

00:24:34: So, und ich meine, das war ja schon immer zu spüren

00:24:38: bei diesem Song, dass es Leute gab,

00:24:40: die diesen Song genau wie alles andere,

00:24:44: also es gibt ja immer schöne Dinge auf der Welt

00:24:46: und Menschen schaffen das, das zu missbrauchen.

00:24:48: Das ist einfach irgendwie die Geschichte der Menschheit, weißt du,

00:24:52: ob das jetzt die Kirche ist, wo es halt wirklich schlimme Missbrauchsfälle zum Beispiel gibt,

00:24:56: also es sind trotzdem schöne Dinge, die man einfach die Leute ausnutzen.

00:25:00: Und ja, genau, und irgendwie war das schon immer für mich zu spüren,

00:25:06: dass ich den Song gesungen habe, dass es immer auch Leute gab,

00:25:09: wo ich dachte, warte mal, du bist aber gerade einfach nur ein übergriffiger Arsch,

00:25:12: du hast es überhaupt nicht verstanden.

00:25:14: Du denkst nur, du hast die Weisheit hier mit Löffeln

00:25:16: und du bist jetzt hier in der vollen Deutungshoheit

00:25:18: und hast gar nicht gecheckt, worum es geht.

00:25:20: Und ich habe neulich, deswegen hatte ich übrigens gestern so gelacht,

00:25:24: ich habe nämlich ein Bild gesucht, was passt zu dem Satz,

00:25:28: wenn ihr das Welt nennt, bin ich gern weltfremd,

00:25:30: weil ich damit ein T-Shirt machen will.

00:25:32: Und da habe ich so ein altes Bild aus den A80ern gefunden,

00:25:35: von einem Vater, der schaukelt

00:25:37: und der sein Kind volle Kanone mit dieser Schaukel umwampst.

00:25:40: Und ich fand, das war das treffendste Bild für Testament

00:25:44: und wie man das falsch verstehen kann.

00:25:46: Und dass das im Übrigen auch ganz oft, ja, naja,

00:25:52: das sind ganz oft Menschen,

00:25:54: vor allem sind es oft Menschen, die halt weiss sind

00:25:57: und die irgendwie reich sind und so,

00:25:59: die das, also reich im Sinne von, so wie wir jetzt reich sind, auch privilegiert sind,

00:26:03: die das dann falsch verstehen und die dann denken,

00:26:05: sie haben es total geblickt und benutzen es aber einfach für ihre Ideologie.

00:26:09: Und das war natürlich ganz, ganz schlimm,

00:26:11: weil ich halt auch mich so lange dagegen gewährt habe,

00:26:15: Menschen auszuschließen, die den Song fühlen.

00:26:20: Also ich habe das dann auch so gehasst,

00:26:22: dass immer alle kamen und gesagt haben,

00:26:23: aber du bist ja auf unserer Seite, oder?

00:26:25: Und dann habe ich immer gedacht, lasst mich alle in Ruhe.

00:26:28: Ich habe das doch gar nicht so gemeint.

00:26:30: Ich wollte was ganz anderes damit.

00:26:32: Und ich war so jung und ich wusste einfach nicht,

00:26:35: wie ich mich darin verhalten soll.

00:26:37: Und trotzdem habe ich mich natürlich sofort positioniert.

00:26:40: Also was halt ganz klar ist, ist ja,

00:26:42: du kannst immer sagen, wo du stehst.

00:26:45: Die Möglichkeit hast du immer.

00:26:47: Du kannst nicht sagen, ich bin gegen den oder ich bin gegen dich

00:26:50: oder ich muss nicht unbedingt Leute anfeinden,

00:26:52: aber du kannst immer sagen, ich stehe für dieses.

00:26:56: Und ich habe dann ja auch mit der Öffentlichkeit

00:26:58: viele gute Sachen bewegt und habe viel für die,

00:27:00: auch für die Seenotrettung mit gesammelt

00:27:03: oder habe mich da irgendwie reingehängt auch.

00:27:06: Aber ich war natürlich irgendwie,

00:27:09: du hast zu diesen Schaden kannst du ja nicht ermessen.

00:27:12: Woher willst du denn wissen,

00:27:14: welche Radiosender mich nicht gespielt haben

00:27:16: oder welche Agenturen kein Bock auf mich haben,

00:27:18: weil sie denken, das ist doch so eine rechte Braut irgendwie.

00:27:23: Und ja, also ich habe es ja dann doch nochmal dazu sagen müssen.

00:27:29: Du hast es auch ganz deutlich gesagt.

00:27:32: Hat das in irgendeiner Form auch deine kreativen Prozesse beeinflusst?

00:27:37: Auf jeden Fall.

00:27:39: Ja, weil alles, ich glaube, das alles, alles beeinflusst.

00:27:43: Also es gibt keinen, für mich ist es zum Beispiel nicht egal.

00:27:47: Also es gibt ja Künstler*innen, die machen Musik

00:27:50: und die machen das so für sich und die wollen eigentlich auch gar nicht

00:27:53: so gerne auf die Bühne oder so, das gibt es ja manchmal.

00:27:55: Also die das gar nicht so gerne mögen

00:27:57: und eigentlich super introvertiert sind.

00:28:00: Und ich bin zwar auch super introvertiert,

00:28:02: aber ich liebe das auf der Bühne zu sein

00:28:04: und liebe das mit den Leuten zu kommunizieren durch die Musik.

00:28:07: Und deswegen beeinflusst mich das immer, wie Leute reagieren auf meine Songs.

00:28:11: Es macht mich wütend oder es macht mich bockig

00:28:14: oder ich versuche mich anzupassen.

00:28:17: Also das passiert mir genauso wie allen anderen Menschen auch auf der Welt.

00:28:20: Es wäre ja gelogen, wir sind ja alle soziale Wesen.

00:28:23: Wenn man jetzt sagt, mir ist das völlig wurscht.

00:28:25: Und ich muss sagen, den Song, den ich jetzt rausgebracht habe, nie wieder,

00:28:29: der ist genauso wie Testament, sehr, sehr viele Seiten lang,

00:28:33: der Text, also Testament ist ja super runtergekürzt,

00:28:36: das eigentlich 25 Seiten lang gewesen.

00:28:38: Und ich habe Texte ohne Ende.

00:28:41: Also falls jemand Melodien übrig hat, ich habe sehr viele Texte rumlegen.

00:28:44: Genau und als ich nie wiedergeschrieben habe, das war an dem Punkt,

00:28:49: also als Testament gekapert wurde und ich das erfahren habe,

00:28:51: da ist dieser Text aus mir rausgekommen

00:28:53: und ich habe dann lange überlegt,

00:28:55: Mensch wie könntest du deinen Songs schreiben,

00:28:57: die trotzdem alle Leute mitnehmen?

00:28:59: Weißt du also nicht, dass man Leute jetzt,

00:29:02: sondern okay, die folgen mir, das ist ja erstmal ganz gut,

00:29:05: weil ich kann ja vielleicht einen guten Einfluss auf die haben.

00:29:08: So.

00:29:09: Und also ein bisschen so Rattenfänger Gedanken, weißt du,

00:29:13: so vielleicht kann ich die ja mitnehmen

00:29:15: und es gab tatsächlich auch junge Leute,

00:29:17: zum Beispiel vom Land oder so, die so ein bisschen in so einen

00:29:20: Neonazi-Bubbles da rumgehangen sind, die dann Fans geworden sind

00:29:24: und die irgendwie gesagt haben so, hey, wir finden dich cool

00:29:26: und irgendwie haben wir gemerkt, das ist vielleicht auch ein bisschen dumm da,

00:29:29: aber wir machen das jetzt mal doch anders.

00:29:32: Das hatte ich halt auch und das hatten wir Hoffnung gemacht

00:29:34: und dann habe ich aus diesem Nevidertext, habe ich gerade ...

00:29:36: quasi so Songs wie "Dat draußen", die eher poetisch sind

00:29:40: oder "Einsamkeit zum Trotze",

00:29:42: wo ja auch der Rabbi und das Stiefeltom drin vorkommen

00:29:45: und wie sich so die Menschen begegnen und so was.

00:29:48: Aber ich hab das nicht so ganz klar benannt.

00:29:50: Und jetzt muss ich sagen, dass die letzten Jahre,

00:29:55: in denen ich auch viel Mut hatte,

00:29:57: wirklich wichtige Entscheidungen für mich zu treffen

00:29:59: und mir auch getraut mich, getraut habe,

00:30:02: auch Trennungen zuzulassen und so weiter.

00:30:04: Und das pusht eine auf so nach vorne und man wächst dadurch total.

00:30:08: Das ist mir auch passiert. Da hab ich's noch mal gemerkt, nie.

00:30:11: Ich muss das noch mal, und ich will das auch noch mal sagen.

00:30:14: Weil wir hatten im letzten Jahr ein Programm gemacht,

00:30:18: das heißt "Zeitlose Kamellen".

00:30:20: Und da hatte ich die Idee, meine Lieblingsdichter zu nehmen,

00:30:23: und zwar genau die ersten drei, die mir begegnet sind.

00:30:26: Ich musste irgendwie wählen.

00:30:28: Wie kann ich mich entscheiden zwischen den ganzen Leuten,

00:30:31: die mich inspiriert haben? Das geht ja gar nicht.

00:30:33: Die, die ich in meinem Leben hatte, die mich inspiriert haben.

00:30:37: Und die waren von ... Nee, Erich Fried war auch dabei,

00:30:40: aber nicht bei dem Kamellenprogramm.

00:30:42: Die waren von Kestner, Tuchholzki und Brecht.

00:30:44: Und die drei, die standen alle auf dem Bücherverbrennungsindex der Nazis.

00:30:49: Und die haben alle vor den Nazis gewarnt,

00:30:51: die sind alle voller Motivationen den Krieg gezogen

00:30:54: und völlig der Zeil des Sonderes zurückgekommen.

00:30:57: Tuchholzki hat sich sogar das Leben genommen und gesagt,

00:31:00: ich bin kein deutscher Dichter mehr.

00:31:02: Ich habe auch Texte veröffentlicht, auch Satiren über Menschen.

00:31:05: Unter anderem eine Satire, die nennt sich "Gute Nachrichten".

00:31:09: So wie mein neues Album.

00:31:10: Und da in diesem Programm haben wir quasi diese Texte von den Dichtern

00:31:15: genommen und haben die vermischt mit meinen Liedern.

00:31:17: Und haben festgestellt, boah, da sind so viele Dinge,

00:31:21: die einfach genau gleich sich anfühlen,

00:31:23: wie sich damals für Brecht angefühlt haben oder wie sich damals,

00:31:26: und nicht nur jetzt in Bezug auf die Nazis,

00:31:28: sondern auch auf die Gesellschaft, auf die Zeit.

00:31:31: Die Zeit ist viel zu groß, so groß ist sie.

00:31:34: Man nimmt ihr täglich Maß.

00:31:35: Und denkt, oh Gott, die Zeit ist viel zu groß,

00:31:38: wie schaffen wir das?

00:31:40: Und das ist ...

00:31:42: Genau, und diesem Zusammenhang ist dann der Song nie wieder

00:31:47: in diesem Programm noch mal wieder hochgekommen.

00:31:49: Und wir haben dem eine Melodie gegeben.

00:31:52: Und dann war klar, okay, spätestens letztes Jahr war klar,

00:31:55: ey, wenn wir jetzt nicht die Lawine stoppen,

00:31:57: die ist schon dann voll im Gang, dann ist es wirklich zu spät.

00:32:01: Und jetzt ist es maulaufmachen, irgendwie.

00:32:03: Und ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde,

00:32:06: dass es immer angenehm ist, so im Kreuzfeuer zu stehen.

00:32:09: Weil es ist schon ...

00:32:11: Ich glaube, es verbaut einem schon viele Türen,

00:32:13: wenn man so politische Songs macht.

00:32:15: Das ist nicht so easy, aber es gibt auch keine andere Option.

00:32:19: Kurze Werbeunterbrechungen eigener Sache.

00:32:21: Mit Veto geben wir Aktivismus eine mediale Bühne.

00:32:25: Wir erzählen von denen, die aufstehen und ihre Stimme erheben.

00:32:29: Was sie wollen, was sie antreibt,

00:32:31: das lest ihr jede Woche neu auf Veto-Magazin.de.

00:32:34: Also, ich hab das Gefühl, dass das vor wenigen Jahren

00:32:42: noch nicht so gang und gäbe war,

00:32:44: dass man sich als Künstler in politisch positioniert hat.

00:32:48: Also, jetzt sogar Helene Fischer hat deutlich gesagt, wo sie steht.

00:32:54: Das war total ungewöhnlich.

00:32:58: Was glaubst du, was ist passiert,

00:33:00: dass immer mehr Musiker*innen,

00:33:02: die auch ein ganz anderes Publikum erreichen

00:33:05: und eine entsprechende Meinungsmacht haben,

00:33:08: dass sie jetzt ihre Bühnen nutzen,

00:33:10: um eine politische Haltung zu transportieren?

00:33:13: Ja, das ist eine gute Frage.

00:33:15: Da kann ich jetzt natürlich auch nur ganz intuitiv darauf antworten.

00:33:20: Ich hab schon das Gefühl, ich hab ja einen Sohn, der ist jetzt 19.

00:33:24: Und ich hab schon das Gefühl,

00:33:26: dass diese Generationen, die sind echt schlau,

00:33:29: also, die sind echt auch herzschlau.

00:33:32: Da hat sich sehr, sehr, sehr viel getan, irgendwie.

00:33:35: Und es gibt einfach tolle Entwicklungen.

00:33:37: Es gibt einfach tolle Entwicklungen in unserer Gesellschaft.

00:33:40: Wir sehen ganz oft auch nur das, was so ...

00:33:43: Also, ich hoffe sehr, dass das, was jetzt gerade passiert,

00:33:46: auch mit der AfD, so eine Letztes Aufatmen

00:33:48: von so einem alten Tier ist, was gleich stirbt.

00:33:52: Also, so dieses Aufräumen noch mal

00:33:55: und dann macht's einfach ...

00:33:57: Und dann ist es einfach vorbei.

00:33:59: Weil eigentlich die breite Maße schon auch

00:34:02: ein gewisses Bewusstsein dafür hat, wie wir miteinander leben wollen.

00:34:06: Und das ist neue Wege geben muss.

00:34:08: Ich weiß es nicht, aber ich würd's mal hoffen.

00:34:10: Ich glaube, dass dieser Mut, der Künstler*innen schon auch daherkommt.

00:34:15: Und ich finde aber auch,

00:34:17: das finde ich zum Beispiel auch ein ganz spannendes Thema.

00:34:20: Man wird ja oft als Künstlerin gefragt, vor allem als Künstlerin,

00:34:24: ob du findest, dass du das kunstpolitisch sein musst.

00:34:27: Und ich finde das eine absolute ...

00:34:30: einen absoluten Affront,

00:34:32: Künstler*innen zu erzählen, wie ihre Kunst zu sein hat.

00:34:36: Kunst ist was Heiliges.

00:34:38: Das kommt aus dir, so wie es kommt.

00:34:40: Und im besten Falle denkst du nicht, du stopbst es nicht,

00:34:43: du hältst es nicht an, du wertest es nicht,

00:34:45: sondern es kommt einfach.

00:34:47: Da geht's um ein ganz, ganz tiefes Bewusstsein,

00:34:51: unseres Daseins.

00:34:53: Das klingt jetzt ein bisschen krass.

00:34:55: Ich bin gar nicht so ein Spiri oder so, überhaupt nicht.

00:34:58: Aber ich ...

00:35:00: ich glaube dazu tiefstran.

00:35:03: Aber als Mensch kannst du natürlich eine Haltung haben.

00:35:07: Wenn du das so anfühlt,

00:35:09: aber das muss sich immer richtig anfühlen, weißt du?

00:35:12: Das kann man nicht erwarten und verlangen von Leuten.

00:35:15: Das geht nicht.

00:35:17: Und ich denke einfach, ja, das ist eine hellene Fischer,

00:35:21: wenn man was macht, da wird er auch ganz schnell mal drauf rumgehakt.

00:35:24: Ja, das war zu spät oder das hätte sie ...

00:35:26: Ich finde das geil, dass sie das macht.

00:35:28: Also, lasst uns nicht zu sehr darüber schimpfen.

00:35:31: Und schon gar nicht immer nur auf erfolgreiche Frauen schimpfen,

00:35:34: die nicht alles richtig machen.

00:35:36: Das sollten wir mal dringend sein lassen,

00:35:38: weil es gibt auch genug andere Leute,

00:35:40: die in ihrem Alltag nie das Maul aufmachen.

00:35:42: Und dann aber ganz laut überhöhlen, die Fischer schimpfen.

00:35:46: Man kann nämlich auch im Alltag so viele Kleinigkeiten verändern.

00:35:50: Also, dass das dieser eine Moment, wo du dich in der Apotheke

00:35:54: nicht bei der blonden Frau anstellst,

00:35:57: sondern bei der Frau mit dem Kopftuch.

00:35:59: Ich merke es im Osten auch schon, dass das ein bisschen anders ist,

00:36:02: weil einfach diese verschiedenen Kulturen hier fehlen.

00:36:05: Zum Beispiel.

00:36:06: Also, diese vielen verschiedenen Kulturen,

00:36:08: die ist ja im Süddeutschland, wo ich gelebt hab, in so einer Arbeiterstadt,

00:36:12: da war alles voller, alle Kulturen so, ne?

00:36:15: Und das war alles völlig normal irgendwie.

00:36:17: Ich schweif jetzt ab. Wo waren wir eigentlich?

00:36:19: Entschuldigung.

00:36:21: Im Grunde hat sich der Kreis ja so ein bisschen geschlossen

00:36:26: bei dieser Grundhaltung, die du beschrieben hast.

00:36:28: Du hast ja vorhin auch schon gesagt, du schreibst jetzt nicht,

00:36:31: oder gehst nicht los und sagst, jetzt schreib ich mal einen politischen Song.

00:36:34: Sondern ich schreibe Slam-Texte und Kurzgeschichten und so,

00:36:38: und werde dann ganz oft gefragt, ja,

00:36:41: wie schreibst du denn feministische Texte?

00:36:43: Und dann denke ich immer, ich stets mich nicht hin

00:36:46: und denke jetzt schreibe ich mal einen feministischen Text,

00:36:48: der eine Grundhaltung, die dann deutlich oder nicht so deutlich einfließt,

00:36:52: weil man halt so ist irgendwie, ne?

00:36:55: Also, da hat sich jetzt schon ganz gut der Kreis geschlossen

00:36:58: von wegen Abschweifen.

00:37:01: Wir spielen noch ein Spiel. - Okay.

00:37:03: Geht es da auch um Intuition und Bauchgefühl?

00:37:07: Da waren wir ja eben schon.

00:37:09: Und dieses Spiel heißt "Ändere deine Form".

00:37:12: Also, ich frage dich, was du ...

00:37:14: Ja, genau.

00:37:17: Was du wärst, wenn und du kannst dann überlegen,

00:37:20: wie du antworten möchtest.

00:37:22: (Dynamische Musik)

00:37:25: Ganz schön wild.

00:37:32: Ändere deine Form.

00:37:34: Also, jetzt ist Intuition und Bauchgefühl gefragt.

00:37:39: Sarah, was wärst du, wenn du ein Wetter wärst?

00:37:42: Ein leichter Nieselregen mit Nebel.

00:37:46: Oh.

00:37:48: Und wenn du dich als eine Herrschaftsform denken müsstest,

00:37:52: welche wäre das?

00:37:54: Oh Gott.

00:37:56: Das ist eine Scheißfrage.

00:37:59: Die möchte ich bitte nicht beantworten.

00:38:01: Wusste ich nicht?

00:38:03: Die möchte ich bitte nicht beantworten.

00:38:05: Ich weiß nicht.

00:38:08: Dann fragen wir es anders.

00:38:10: Wenn du eine Utopie wärst, wie seht diese aus?

00:38:13: Wenn ich eine Utopie wäre.

00:38:17: Dann wäre ...

00:38:19: Ach Gottchen.

00:38:21: Dann wären wir alle auf Augenhöhe.

00:38:23: Wir haben schon jetzt ganz viel über klare Positionen gesprochen.

00:38:27: Eine deiner ersten Single-Auskopplungen

00:38:30: aus deinem neuen Album war der Song "Day".

00:38:32: "Day" ist ein Neopronom für non-binäre Menschen,

00:38:35: Menschen, die sich weder als Diaryotyp weiblich

00:38:38: noch männlich verorten,

00:38:39: sich außerhalb der binären Geschlechterordnung verstehen.

00:38:43: Warum ist dieses Thema für dich wichtig?

00:38:45: Genau.

00:38:47: Das Thema ist schon lange in meinem Leben irgendwie wichtig geworden.

00:38:51: Schon seit vielen, vielen Jahren.

00:38:53: Auch weil ich mich in einem Umfeld bewege,

00:38:55: in dem es auch non-binäre Menschen und Trans-Menschen gibt.

00:38:58: Und ich hab ja auch schon auf meinem letzten Album

00:39:02: das Thema auf jeden Fall angeschnitten.

00:39:04: Und auch die Geschichte zum Beispiel von Marcia P. Johnson erzählt.

00:39:08: Von einer ganz ...

00:39:10: Ja, von einer eigentlich Ikone der Queeren und Trans-Bewegung.

00:39:14: Aus New York, aus den 80er, 90er Jahren.

00:39:18: Und genau.

00:39:20: Ich hab einfach gemerkt, dass ...

00:39:22: Also, zum einen, obwohl ich sehr liberal aufgewachsen bin,

00:39:26: finde ich es total interessant,

00:39:28: meine eigene Journey so zu beobachten.

00:39:31: Weil ich nämlich auch total queer bin und total queer lebe.

00:39:34: Und zwar schon immer, aber irgendwie immer dachte ich,

00:39:38: ich dachte immer, ich bin total hetero und super binär.

00:39:42: Also, ich dachte irgendwie, lange, das geht mich nichts an.

00:39:45: Aber ist ja schon alles okay, irgendwie.

00:39:47: Oder so vielleicht, weiß ich nicht, ganz, ganz früher.

00:39:50: Und trotzdem muss ich sagen, ich hab echt auf dieser Reise

00:39:54: für mich jetzt festgestellt in den letzten Jahren,

00:39:56: wo ich auch lange mal wirklich ohne Beziehung war,

00:39:59: weil ich war ja früh Mama.

00:40:01: Und hab einfach auch am Ende ...

00:40:03: Wir haben viel über Feminismus geredet,

00:40:05: oder wir haben uns total feministisch gefühlt.

00:40:08: Aber eigentlich haben wir übelst hetero-normativ gelebt, irgendwie.

00:40:12: Und das System immer wieder so zurückgepresst

00:40:14: in dieses Konstrukt, also gerade als Eltern auch.

00:40:17: So, wenn man jetzt die Gender Pay Gap redet oder so,

00:40:19: dann kommt man schon relativ schnell einfach.

00:40:22: Oder auch wie stehe ich denn zum Thema

00:40:25: oder diese Raben-Mütter-Editude sozusagen.

00:40:28: Die Deutsche auch gerne mal haben.

00:40:30: Aber ich schweifst schon wieder ab.

00:40:32: Was ich eigentlich sagen wollte,

00:40:34: jetzt war ich in den letzten Jahren alleine

00:40:37: und hab eben auch eine ganz tolle Chosen Family um mich rum.

00:40:40: Und hab irgendwie gemerkt, das stimmt gar nicht.

00:40:43: Es stimmt gar nicht.

00:40:44: Mir ist erstens geschlecht völlig wurscht, wenn ich mich verliebe.

00:40:48: Das ist ganz, ganz klar.

00:40:49: Und ich bin auch selber gar nicht einfach nur eine Frau.

00:40:53: Also, ich kann mich auch damit identifizieren,

00:40:55: zum Beispiel mit dem Pronomen "Sie".

00:40:57: Aber ich kann mich auch sehr gut mit dem Pronomen "Day" identifizieren.

00:41:01: Und ich fühl mich total weg davon in vielen Momenten meines Lebens auch.

00:41:05: Und ich bin durch eine lange, lange, lange ...

00:41:08: Ja, durch ein langes Tal gegangen.

00:41:10: Um dann festzustellen,

00:41:11: eigentlich will ich viel freier sein, als ich lebe.

00:41:14: Und es war gar nicht so einfach für mich.

00:41:17: Und bei dem Song "Day" war das eben so,

00:41:19: dass ich halt noch gar nicht so bewusst hatte.

00:41:21: Sondern eher dachte,

00:41:23: ah, Mensch, die Menschen, die in meinem Umfeld sind,

00:41:26: die non-binär sind, die müssen sich jeden Tag erklären.

00:41:29: Die müssen immer sagen, hallo übrigens, dieses Hirn ist.

00:41:32: Und ich wollte gerne, dass ...

00:41:35: irgendwie umsetzen, dass ich nämlich der Meinung bin,

00:41:39: ich hab mich ganz bewusst für die deutsche Sprache entschieden.

00:41:42: Als Musikerin, weil ich die sehr toll finde.

00:41:45: Weil die nämlich für ...

00:41:46: Es gibt wenig Sprachen, wo so viele Worte für einen Ding gibt

00:41:50: wie im Deutschen.

00:41:51: Und es gibt für mich eine ganz große ...

00:41:53: Was das Schönste ist an der deutschen Sprache,

00:41:56: ist diese Verspieltheit, die sie hat, und das, die sich so entwickelt.

00:42:00: Also, dass man so ...

00:42:01: Ja, ich liebe das einfach,

00:42:03: wenn Sprache ganz verspielt auch verwendet werden kann.

00:42:06: Ich hab einen kleinen Kindern gearbeitet, so, ne?

00:42:09: Und ...

00:42:10: Genau, und ich hab gedacht, Mensch, es wär doch cool,

00:42:13: wenn man dieses Wort jetzt einfach auf 'ne schöne Art so einbringt,

00:42:16: weil es gibt so einfache Tools,

00:42:19: wie man sich an Sprache gewöhnen kann,

00:42:21: an neue Sprache gewöhnen kann.

00:42:23: Und wenn es halt für dich kein Wort gibt,

00:42:26: dann bist du einfach nicht vorhanden.

00:42:28: Und das find ich so schlimm.

00:42:30: Also, das ist so furchtbar,

00:42:32: wenn es nur Mann und Frau gibt.

00:42:35: Und es gibt einfach nichts dazwischen.

00:42:37: Und das stimmt ja nicht.

00:42:39: Also, das stimmt weder für Menschen noch für Tiere,

00:42:42: dass es nichts dazwischen gibt.

00:42:43: Das ist einfach ...

00:42:45: Ja, und ich mein ...

00:42:47: Ich weiß, ich könnte ganz tief in das Thema reintauchen,

00:42:51: aber in dem Song hab ich einfach versucht,

00:42:54: auf 'ne witzige, schöne Art ...

00:42:56: Empowerment zu ermutigen.

00:43:01: Zu Empowerment zu ermutigen.

00:43:02: Und das vielleicht Leute, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben,

00:43:06: und jemand vorstellt und sagt, hey, ich bin Lola,

00:43:09: meine Pronomen sind, they und denen, zum Beispiel.

00:43:13: Dass dann jemand sagt, warte mal, das hab ich schon mal irgendwo gehört.

00:43:17: Und dass es wenigstens nicht so was ganz Neues ist.

00:43:19: Das war so ein bisschen mein Ansinnen.

00:43:22: Ja.

00:43:23: Es gibt da bei Instagram auch viele Kommentare von Leuten,

00:43:28: die irgendwie so gar nichts mit diesem Thema anfangen können

00:43:31: und auch so 'ne gewisse Abwehrhaltung haben.

00:43:34: Du hast das auch schon ganz klar attematisiert

00:43:37: und hast gesagt, da fehlt vielleicht so ein bisschen Offenheit

00:43:41: und Bereitschaft, sein Denken und Handeln auch zu hinterfragen

00:43:44: und sich mit solchen Themen wie Neopronome auseinanderzusetzen.

00:43:48: Merkst du, dass du mit deiner Musik dann auch zum Denken anregen kannst?

00:43:53: Und ist das auch 'ne Motivation für dich als Musikerin?

00:43:56: Ähm, ja, also auf jeden Fall.

00:44:00: Äh, das ist auf jeden Fall total ...

00:44:03: Also irgendwie fetzt es auch, dass man so was macht.

00:44:07: Und da piekt man in die Mitte von so 'nem Ballon.

00:44:10: Ja. - Und dann sieht man so die ganze Scheiße rauskommen.

00:44:13: Ich will ...

00:44:14: Also, ein bisschen macht mir das natürlich auch Spaß.

00:44:17: Es ist ja gelogen, ne?

00:44:19: Wenn man sich das Video anguckt zu dem Song,

00:44:21: dann sieht man ja auch, dass ich durchaus da provokativ sein will

00:44:25: und auch Spaß habe damit.

00:44:27: Und ich find das total geil, was natürlich bei dem Song mega cool war,

00:44:31: dass ich 'ne hoffen, witzige Videos und Nachrichten von Queers gekriegt hab,

00:44:35: die gesagt haben, ich feier das grad übelst

00:44:38: und ich nerv hier voll meine Nachbarn,

00:44:39: und die sich da einfach total drüber gefreut haben.

00:44:42: Und was aber natürlich schlimm ist,

00:44:44: also dieser ganze Hass, der da losging,

00:44:47: also ehrlich gesagt, ein bisschen unterschätzt hab ich das schon.

00:44:50: Das hätte ich nicht gedacht.

00:44:52: Also, dass das so krass abgeht,

00:44:54: weil ich mir auch denke, okay, wie unsicher,

00:44:57: müsst ihr dann in eure eigenen ...

00:44:59: Männlichkeit in Anflugstrichen sein,

00:45:02: dass ihr jetzt Angst habt, dass euch jemand was wegnimmt,

00:45:05: wenn er selbst anders lebt.

00:45:06: Also, warum greift euch die Freiheit von jemand anderem so krass an?

00:45:10: Das ist ja eigentlich nur ein Spiegel dafür,

00:45:13: wie unsicher du in deiner eigenen ...

00:45:15: Rolle eigentlich bist.

00:45:18: Und wenn du halt weißt, ich hab meine Rolle nur,

00:45:20: weil ich zufällig die Person bin, die mehr Macht hat als alle anderen,

00:45:24: aber solange keiner merkt, kann ich hier sitzen bleiben.

00:45:27: Dann kriegst du natürlich Schiss,

00:45:29: wenn jemand anfängt, da ranzupopeln, irgendwie.

00:45:32: Aber wenn du eigentlich ...

00:45:34: Also, immer wenn du mit Menschen nah bist und wirklich persönlich,

00:45:39: dann kommt ganz oft nämlich dann auch raus,

00:45:42: dass die eigentlich auch unsicher sind

00:45:45: oder sich auch in ihrer Rolle nicht gut fühlen.

00:45:47: Also, auch ganz viele Zismänner, zum Beispiel,

00:45:49: ich habe viele Zismänner in meinem Leben, die ich sehr liebe

00:45:52: und viele, die ich sehr geliebt habe.

00:45:55: Und die sehr nah an mir dran waren.

00:45:57: Ich hab ja allen das gleiche Bedürfnis gespürt,

00:45:59: auch auszubrechen aus dieser Rolle

00:46:01: und nicht diesen Druck immer zu haben und so weiter.

00:46:04: Und was aber natürlich jetzt zum Beispiel bei Instagram geht das ja noch?

00:46:08: Mit diesen Kommentaren, was dann da so rausbricht,

00:46:11: das ist ja erst mal so dieses "Bäh!"

00:46:13: Aber irgendwie scheint es die Leute trotzdem zu interessieren.

00:46:17: Man setzt sich mich sonst hin und schreibt so einen Kommentar.

00:46:20: Weißt du, ins Mir egal ist, kann ich sie auch einfach bleiben lassen.

00:46:24: Und auf Facebook ist es natürlich noch viel krasser.

00:46:27: Ja, das riecht ja der Hass so was von ...

00:46:29: Also, das ist ja Wahnsinn, was das für ein Pfuhl aus ...

00:46:32: weiß ich auch nicht.

00:46:34: Was da auch für eine Generation sich noch bewegt,

00:46:37: wo ich manchmal frage, okay,

00:46:39: wo kommt das jetzt eigentlich alles gerade her?

00:46:43: Ja.

00:46:44: Meinst du, es ist eine Generation,

00:46:46: dass auf Facebook einfach inzwischen andere Leute unterwegs sind

00:46:49: als auf Instagram? - Irgendwie schon.

00:46:51: Ich hab schon das Gefühl,

00:46:53: dass die jüngeren Leute, die interessieren sich nicht für Facebook.

00:46:56: Also, dann, glaub ich, gibt's halt eben auch viele so ...

00:46:59: tote Facebook-Profile sozusagen.

00:47:01: Also, du hast dann vielleicht ...

00:47:03: Ja, ich hab da 76.000 Likes auf meinem Profil.

00:47:07: Also, Follower*innen.

00:47:08: Aber ich glaube, da gibt's halt auch viele,

00:47:10: die selber gar nicht mehr auf Facebook sind.

00:47:12: Deswegen merkt man das natürlich auch,

00:47:15: dass du nicht mehr so easy Leute erreicht über Facebook,

00:47:18: sondern dass du vor allem Shitstorms verwalten musst.

00:47:20: Ja. - Das ist ein schöner Ausdruck-Shitstormsverwalt.

00:47:24: Also, viel schlimmer war's bei meinem letzten Album, muss ich ehrlich sagen.

00:47:28: Also, da war's richtig schlimm,

00:47:29: weil da hab ich ja über kurze Triggerwarnung

00:47:33: sexualisierte Gewalt.

00:47:34: Genau, also, wer jetzt da ...

00:47:37: Ich sag nur ganz kurz was dazu.

00:47:39: Ja. - Aber ich hab auf meinem letzten Album

00:47:41: da meine Geschichte halt erzählt.

00:47:43: Und hab eben darüber gesprochen über dieses Thema.

00:47:46: Und da war sehr viel berührendes Feedback,

00:47:49: aber da waren halt auch ... oh mein Gott.

00:47:51: Also, was man da alles für Leute auf dem Plan gerufen hat.

00:47:54: Und da hab ich dann ein Team aus vier, fünf Leuten gehabt,

00:47:57: die diese Kommentarspalten verwaltet haben.

00:48:00: Und die dann heulend angerufen haben und gesagt,

00:48:04: ich kann nicht mehr, ich hab so viel Scheiße gelesen.

00:48:07: Und was man auch sagen muss, das find ich auch interessant.

00:48:10: Das ist jetzt nur eine ganz wilde,

00:48:12: sehr steile, saralischartige These,

00:48:14: weil sie überhaupt nicht fundiert ist.

00:48:17: Aber ... also nur emotional.

00:48:18: Oder sie ist eben emotional fundiert.

00:48:21: Vielleicht auch ohne nur.

00:48:22: Ähm ...

00:48:23: Wir haben zuerst nie wieder rausgebracht als erstes Hingle.

00:48:28: Und ich glaube, weil dieser Song,

00:48:30: der packt ja so ein bisschen Leute,

00:48:32: die im Nackenfeld, die vielleicht auch ...

00:48:35: nicht sich mehr trauen, dann zu sagen,

00:48:37: ich fühl mich jetzt aber irgendwie davon angegriffen.

00:48:40: Es ist ja so ein bisschen ...

00:48:42: Es geht ja um so, du musst ja keine Springerstiefel tragen.

00:48:45: So reicht ja das auch mal an Weihnachten, was spendest halt.

00:48:49: Das ist ja auch so ein bisschen von uns angefasst, ehrlich.

00:48:51: Da traut man sich aber nicht runterzuschreiben.

00:48:54: "Das find scheiß."

00:48:55: Weil dann würde man sich ja sozusagen outen.

00:48:58: Also es scheint schon so ein bisschen out zu sein.

00:49:01: Rechts zu sein.

00:49:02: So ein bisschen out scheint es schon zu sein bei den Leuten.

00:49:05: Und dann haben wir als nächstes Day rausgebracht.

00:49:08: Und ich bin der Meinung, dass die Leute,

00:49:10: die sich darunter ... ähm, die darunter so hasst,

00:49:13: sich hassend ergötzt haben,

00:49:14: das sind eigentlich die,

00:49:16: die sich von nie wieder ganz schlimm angegriffen gefühlt haben.

00:49:20: Und die haben gedacht, aber das Genderthema, das ist in.

00:49:23: Da können wir jetzt ... - Das ist meine These.

00:49:25: Ja, find ich nachvollziehbar auf jeden Fall.

00:49:28: Weil wenn du wirklich mit Leuten reingehst

00:49:30: in dieses Thema, dieses Genderthema,

00:49:32: dann kommt ganz oft, wenn du mit Leuten diskutierst

00:49:35: auch über dieses Sexualisierte Gewaltsache oder so,

00:49:37: oder irgendwelche feministischen Themen,

00:49:40: wenn du damit Leuten drüber redest,

00:49:42: kommt am Ende ganz oft raus, dass sie eigentlich

00:49:45: "Du bist ewig rum, um dann am Ende kriegst du

00:49:47: irgend so ein scheiß Nazi-Spruch gegrückt."

00:49:50: "Das hab ich dann halt danke."

00:49:52: Okay, alles klar.

00:49:53: Ich würd gern zum Schluss noch über ein Thema sprechen,

00:49:57: nämlich kulturelle Aneignungen.

00:49:59: Und Dreads bei weißen Menschen.

00:50:01: Also letztes Jahr wurde Ronja Malzahn

00:50:03: von der Fridays for Future Veranstaltung ausgeladen

00:50:06: wegen ihrer Dreadlocks.

00:50:07: Und du hast damals auch ein Statement veröffentlicht,

00:50:10: indem du gesagt hast, Zitat,

00:50:12: dass es ja kein Fall armes Opfer der antirassistisch arbeitenden Szene ist

00:50:16: und dass sich weiße Menschen, die sich über den Vorfall empören,

00:50:19: mit ihrer White Fragility ist,

00:50:21: man wort das nicht so gut ausspricht,

00:50:23: Fragility auseinandersetzen sollten.

00:50:25: Und du hast dann auch auf Publikationen und Beiträge von

00:50:28: Tu Poka und Yasmina Kunkle verwiesen.

00:50:31: Wie verortest du dich selbst in diesem Diskurs

00:50:33: als weiße Person, die auch Dreads trägt?

00:50:36: Ja, das ist ein total spannendes Thema.

00:50:39: Und ich muss gestehen, dass ich natürlich auch

00:50:43: total Respekt habe, darüber zu sprechen.

00:50:45: Ich finde es aber super, darüber zu sprechen.

00:50:48: Ich finde es total gut, offen zu sein, auf jeden Fall.

00:50:51: Und ich muss sagen, dass ich mir sehr, sehr, sehr viele Gedanken

00:50:54: darüber mache, auch wie ich meine Haare trage und warum.

00:50:58: Und ich sie auch zwischendurch schon abgeschnitten hatte alle.

00:51:02: Weil ich ...

00:51:04: Also, ja, weil ich einfach gemerkt hab,

00:51:07: also, ich meine, ich trage diese Haare jetzt so seit,

00:51:11: weiß ich nicht, vor zehn Jahren oder so.

00:51:13: Nee, länger, aber seit 18 Jahren schon.

00:51:16: Und irgendwie muss ich sagen,

00:51:19: dass ich auf dem Weg dahin natürlich eine Entwicklung mitgemacht habe.

00:51:22: Und dass ich ...

00:51:23: äh, dass heute nicht mehr so machen würde.

00:51:27: Dass ich aber auch finde, dass Haare natürlich auch etwas persönlich sind.

00:51:31: Also, ich weiß nicht, ob wir jetzt über Haare reden wollen, so deep.

00:51:35: Ich weiß nicht, ob deine Frage so ...

00:51:37: Ich bin grad ein bisschen unsicher,

00:51:39: weil ich denke, was ich eben wichtig finde

00:51:41: in dieser Rundermalzahn-Diskussion,

00:51:43: ist, dass ich eben finde, dass es nicht cool ist,

00:51:46: jemanden wie sie dann zum Opfer zu machen.

00:51:49: So. - Ja.

00:51:50: Oder dass man dann an der Stelle vielleicht lieber seine ...

00:51:54: also ganz oft auch mal lieber seine Schnauze hält,

00:51:56: als weiße Person und vielleicht sich nicht die Deutungshoheit nimmt.

00:52:00: Und ich fand das halt sehr fatal,

00:52:02: dass sich dann da viele draufgestürzt haben,

00:52:04: dass wir eigentlich gar nicht mit dem Thema beschäftigen wollen.

00:52:08: Und die das dann als Ausrede genommen haben,

00:52:10: dass jetzt ja ... also ...

00:52:12: na ja, dass jetzt ja wieder die ...

00:52:14: woken oder was weiß ich, wie das dann genannt wird.

00:52:17: So, die wollen jetzt ja wieder was von uns.

00:52:20: Oder ... also ...

00:52:22: ich weiß nicht, ich glaube, es ist halt ein sehr schmaler Grad, weißt du?

00:52:26: Also, ich mein, natürlich verschwimmen Kultur,

00:52:28: natürlich singen wir oder spielen wir auch Blues-Akkorde und so weiter.

00:52:32: Also, das sind alles, ja, ja, klar, schon.

00:52:34: Es geht ja um die Haltung und darüber,

00:52:37: ob du Respekt hast vor dem anderen.

00:52:40: Und ob du verstehst, dass du gar nichts verstehst.

00:52:43: Dass du sagen kannst, okay, ich fand das irgendwie interessant.

00:52:48: Als ich ein junger Mensch war,

00:52:50: hab ich mich in dieser Umgebung, in der ich da gelebt hab,

00:52:54: zu tiefskonservatives Schwabenland,

00:52:56: weil ich mit zehn ...

00:52:57: weil ich mit zehn Leuten die einzige mit solchen Haaren im ganzen Dorf ...

00:53:02: und ich fand mich halt dann cool, ich fand mich rebellisch.

00:53:05: Ich hab schon immer Probleme mit meinen Haaren gehabt,

00:53:08: auch mit zu wenig Haaren, das sieht man nicht.

00:53:10: Aber das ist halt praktisch mit diesen Dingen an.

00:53:13: Das sieht dann nach viel aus, weißt du?

00:53:15: Man kann da halt viel rumwaskeln und rumayern und so.

00:53:18: Ich hab das einfach auch, weil ich Schwierigkeiten hab

00:53:20: mit so hormonellem Haarausfall und so.

00:53:22: Das sind dann halt auch wieder intime Themen,

00:53:25: darüber hab ich auch noch nie gesprochen.

00:53:27: Es gibt ja aber mehrere Gründe, warum du ne Frisur trägst.

00:53:30: Und wie du dich damit auseinandersetzt,

00:53:32: wann es dann in solche Diskussionen geht.

00:53:35: Und das halt auch richtig schlimm war damals,

00:53:37: dass ich dann so dachte, Alter, diese ganzen Leute,

00:53:40: die selber BIPOC sind, oder die sich in diesen ...

00:53:42: also, antirastisch arbeitende Personen,

00:53:45: die werden jetzt alle damit belangt, die sollen das jetzt erklären.

00:53:48: Und ich finde halt, dass eine Person, die dann dafür angegriffen wird ...

00:53:52: Mh ...

00:53:53: gerade wenn sie Privilegien hat und so ...

00:53:56: eigentlich hätte irgendwie ...

00:53:58: dann wichtig wäre, irgendwas Gutes zu sagen,

00:54:01: also was dem irgendwie hilft, so. - Ja.

00:54:03: Und ich hoffe, ich hab's irgendwie gut hingekriegt

00:54:06: mit diesem Statement.

00:54:07: Was ich nicht hinkriege ist ...

00:54:09: dass ich einfach meine ...

00:54:12: dass ich meine ... meine Locken, also meine Haare ...

00:54:15: das würde mich im Moment noch einfach so persönlich so ...

00:54:19: ich weiß auch nicht, auf ne ungute Art, glaub ich, in ne Krise.

00:54:22: Weil das gehört irgendwie so sehr zu mir.

00:54:25: Und ich hab aber Situationen, muss ich dir ehrlich sagen,

00:54:28: ich hatte grade auf ne Lesung von Tupuca gehen,

00:54:30: von Celina Bostick, und ...

00:54:32: die hatten so ne ...

00:54:34: leider dann ausgefallen, wird aber noch nachgeholt,

00:54:37: falls jemand Lust hat.

00:54:38: Da gab's so ne Lesung mit Liedern irgendwie in Berlin.

00:54:41: Um Weltfrauentag, und ich wollte da eigentlich hingehen.

00:54:44: Und da hab ich zu einer befreundeten Person gesagt,

00:54:47: so, "Ey, scheiße, ich kann da nicht mit den Haaren hingehen."

00:54:51: Das mach ich nicht.

00:54:52: Irgendwie fühlt sich das richtig kacke an.

00:54:54: "Was mach ich denn jetzt so?"

00:54:56: Dann kam es bei mir noch mal so richtig hoch,

00:54:59: dass ich irgendwie da so, ich will keine ...

00:55:01: ich will keine Lachen mehr haben, ich will das wegmachen.

00:55:05: Ich will auch nicht irgendwie so identifiziert werden,

00:55:07: wenn man mich auf der Straße sieht, wie jemand der denkt,

00:55:10: "Oh, ja, hier, lass mal alle einen Kreis tränzen

00:55:13: und Rasseln schwingen und so tun, als wenn wer Afrika versteht."

00:55:16: Also, weißt du so ...

00:55:17: Und gleichzeitig merke ich so,

00:55:19: ich hab die jetzt richtig krass gekürzt

00:55:21: und ganz viele davon rausgemacht.

00:55:23: Aber so, alle kann ich ... das schaffe ich noch nicht.

00:55:26: Und ich find's vor allem wichtig,

00:55:28: vielleicht ist es manchmal besser, die Schnauze zu halten,

00:55:31: als sich dann noch so die Deutungshoheit zu nehmen.

00:55:34: Gerade wenn man Privilegien hat

00:55:35: und wenn man sich eben auch gar nicht damit beschäftigt hat.

00:55:39: Was das ...

00:55:40: diese Frisur für andere Menschen bedeutet hat in der Geschichte

00:55:45: und immer noch bedeutet, dass es einfach Leute gibt,

00:55:49: die schlimm getriggert sind davon,

00:55:51: dass weiße Menschen solche Haare haben.

00:55:54: Das kann einfach was richtig Furchtbares auslösen.

00:55:57: Ja, und ich möchte so jemand nicht sein.

00:56:00: So.

00:56:02: Und ich glaube, umso mehr du dich auch in den Kreisen bewegst

00:56:05: und so mehr berührt dich das auch, weißt du,

00:56:07: also wenn du natürlich in deinem Umfeld keine Bi-Pok-Person hast,

00:56:11: wie soll dich das dann berühren?

00:56:12: Du denkst dann, was soll das denn?

00:56:15: Aber wenn du jemanden liebst, wirklich liebst und wirklich siehst,

00:56:18: der jeden Tag mit Diskriminierung umgeht aufgrund seiner Hautfarbe

00:56:23: oder seines Geschlechts oder so,

00:56:24: dann bist du ja auch anders berührt davon.

00:56:27: Ich glaube, du brauchst halt immer den persönlichen Bezug.

00:56:30: Ich find das ganz spannend, was du sagst,

00:56:33: weil ja im Grunde, wir alle in solchen Prozessen sind, ne?

00:56:36: Also, ob es Leute sind, die vielleicht über deinen Song "Day"

00:56:39: angestoßen werden, über Neopronomen nachzudenken oder ...

00:56:43: Binarität.

00:56:44: Oder ob es man selbst ist, wo man denkt,

00:56:46: es sind ja nicht nur Haare verschiedenste Themen,

00:56:49: die mit einem zu tun haben,

00:56:50: sondern auch, wie man das im Prozess befindet sozusagen.

00:56:54: Ja.

00:56:55: Also, vielen Dank, dass du auch darauf geantwortet hast.

00:56:58: Und wir haben jetzt ganz zum Schluss immer die Möglichkeit

00:57:02: für eine persönliche Werbeanzeige.

00:57:05: Also, du kannst auf etwas hinweisen, was dir sehr am Herzen liegt.

00:57:09: Das kann eine Initiative sein, das kann etwas Eigenes sein,

00:57:12: das können andere Menschen oder Accounts oder Themen sein.

00:57:15: Und ich würde den Jingle abspielen

00:57:18: und du hast dann Platz für deine Werbeanzeige.

00:57:21: (Dynamische Musik)

00:57:22: Oh.

00:57:25: Ganz schön.

00:57:26: Wichtig.

00:57:27: Platz für deine Werbeanzeige.

00:57:29: (Dynamische Musik)

00:57:32: Ja, ihr Lieben, ich würde mich sehr, sehr freuen,

00:57:41: weil ich dieses Jahr auf meinen Konzerten

00:57:43: hoffentlich richtig, richtig viele Spendensammeln werde

00:57:46: und ich würde mich ganz toll freuen, wenn ihr da mitmacht.

00:57:49: Wenn ihr entweder vorbeikommt

00:57:51: und einfach selber was in die Schatole schmeißt

00:57:54: oder online spendet für die Ziviliszenotrettung.

00:57:58: Und ja, das wäre mein Anliegen.

00:58:00: Fertig.

00:58:01: (Lachen)

00:58:03: Sehr schön.

00:58:05: Vielen, vielen Dank.

00:58:06: Wir werden die Zipunks in den Shownotes verlinken.

00:58:08: Dann ist der Weg nicht so weit, direkt was online zu spenden.

00:58:12: Vielen Dank, Sarah, dass du unser Gast warst

00:58:14: und Rede und Antwort gestanden hast.

00:58:16: Und viel Erfolg mit dem neuen Album.

00:58:19: Viel Spaß auf der Tour, danke dir.

00:58:21: Dankeschön. Hat mich superleutig gefreut, hier zu sein.

00:58:24: Das war's für diese Woche.

00:58:27: Wir hören uns wieder in 14 Tagen.

00:58:30: Vergesst nicht, den Podcast zu abonnieren

00:58:32: und Veto auf Instagram und TikTok zu folgen.

00:58:35: Und dann bis zum nächsten Mal. Tschüss.

00:58:37: (Dynamische Musik)

00:58:39: (Dynamische Musik)

00:58:41: Hey, bist du noch da?

00:58:55: Dann bis bald.

00:58:56: Du hörst ganz schön laut.

00:58:59: Den Veto-Podcast. Alle zwei Wochen.

00:59:01: Überall, wo es Podcasts gibt.

00:59:03: Und bis dahin folgt uns auf Instagram und TikTok.

00:59:09: zu tun.

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