Romy Arnold und Thüringens Rechte

Shownotes

Arnstadt in Thüringen: Hier ist Romy Arnold geboren und aufgewachsen. Die Kleinstadt präsentiert sich gerne als älteste Ortschaft in der ehemaligen DDR.

Erwähnenswert ist aber auch noch etwas anderes, findet Romy Arnold: „In Arnstadt gab es die AfD, bevor es die AfD woanders gab.“ Was sie damit meint, dass sich hier in den Neunzigern und Zweitausendern eine rechte Politik etablieren konnte.

Romy Arnold stellt sich dieser Hegemonie entgegen, schon seitdem sie Teenagerin ist. Mit MOBIT, der Mobilen Beratung in Thüringen, arbeitet sie heute mit Vereinen, Schulen, Behörden oder Einzelpersonen, die ein Problem mit Rechtsextremismus haben.

Anderen Engagierten Hoffnung zu geben, gehört zu ihren zentralen Aufgaben. Dabei selbst nicht den Mut zu verlieren, ist eine begleitende Herausforderung – gerade in einer Zeit, in der Diskurse nach rechts rücken.

Romy Arnold und Host Stephan Anpalagan analysieren im Gespräch, wie sich der Umgang mit Rechtsextremismus in der Bundesrepublik in den letzten 30 Jahren verändert hat und sie gehen der Frage nach, warum es in Westdeutschland leichter zu sein scheint, Zivilgesellschaft zu mobilisieren.

Und ganz nebenbei entpuppt sich Romy Arnold als begnadete Gardetänzerin und erklärt, was der Karnevals-Äquator ist.

TRANSPARENZ

Gleich zu Beginn der Folge erwähnt Romy Arnold den „Thüringentag der nationalen Jugend“, eine Art Festival, das von 2002 bis 2016 unter anderem von der NPD und Freien Kameradschaften organisiert wurde, um junge Menschen für rechtsextreme Ideen zu gewinnen.

Romy Arnold macht auf die Webseite des Bundesverbands der Mobilen Beratung aufmerksam und weist in der Kategorie Werbeanzeige auf den Demo- und Aktionskalender vom Demokrateam hin.

Die Folge mit Romy Arnold wurde am 23. Januar 2025 aufgezeichnet.

URHEBERRECHT

Im Intro des Podcasts zitieren wir:

Enissa Amani, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 2: „Die Macht der Comedy“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:11:26

Anja Reschke, aus: „Panorama“, Beitrag „Mein Nachbar ist Nazi“ vom 1. Juli 2022, NDR, Timecode: 00:00:05

Disarstar, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 1: „Die Macht der Musik“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:01:45

DANKSAGUNG

Redaktion: Jasper von Römer; Hosts: Ninia La Grande, Stephan Anpalagan; Produktion: Benjamin Jenak; Artwork: Karla Schröder; Sprecherin: Leni Leßmann

FINANZIERUNG

Veto wird anteilig gefördert vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Transkript anzeigen

00:00:00: Es hätte keine Veränderungen dieser Welt gegeben,

00:00:03: wenn nicht irgendjemand gesagt hätte, ach, das müssen wir ändern.

00:00:06: Manchmal muss man klare Kante zeigen.

00:00:09: Das fordert die Gesellschaft ja auch.

00:00:11: Klare Kante gegen rechts heißt es auch zum Beispiel immer.

00:00:14: Die Welt brennt an allen Ecken und Enden.

00:00:16: Wir haben extreme, massive Probleme, vor denen sich keiner verschließen kann.

00:00:20: Die Welt ist in Aufruhr.

00:00:22: Doch Aktivistinnen geben Hoffnung.

00:00:24: Du hörst "Ganz schön laut".

00:00:26: Den Veto-Podcast mit Ninia Lagrande und Steven Anpalaghan.

00:00:29: Wir stellen Menschen vor, die für Veränderung etwas riskieren.

00:00:33: (Dynamische Musik)

00:00:34: Und damit ganz herzlich willkommen

00:00:40: zu einer neuen Folge von "Ganz schön laut", dem Podcast des Veto-Magazins.

00:00:44: Alle zwei Wochen sprechen wir hier mit Menschen,

00:00:46: die sich aktivistisch engagieren, mit Menschen, die ihre Stimme erheben,

00:00:50: um in dieser Gesellschaft etwas zum Besseren zu wenden.

00:00:53: Meine heutige Gästin arbeitet jeden Tag dafür,

00:00:56: um anderen engagierten Mut zu machen.

00:00:58: Sie ist Politikwissenschaftlerin

00:01:00: und seit 2019 Projektleiterin in der mobilen Beratung in Thüringen

00:01:05: für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

00:01:08: Klammer auf, Mobit, klammer zu.

00:01:11: Herzlich willkommen, Romy Arnold.

00:01:13: Schön, dass du da bist.

00:01:14: Hallo, danke für die Einladung.

00:01:16: Und für diejenigen, die dich nicht kennen,

00:01:19: sage ich noch ein paar kleine einleitende Worte,

00:01:21: bevor es so richtig losgeht.

00:01:23: Du bist 1986 geboren, 1986.

00:01:26: Und in der Allstadt, in der kleinen Stadt Arndstadt,

00:01:30: in Thüringen aufgewachsen.

00:01:32: Du hast früh angefangen, dich gegen Rechtsextremismus starkzumachen.

00:01:35: Zum Beispiel als Sprecherin der Thüringer Bündnisse,

00:01:39: Initiativen und Netzwerke gegen Recht.

00:01:41: Bis heute arbeitest du in Erfurt aus bei Mobit.

00:01:45: Nee, Mobit und berätst

00:01:47: vereine Organisationen, Institutionen im Umgang mit Rechtsextrem.

00:01:50: Gedanken gut.

00:01:51: Ich habe jetzt schon mehrfache Fehler gemacht.

00:01:55: Ich habe Mobit und Moabit verwechselt.

00:01:57: Das passiert aber häufig.

00:01:59: Ich habe Kleinstadt und Arndstadt verwechselt.

00:02:02: Das haben wir uns auch gleich.

00:02:04: Also, ich sag mal, bei 20.000 Einwohnern ist es eine Kleinstadt.

00:02:08: Gibt es irgendetwas Spezielles, wofür man Arndstadt kennen muss?

00:02:12: Arndstadt, also, wenn man es positiv sagt,

00:02:15: ist Arndstadt der älteste Ort der ehemaligen DDR.

00:02:19: Und ich verbinde auch ...

00:02:21: Was heißt das?

00:02:23: Das ist der Ort, der als Ortschaft eingezeichnet wurde.

00:02:26: Weil es gibt ja relativ viele Orte und Regionen,

00:02:29: die vor der DDR schon existiert haben.

00:02:32: Richtig, genau.

00:02:33: Aber ich weiß gar nicht, wie alt es jetzt inzwischen ist,

00:02:36: aber ich kann mich noch gut an die 1300-Jahr-Feier erinnern.

00:02:39: Also, es gibt es schon wirklich einfach sehr, sehr lang.

00:02:42: Als es DDR noch gab, war es quasi der älteste Ort.

00:02:45: Also, jetzt gibt es sicherlich im Westdeutschland ältere.

00:02:49: Aber es gibt Arndstadt schon sehr lange.

00:02:52: Wofür man Arndstadt eventuell noch kennen könnte.

00:02:55: Also, ich sag's immer gerne,

00:02:57: Arndstadt gab's die AfD, bevor es die AfD woanders gab.

00:03:01: Arndstadt hatte schon immer ...

00:03:04: Na ja, wenn man's euphemistisch sagt, rechtspopulistische Politik.

00:03:09: Wir hatten da so eine freie Wählergemeinschaft,

00:03:12: die schon immer sehr rechts war, auch mit einem Bürgermeister.

00:03:15: Ich sag mal so, während alle anderen Bürgermeister in den Nullerjahren

00:03:20: die größte, jungen Nationalen veranzuhalten,

00:03:22: hat unser Bürgermeister damals die Arme aufgemacht und gesagt,

00:03:26: komm zu uns in den Schlosspark.

00:03:28: Also, die rechten Umtriebe, die gab's natürlich viel im Osten.

00:03:31: Aber in Arndstadt war das schon ziemlich arg mit der rechten Gewalt

00:03:35: und der Unterstützung auch rechter Tendenzen

00:03:38: durch die lokale kommunale Politik.

00:03:40: Wir sind jetzt schon mittendrin in dem Thema.

00:03:43: Die armen Redakteure, die schreiben mir immer so vier Seiten,

00:03:47: total, v.a. dramaturgisch ausgeknügelte Skripte.

00:03:51: Und dann werfe ich immer alles übernaufen

00:03:54: und spring mit den Leuten direkt ins Thema rein.

00:03:57: Ähm ...

00:03:58: Du bist ...

00:04:01: Oder wir haben ja jetzt schon gerade diese beiden Schlagworte genannt.

00:04:05: Und du bist ja gebürtige Ostdeutsche.

00:04:09: Und du bist, glaub ich, immer noch in Ostdeutschland aktiv.

00:04:12: Ähm ...

00:04:14: Es gibt ja in Westdeutschland die Tendenz,

00:04:17: in Osten als eine große homogene Melange zu betrachten.

00:04:23: Was ist denn jetzt aus der Perspektive deiner Arbeit der Unterschied

00:04:27: oder die Spezifika in Thüringen, was beispielsweise

00:04:30: rechte Vernetzung, rechte Gewalt, rechten Extremismus angeht,

00:04:33: im Verhältnis z.B. zum MacLennburg-Vorpommern?

00:04:36: Mhm. - Oder Sachsen, Sachsenanhalt.

00:04:39: Wir haben mit den Kolleg*innen aus den ostdeutschen Bundesländern

00:04:42: voran mit Sachsen auch immer so ein kleinen internen Battle,

00:04:45: wo es eigentlich schlimmer ist.

00:04:47: (Lachen)

00:04:48: Manchmal gewinnt die, manchmal gewinnt die.

00:04:51: Ähm ...

00:04:52: Also, was für Thüringen, glaub ich, noch mal ein bisschen spezieller ist,

00:04:57: das hat Sachsen auch, aber das ist vielleicht noch mal so ein Unterschied

00:05:00: zu anderen Bundesländern auch durch die zentrale Lage.

00:05:03: Man hat in Thüringen ...

00:05:05: ähm ...

00:05:06: Eignet sich einfach hervorragend schon mal als Vernetzungsort.

00:05:10: Wir können nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus ganz Europa

00:05:14: äh ... die Extremrechte gut anreisen.

00:05:17: Das sehen wir z.B. wenn man sich die Reichsbürgerszene anguckt,

00:05:20: die großen Vernetzungstreffen deutschlandweit,

00:05:23: die finden in aller Regelmäßigkeit in Thüringen statt.

00:05:26: Ähm ...

00:05:27: Wir haben ...

00:05:28: Wir haben auch viel Zuzug von Neonazis, die aus Westdeutschland kamen.

00:05:33: Für die war es, glaub ich, auch erst mal einfacher,

00:05:35: vielleicht nach Thüringen zu kommen.

00:05:37: Und das Spezifikum, dass wir zumindest uns mit Sachsen auch teilen,

00:05:41: ähm ... dass die Politik hier über viele Jahre,

00:05:44: gerade in den 90er-Jahren, aber auch noch in den Nullerjahren,

00:05:48: dieses Problem sehr heruntergespielt hat.

00:05:50: Also aus irgendeinem Grund war man der Meinung,

00:05:52: dass Thüringen irgendwie gefeilt ist vor Rechtsextremismus,

00:05:56: wie man darauf gekommen ist, weiß ich nicht so ganz,

00:05:59: aber es war hier immer sehr schwierig für Engagierte

00:06:02: auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

00:06:05: Ähm ...

00:06:06: Trotz, dass es, glaub ich, deutlich mehr Gewalt gab,

00:06:09: also ich glaub, ich weiß nicht, in den 90ern,

00:06:11: als es jetzt vielleicht in Westdeutschland der Fall war,

00:06:14: und das überhaupt zu mathematisieren und anzusprechen

00:06:17: und da in der Politik auch einen Ansprechpartner in zu haben,

00:06:20: das war sehr, sehr schwer.

00:06:22: Und das hat, glaub ich, auch dazu geführt,

00:06:24: dass wir von solchen verfestigten Strukturen sprechen

00:06:27: und es mit dieser Normalisierung in der Gesellschaft

00:06:30: von rechten Tendenzen zu tun haben, wie wir es eben jetzt haben.

00:06:34: Mhm.

00:06:35: Ich meine, also ...

00:06:37: in der ehemaligen DDR und in Ostdeutschland,

00:06:42: der Nachwendezeit,

00:06:44: gibt es hier eine Kontinuität des Verleugnens

00:06:47: eigene rechtsextremer Strömungen

00:06:51: und Netzwerk und Organisationen.

00:06:53: Also in der DDR hieß es ja, bei uns gibt es keine rechtsextremen,

00:06:56: bei uns ... Wie war das normal?

00:06:58: Es gab irgendwie den schönen Begriff "verirrte Jugendliche"

00:07:01: oder irgendwie so was gab es ja.

00:07:03: Sozialabhängte, die man dann irgendwie eingesammelt hat.

00:07:07: Oder es waren von Westdeutschland initiierte Spionete,

00:07:10: das gab es auch?

00:07:11: Oder die kamen alle aus dem Westen, um den Osten zu destabilisieren.

00:07:16: Sodass da ...

00:07:19: ja, schon institutionalisiert,

00:07:21: keine Auseinandersetzung gab mit Altnazis.

00:07:24: Wobei man muss dazu sagen,

00:07:26: der Westen hat auch keinen guten Umgang mit Altnazis gehabt.

00:07:29: Man hat die einfach weitermachen lassen.

00:07:31: Es gab keine reelle Entnazifizierung,

00:07:34: sondern man hat sie einfach in die Gesellschaft reintegriert.

00:07:38: In Ostdeutschland war es eher so, dass man geguckt hat,

00:07:40: dass die jungen Kommunisten eine Karriere machen.

00:07:43: Also da gab es schon irgendeine Form von ...

00:07:46: Unterschied.

00:07:47: Aber es gab eben keine ...

00:07:49: politische, gesellschaftliche und sicherheitsbehördliche

00:07:53: Auseinandersetzung mit dem Thema "rechter Extremismus"

00:07:56: und "rechte Strömung".

00:07:58: Teilweise, und das sagen ja die Gründer von Exit,

00:08:01: teilweise haben die sich in den Gefängnissen

00:08:04: überhaupt erst radikalisiert

00:08:05: und sind dann in den 90ern irgendwie rausgekommen

00:08:08: als frischer Neonazis.

00:08:09: Ähm, genau.

00:08:10: Und dann kennt man ja den Satz ...

00:08:13: von mehreren sächsischen Ministerpräsidenten,

00:08:17: dass der Osten oder das Sachsen immun sind

00:08:20: gegen rechtsradikal oder rechtsextreme,

00:08:22: bis hin zu ...

00:08:24: äh, ja ...

00:08:25: der Stadtführung, der Stadt Zwickau,

00:08:28: die nach dem Aufdecken der Zwickau

00:08:31: oder Terrorzelle beziehungsweise das NSU

00:08:33: überhaupt gar keinen Zusammenhang sieht

00:08:36: mit dem, was in der Stadt passiert.

00:08:38: Also es gibt seit Jahrzehnten eigentlich eine Verleugnung dessen,

00:08:42: was an politischem Extremismus passiert.

00:08:44: Ähm ...

00:08:46: Und das macht deine Arbeit ja im Prinzip doppelt schwer.

00:08:50: Also zum einen bist du umgeben von ganz, ganz tief verwurzelten

00:08:54: Neonazistrukturen und rechtsextremen.

00:08:57: Und auf der anderen Seite hast du noch weniger Rückendeckung,

00:09:01: es gibt viel größere Härten für zivilgesellschaftliche Initiativen.

00:09:04: Wie hält man sich da als Person und als Organisation über Wasser?

00:09:08: Also dem vorab würde ich sagen,

00:09:12: ein bisschen was hat sich da ...

00:09:14: was jetzt so ...

00:09:15: die Problematisierung von der extremen Rechten ...

00:09:19: angeht, auch gebessert.

00:09:20: Also ich glaube, die Art der Verleugnung,

00:09:22: wie das jetzt in den 90er-Jahren, in den Nullerjahren

00:09:25: und auch noch Anfang der Zehn-Jahre war,

00:09:27: das ist auch gar nicht mehr möglich.

00:09:29: Du hast gerade die NSU angesprochen,

00:09:31: aber es gibt natürlich auch ganz anderen rechten Terror,

00:09:34: der auch als genau das benannt wird.

00:09:36: Wir haben die AfD, wir haben weltweit ...

00:09:38: ähm ...

00:09:39: eine krasse Hinwendung zu autoritären Regierungsformen

00:09:43: mit teilweise glasklaren Nazis,

00:09:45: die dort in die Regierungsverantwortung gehen

00:09:48: oder zumindest das wollen

00:09:50: und sehr viel Unterstützung in der Bevölkerung bekommen.

00:09:53: Also wenn ich mir die gesellschaftliche Debatte um das Thema angucke,

00:09:56: das hat sich schon gebessert, das Problembewusstsein.

00:09:59: Da ... und wir hatten in Thüringen

00:10:01: ja auch lange eine rot-rot-grüne Regierung.

00:10:03: Und auch da war die Ansprechbarkeit von Politik,

00:10:06: die Zugänge zu Politik, das Problematisieren etwas leichter.

00:10:10: Es war jetzt auch kein Selbstläufer, wie man vielleicht denken könnte.

00:10:13: Aber das ...

00:10:15: Wir haben ja jetzt, wie vielleicht mitbekommen,

00:10:18: hier eine Wahl gehabt.

00:10:19: Und da haben sich die Verhältnisse sehr, sehr stark geändert.

00:10:23: Und wie das da jetzt weitergeht,

00:10:24: das werden wir jetzt erst mal sehen müssen mit einer CDU

00:10:27: in Regierungsverantwortung.

00:10:29: Ist das vielleicht noch mal ein bisschen was anderes

00:10:31: als vielleicht mit einem Linken-Ministerpräsident.

00:10:33: Aber da stehen wir gerade noch sehr am Anfang.

00:10:36: Wie das im Bund weitergeht, wird da noch mal eine andere Frage.

00:10:39: Aber was man jetzt schon sagen kann, ist,

00:10:41: dass der Gegenwind wird schon deutlicher.

00:10:44: Ähm, für Projekte, die sich gegen rechts engagieren.

00:10:47: Und der Gegenwind kommt nicht nur von der AfD.

00:10:50: Und, ja, was macht man, um da sich über Wasser zu halten?

00:10:53: Wir sind als Projekt gefördert durch Bundesprogramme und Landesprogramme.

00:10:58: Die stehen durch diese Demokratieprogramme,

00:11:00: die stehen unter Angriff auch von FDP unter anderem,

00:11:03: aber auch CDU zweifelt es an.

00:11:05: Ganz klar natürlich die AfD.

00:11:08: Da müssen wir gucken, wie können wir es schaffen,

00:11:11: unsere Arbeit eben auch gut darzustellen.

00:11:13: Ähm, und zu zeigen, wer sind wir und was machen wir eigentlich.

00:11:17: Weil uns wird ja gerade ganz viel unterstellt.

00:11:20: Wenn diese Demokratieprojekte, die wir hier so lange fördern,

00:11:23: so erfolgreich werden,

00:11:24: werden die AfD ja gar nicht so stark.

00:11:26: Und das ist natürlich irgendwie riesengroßer Blödsinn.

00:11:29: Wir haben für ganz Thüringen zehn Mitarbeiter.

00:11:32: Davon ist eine Verwaltungskraft und ich noch als Leitung drin.

00:11:35: Und jetzt kann man sich überlegen,

00:11:37: Thüringen ist jetzt auch nicht das bevölkerungsreichste Bundesland.

00:11:40: Aber über zwei Millionen sind wir trotzdem.

00:11:42: Also, das dann irgendwie abzuwälzen auf so Demokratieprojekte

00:11:46: und teilweise dann eben auch noch auf die Zivilgesellschaft.

00:11:49: Das ist gelindegesagt auch schlicht und ergreifend unfair.

00:11:52: Aber wir werden uns für diese Kämpfe jetzt erst mal irgendwie rüsten müssen.

00:11:56: Und dann, glaube ich, anderen Gegenwindaushalten ertragen

00:11:59: und damit einen Umgang finden,

00:12:00: als das die letzten fünf bis vielleicht auch zehn Jahre so der Fall war.

00:12:04: Ich finde ja spannend, womit du eingestiegen bist.

00:12:08: Du hast ja gesagt, dass es die AfD gab, bevor es die AfD gab.

00:12:13: Und das ist für mich eine ganz wichtige Feststellung

00:12:17: und das ist für mich auch eine ganz wichtige Auseinandersetzung.

00:12:21: Ich habe so ein bisschen das Gefühl,

00:12:23: dass alle rechtsextremen rassistischen, antisemitischen ...

00:12:26: ... Muster und Taten und ...

00:12:33: ... Propaganda auf die AfD zugespitzt werden.

00:12:38: Aber die AfD gibt es ja auch erst seit 2011, 2013.

00:12:42: Das gab es ja davor auch.

00:12:44: Es gab ja davor Nionazis, es gab dafür rechtsextremismus,

00:12:47: gab dafür Rassismus in der gesellschaftlichen Mitte.

00:12:52: Und ...

00:12:54: ... wie sehr ...

00:12:57: ... schmerzt es dich,

00:12:59: wenn du in deine Arbeit gegen Nionaziströmen

00:13:04: und rechtsextremen Netzwerke agierst

00:13:06: und dann kommst du irgendwie in bürgerliche Verhältnisse

00:13:09: und hörst die Leute teilweise genauso reden

00:13:12: über Ausländer, Muslime, Flüchtlinge.

00:13:15: Also das sind ja teilweise auch etablierte Parteien.

00:13:18: Ich gebe immer das Beispiel,

00:13:20: dass erfolgreichste Sachbuch Deutschlands

00:13:23: nach der ...

00:13:24: ... nach der ...

00:13:26: ... in der Bundesrepublik der Neueren Zeit

00:13:28: ist von Thilo Sarrazi in einem ehemaligen SPD-Politiker.

00:13:31: Oder Boris Palma, wurde von den Grünen rausgeschmissen.

00:13:35: Wegen rassistischer Grenzüberschreitungen.

00:13:37: Also, wie gehst du damit um?

00:13:39: Die Leute haben ja immer so das Gefühl,

00:13:42: man darf nichts mal sagen, man ist direkt Nazi,

00:13:44: und gleichzeitig denkst du, das, was du sagst,

00:13:46: ist halt real rassistisch.

00:13:49: Schwierig. Also, auf der einen Seite, ja,

00:13:52: das gab es alles schon vorher.

00:13:54: Klar, wir haben den Thüring-Monitor,

00:13:56: der die Bevölkerungseinstellung schon seit 2001 oder 2002 misst.

00:14:00: Und haben da auch immer schon gesehen,

00:14:03: wir haben so Zustimmung zu Fragen,

00:14:05: die die so ein extrem rechtes Weltbild annehmen lassen.

00:14:10: Von um die 20, teilweise früher waren es sogar auch schon mal 30 Prozent.

00:14:13: Also zwischen diesen Werten schwankt das schon immer.

00:14:16: Insofern ist das auch nicht überraschend.

00:14:18: Die Idee hat natürlich auch durch so eine massive Diskursverschiebung

00:14:22: dazu geführt, dass das auch noch größere Kreise dreht.

00:14:25: Und wenn ich gerade im letzten Jahr nach Soling,

00:14:30: ist auch eigentlich schon viel länger her.

00:14:33: Aber also, jedes Mal, wenn man merkt,

00:14:35: dass auch demokratische Parteien diesen Schritt mitgehen,

00:14:39: in dieser merkwürdigen Erwartung dadurch,

00:14:42: irgendwas entweder zurückgewinnen zu können

00:14:44: oder irgendein Problem lösen zu können,

00:14:47: dass es gesamtgesellschaftlich gibt.

00:14:49: Weil es gibt ja gesamtgesellschaftliche Probleme,

00:14:51: warum Menschen irgendwie wütend sind.

00:14:53: Das ist Schmerz.

00:14:55: Das kann man gar nicht anders sagen.

00:14:57: Das betreibt einem manchmal auch wirklich zur Verzweiflung.

00:15:00: Und es ist einfach unglaublich, ermüdend dagegen zu halten.

00:15:03: Für uns als Projekt vielleicht mal noch nicht ganz so sehr,

00:15:06: weil wir uns ja wirklich eher an die Menschen richten,

00:15:09: die ja engagiert sind, die ja gegen die extreme Rechte sich stark machen.

00:15:14: Aber die sind ja eher diejenigen, die das dann betrifft.

00:15:18: Die, die diesen Gegenwind eben noch viel stärker im Ort spüren.

00:15:21: Und die ja auch diese Angriffe spüren.

00:15:23: Von Leuten, die dann gegenüber denen da sowas äußern.

00:15:26: Aber da hat man manchmal schon das Gefühl,

00:15:28: man weiß gar nicht mehr, was man dagegen eigentlich noch machen kann.

00:15:32: Und das geht unsere Beratungsnehmenden so.

00:15:34: Und manchmal geht es auch uns so.

00:15:36: Und da hilft es immer sehr.

00:15:38: Und das ist, glaub ich, auch für die nächsten Jahre

00:15:40: eine viel wichtigere Aufgabe, als das in den letzten davor noch war.

00:15:44: Viel mehr auch noch mal doch nach innen zu gucken.

00:15:47: Und jetzt nerven immer alle mit, ja haben immer einen eigenen Bubble.

00:15:50: Aber ich glaube, die eigene Bubble zu stärken,

00:15:53: sich selbst zu vergewissern, man ist nicht alleine,

00:15:55: der Kampf ist weiterhin wichtig.

00:15:57: Es ist wichtig, das zurückzudrängen,

00:15:59: weil alles andere führt nur zu mehr Hass, nur zu mehr Gewalt,

00:16:02: zu mehr Bedrohung von marginalisierten Gruppen.

00:16:05: Das wird, glaube ich, noch umso wichtiger.

00:16:07: Und das ist das, woraus wir auch immer unsere Stärke ziehen.

00:16:10: Wie blickst du auf deine...

00:16:13: Nervt es dich, wenn Ostdeutschland häufig so als rechts

00:16:18: oder rechtsextrem verschrien wird

00:16:20: und gerade aus so einer westdeutschen Perspektive

00:16:23: alles über einen Kamm geschworen wird?

00:16:25: Es gibt ja berühmt berühmt berühmtige Spiegeltitelblätter.

00:16:28: Oder hast du das Gefühl, ja, es gibt auf der ostdeutschen Seite wiederum

00:16:34: so eine Abwehrhaltung und keine kritische Auseinandersetzung

00:16:38: mit den politischen Problemen, die realnummer existieren.

00:16:41: Also, was ist das, was bei dir als Ostdeutscher,

00:16:45: als in Ostdeutschland geborene Ostdeutsche überwiegt?

00:16:48: Letzteres.

00:16:52: Also, mich hat diese Darstellung des Ostens als rechts eigentlich nie genervt,

00:16:56: weil ich es immer schon auch so empfunden habe.

00:16:58: Ich habe ja gerade schon kurz meine Heimatstadt beschrieben.

00:17:01: Und ich habe die Baseballschlägerjahre beziehungsweise eher das,

00:17:05: was dann danach kam, also die Nullerjahre, die Gewalt.

00:17:08: Ich habe das selber erlebt, ich habe das selber gesehen.

00:17:11: Ich habe immer darüber irritiert, dass das kaum jemand so richtig wahrgenommen hat.

00:17:14: Deswegen finde ich, fand ich nie, dass das irgendwie in einem Westdeutscher

00:17:19: das Kurs ist oder ein falsches Bild vom Osten.

00:17:21: Denn wir waren die Erscheinung, die Aktivitäten, die Umfragen.

00:17:27: Das gab es ja immer alles.

00:17:28: Aber natürlich, ich merke diese Abwehrhaltung.

00:17:32: Und irgendwie kann ich diese Abwehrhaltung auch so ein bisschen verstehen,

00:17:35: weil wenn man jetzt eben nicht so aufgewachsen ist,

00:17:37: wenn man jetzt nicht das erlebt hat selber,

00:17:40: wenn man sich in seinem Nachbarschaftskreis bewegt, in seiner Stadt, in seinem Ort.

00:17:44: Und dort den Eindruck hat, die sind ja alles nette Leute.

00:17:48: Und niemand gibt von sich freiwillig zu rassistische Einstellungen zu haben.

00:17:52: Und man lehnt das vielleicht auch aus guten Gründen ab,

00:17:54: weil man ein Bild davon hat, was jetzt irgendwie rechtsextremismus ist,

00:17:58: was nicht auf einen selber passt.

00:17:59: Deswegen kann ich das schon irgendwie ganz gut verstehen.

00:18:02: Es macht es schwer in der Auseinandersetzung.

00:18:04: Auf der einen Seite muss es um ein willes Thematisieren

00:18:07: und auch in der Klarheit.

00:18:08: Und auf der anderen Seite muss man natürlich vorsichtig sein,

00:18:11: zu Blödes klingt, wenn man Menschen da auch mitnehmen will,

00:18:15: dass man sie nicht gleich auch überfällt oder zu sehr kognitiv herausfordert.

00:18:20: Und das meine ich nicht, dass die Leute irgendwie alle blöd sind,

00:18:23: sondern dass einfach viele Menschen sich damit noch nie beschäftigt haben,

00:18:26: weil es diese Diskurse hier einfach gar nicht gab,

00:18:28: weil es diese Auseinandersetzung dann damit gar nicht gab.

00:18:30: Und da man langsam rangehen muss zu gucken,

00:18:33: wo findet man rechte Weltbilder, die jetzt halt nicht heißen.

00:18:37: Und wenn ich laufe mit einem Baseballschläger rum

00:18:39: und verbrügel Menschen mit dunkler Hautfarbe,

00:18:41: sondern die einfach schon sehr viel weiter vorgelagert sind,

00:18:44: da darf man die Leute auch nicht überfordern,

00:18:46: aber man darf sie eben auch nicht unterfordern.

00:18:48: Also da so den guten Grad zu finden, ich finde das ganz, ganz schwierig,

00:18:52: ist aber wichtig.

00:18:53: Und deswegen wäre ich eher dabei zu sagen,

00:18:55: wir brauchen mehr die Auseinandersetzung.

00:18:57: Vieles von dem Bild stimmt halt.

00:18:59: Witzigerweise ist es so, dass es, glaube ich,

00:19:03: eine Allianz geben kann zwischen von Rassismus betroffenen

00:19:08: oder der Menschen, die sich gegen Rassismus einsetzen

00:19:11: in Westdeutschland und denselben in Ostdeutschland.

00:19:14: Weil ich schon auch das Gefühl habe,

00:19:18: dass der Osten eine totale Entlastungsfunktion

00:19:22: für Westdeutsche darstellt.

00:19:24: Weil die dann anzeigen können, ja gut, in Ostdeutschland gibt es halt Nazis.

00:19:27: Klammer auf, bei uns halt nicht.

00:19:29: Und dann schaust du zu und ich kann jeden Ostdeutschen

00:19:33: und jeder Ostdeutsche verstehen die sagen,

00:19:35: aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

00:19:37: Es ist ein, Extremismus ist ein Problem.

00:19:40: Also nicht nur Rechtsextremismus, wir sehen immer mehr islamistische Anschläge.

00:19:43: Wie geht der Staat auch damit um?

00:19:46: Aber grundsätzlich haben wir in Gesamtdeutschland

00:19:50: rassistische Rechtsextreme, Tendenzen und Netzwerke.

00:19:53: Der NSU hat auch in Westdeutschland gemordet.

00:19:57: Das hat bei uns auch Anschläge gegeben.

00:19:59: Und gleichzeitig gibt es wirklich, das muss man einfach sagen,

00:20:02: auch in den Wochenmagazin,

00:20:05: in den bundesdeutschen Zeitungsredaktionen immer,

00:20:08: so den schnellen Blick in den Osten.

00:20:11: Und so eine gewisse Rechtsextremismus-Geilheit,

00:20:16: wenn zum Beispiel Bahlen sind,

00:20:18: oh, wird die AfD wieder irgendwie die stärkste Partei.

00:20:22: Wie geht es da weiter?

00:20:24: Wie ist es mit den Einstellungsmustern?

00:20:27: Es gibt ja die Mitte-Studien, die sind ja mittlerweile auch,

00:20:31: lassen sich gut vergleichen zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland.

00:20:34: Die Zahlen sind gar nicht so weit auseinander.

00:20:36: Die nähern sich an.

00:20:38: Es gibt unterschiedliche Politikfelder.

00:20:40: Beim Thema Kriminalstatistik sage ich auch immer,

00:20:43: 20, 30 Jahre lang waren Ostdeutsche

00:20:45: überrepräsentiert in der Kriminalstatistik.

00:20:47: Auch das nähert sich an.

00:20:49: Schönes Beispiel dafür,

00:20:51: wie soziale Verhältnisse zu Kriminalität führen

00:20:54: und kriminalisiert dadurch wieder abnimmt.

00:20:56: Aber ich persönlich, als Wessi,

00:20:59: habe eben auch so eine Reise gemacht.

00:21:01: Bin von da drüben, ist wirklich ganz schlimm alles zu ...

00:21:05: Okay, krass, ich verstehe den Frust,

00:21:07: den man in Ostdeutschland verspürt,

00:21:08: wenn Wessis rüberkommen und einem erklären, wie es geht.

00:21:12: Und deshalb finde ich,

00:21:13: das, was ihr bei MOBIT macht, so spannend.

00:21:17: Und da sprechen wir jetzt auch gleich drüber,

00:21:20: vermehrt und konkret.

00:21:23: Ich habe mir sagen lassen,

00:21:26: dass du diesen Podcast häufiger hörst.

00:21:29: Stimmt das denn?

00:21:31: Das stimmt.

00:21:32: Ich habe mich gedanklich auf alle Minispiele,

00:21:35: die ich jetzt gespielt habe, vorbereitet.

00:21:37: Weil ich auf gar keinen Fall ablosen möchte.

00:21:40: Nicht, dass das jemand vorher gemacht hat.

00:21:42: Aber jetzt vermute ich, wie es so ist,

00:21:44: ich hätte es einfach nicht sagen sollen.

00:21:46: Weil jetzt bist du darauf vorbereitet,

00:21:48: dass ich darauf vorbereitet bin.

00:21:51: Also, üblicherweise kann ich gut behaupten,

00:21:53: dass der einzige Podcast, wo wir immer von Rechtsextremismus

00:21:56: dein liebster Pizza-Belag in wenigen Sekunden kommen.

00:21:59: Wir spielen jetzt ein Spiel,

00:22:01: die teuerer Hörerinnen und Hörer wird das nicht.

00:22:03: Überraschen dich leider auch nicht.

00:22:06: Es heißt ganz schön knapp alles auf Zeit.

00:22:08: Ich stelle dir kurze persönliche Fragen.

00:22:12: Du antwortest aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen.

00:22:16: Und dann schauen wir mal, wie viele Fragen du beantwortet bekommst.

00:22:20: Wir haben ungefähr eine Minute Zeit.

00:22:22: Und es geht los und zwar jetzt.

00:22:24: * Musik *

00:22:28: Ganz schön knapp, alles auf Zeit.

00:22:30: Was war dein schlimmstes Reiseerlebnis?

00:22:34: Ein furchtbar schreckliches Airbnb in Sardinien,

00:22:38: wo wir im Keller gehaust haben und das vorher nicht wussten.

00:22:41: (Lachen)

00:22:42: Wenn morgen die Welt untergeht, was machst du dann?

00:22:45: Ich geh noch mal richtig rave.

00:22:48: Oh, oh.

00:22:50: Auf was kannst du verzichten?

00:22:52: Nazis.

00:22:54: Was ist dein geheimes Talent?

00:22:56: Ich habe 20 Jahre lang karnavalistischen Gardetanz gemacht.

00:23:00: Und ich kann wahnsinnig gut Gardetanzen bzw. marschieren.

00:23:04: (Lachen)

00:23:05: Wie möchtest du ein Denkmal errichten?

00:23:08: Ähm ...

00:23:11: Jetzt komme ich gerade nicht auf den Namen.

00:23:15: Ich kenne sie auch aus einem Podcast.

00:23:17: Die Nazi-Tochter, die in Bolivien war,

00:23:20: glaub ich, Nazis gejagt hat.

00:23:22: Ähm, bist du sentimental?

00:23:24: Ja.

00:23:25: (Schrei)

00:23:26: Eine Minute, 60 Sekunden. - Doch so wenig.

00:23:29: Das ist tatsächlich, wenn man auf der anderen Seite steht,

00:23:33: geil nicht so einfach.

00:23:34: Ich dachte mir immer, mit Mensch, das geht doch viel schneller.

00:23:38: Warum sind die Leute so, denkt man sich vor dem Fernseher immer.

00:23:42: (Lachen)

00:23:43: Witzigerweise, ich weiß auch nicht, ob das so bedeuten hat.

00:23:47: Hier steht "Bist du sentimental zweimal?"

00:23:50: Das mit der Pizza hab ich nicht vorgelesen,

00:23:52: weil das hab ich dir ja schon verraten.

00:23:55: Aber du musst mir noch mal sagen, Gardetanz,

00:23:57: karnevalistisch in Thüringen,

00:24:01: das ist ...

00:24:04: ungewöhnlich?

00:24:05: Oder ist es normal, sind die Thüringer Karnevals verrückt?

00:24:09: Es gibt den Karnevals-Equator,

00:24:11: der zieht sich ungefähr durch den Elmkreis, wo Arnstadt liegt.

00:24:15: Alles, was südlich ist, ist sehr karnevalsliebend.

00:24:18: Das ist eher nicht so.

00:24:20: Aber da, wo ich herkomme, ist Karneval so ein richtiges Ding.

00:24:23: Bei der Auswahl der Hobby ist jetzt auch nicht so viel.

00:24:27: Aber ich bin auch immer noch sehr begeistert,

00:24:29: dass es quasi mein Secret-Pleasure ist, nicht mehr Secret.

00:24:33: Und habe sehr, sehr leidenschaftlich und gerne Gardetanz gemacht.

00:24:37: Auch so richtig mit Turnier und allem Falle-Fanz.

00:24:40: Landesmeisterschaften, deutsche Meisterschaften zu Kran.

00:24:43: Okay.

00:24:44: Das ist für mich, als jemand aus dem Rheinland kommen,

00:24:48: jetzt ein völlig eröffneten, völlig neues Feld,

00:24:51: ein völlig neues Set an Fragen.

00:24:52: Kennst du dieses Video mit Angela Merkel,

00:24:55: die so Gardetänzer und Gardetänzerinnen abnehmen muss?

00:24:59: Die steht dann da und tanzen ihr irgendwas vor.

00:25:02: Ist eine Karnevalsveranstaltung?

00:25:04: Da ist ein Meme geworden,

00:25:05: mit ich, die ich kein Verständnis für Karneval habe.

00:25:08: Exakt. Die Frau ist aus Deutsch und Norddeutsch.

00:25:11: Und da ist, glaub ich, eine Stunde, zwei, drei Karneval.

00:25:14: Und die Frau stirbt, die leidet, kann man merken,

00:25:17: wie das ganze Blut aus ihrem Gesicht fließt.

00:25:20: (Lachen)

00:25:21: Ja, ich glaube, also, ich sag mal, 95 Prozent meines Freundinnenkreis

00:25:25: wird es genauso gehen,

00:25:27: das ist keine Leidenschaft, die ich mit meinem Freundeskreis teile.

00:25:31: Die er aus meiner Kindheit, Jugendsozialisation kommt.

00:25:35: Ist das denn richtig Karneval

00:25:37: oder ist es eher Fasching, was bei euch stattfindet?

00:25:40: Den Streit kann ich nicht auflösen.

00:25:42: Selbst innerhalb von Arnstadt gibt es zwei Karnevalsvereine.

00:25:46: Der andere ist Karneval. - Okay, okay.

00:25:48: Bei uns war es Karneval. - Warst du schon in Köln beim Karneval?

00:25:51: Nein, das ist was, was ich mir super gerne vornehme.

00:25:54: Leider ist in Köln der Karneval, wo er überall ist,

00:25:57: aber es ist immer so superkalt,

00:25:59: da ist meine Reiselust immer sehr gering.

00:26:01: Aber irgendwann im Leben möchte ich das noch mal machen.

00:26:05: Das ist für mich ein Thema.

00:26:07: Die Karnevalisten sind so ein bisschen egal.

00:26:09: Aber immer so Mitte Februar, Mitte Ende Februar,

00:26:13: um kalten Asphalt blöde rumstehen, stundenlang auf der Straße,

00:26:17: der kriegt einen Rappel.

00:26:19: Ich bin gerne abends in der Kneipe und dann ist richtig Action und Spaß.

00:26:25: Aber dieser Straßenkarnival allein aus Temperaturgründen,

00:26:29: das funktioniert für mich gar nicht.

00:26:31: Jetzt hätte ich richtig Lust, dich total auszufragen.

00:26:34: Ob ich mir das dir vorstelle,

00:26:36: ob du auch richtig die Songs kennst und die Tänze dazu.

00:26:39: Nein, nein, nein.

00:26:40: Ich bin kein großer Karnevalsfan, das muss man sagen.

00:26:43: Ich lass mich immer mitschleppen, in den letzten Jahren immer weniger.

00:26:47: Ich habe den Kostümwettbewerb in ganz Köln gefühlt gewonnen.

00:26:51: Da war ich verkleidet als Django.

00:26:53: Ich habe da so eine geile Lederjacke gehabt, so ein Kalt, Mütze.

00:26:58: Leute sind stehengeblieben und wollten Fotos mit mir.

00:27:01: Also, es ist ultrageil.

00:27:03: Und das hat mir die Lust auf den Karneval noch ein bisschen erhöht.

00:27:08: Und es gab eine schöne ...

00:27:10: Also, es gibt so schöne alte historische Karnevalslieder.

00:27:15: Und einer dieser Karnevalslieder lautet irgendwie,

00:27:18: "Ich laufe zu Fuß zurück" oder so.

00:27:21: Das ist, glaube ich ...

00:27:23: Ich weiß gar nicht, wie das ist.

00:27:25: Ich glaube, das ist so ein Soldat an der Front.

00:27:29: Und er denkt an seine Heimat Köln.

00:27:32: Und er liebt diese Stadt und die Menschen so sehr,

00:27:34: dass er sagt, ich würde wieder zu Fuß nach Köln zurücklaufen.

00:27:38: Das ist ein Liebeslied an die Heimat.

00:27:40: Das hat mir das Herz erwärmt.

00:27:42: Da gibt es viele tolle historische Karnevalslieder.

00:27:45: Diese Grannte aus sich gegen die oberen Wände,

00:27:48: den Staat und die Mächtigen kritisieren.

00:27:50: Das hat sich mir in den letzten Jahren neu erschlossen.

00:27:53: Ganz genau, Karneval hat eine sehr politische Komponente.

00:27:56: Total. - Es ist ja nicht nur "saufen und ralala",

00:27:59: es ist halt politisch "und saufen und ralala".

00:28:02: Beste aus allen Welten, sozusagen.

00:28:04: Beste aus allen Welten, ja.

00:28:06: Vorragend.

00:28:08: Zum Thema das Beste aus allen Welten.

00:28:10: Auch das hast du gerade gesagt.

00:28:12: Wir versuchen, vom Großen ins Kleinen zu kommen.

00:28:15: Aber jetzt müssen wir noch einmal rauszoomen

00:28:18: und in die Welt hieraus blicken.

00:28:20: Kurze Werbeunterbrechungen eigener Sache.

00:28:23: Mit Veto geben wir Aktivismus eine mediale Bühne.

00:28:26: Wir erzählen von denen, die aufstehen und ihre Stimme erheben.

00:28:30: Was sie wollen, was sie antreibt,

00:28:32: das lest ihr jede Woche neu auf Veto-Magazin.de.

00:28:36: (Dynamische Musik)

00:28:38: Es gibt ja so eine seltsame Fetischisierung

00:28:43: auf die Grünen bei uns.

00:28:45: Und das, was du sagst, alle, die progressiv sind,

00:28:48: links sind sich gegen Rechtsextreme wenden,

00:28:50: die stärken den Rechtsextremismus.

00:28:52: Das ist ja so eine schöne und beliebte These.

00:28:55: Aber wir sehen ja gerade weltweit,

00:28:58: in allen westlichen Ländern zumindest,

00:29:00: eine Art Stärkung der Rechtsextremenkräfte.

00:29:05: Spielt das für euch eine Rolle?

00:29:07: Vernetzt ihr euch international,

00:29:09: sprecht ihr mit Leuten aus dem Ausland und fragt,

00:29:12: warum das so ist.

00:29:13: Es gibt ja positive Beispiele, Polen zum Beispiel,

00:29:16: die es wieder zurückgeschafft haben in Richtung europäischer Integration.

00:29:20: Andere Negativbeispiele, Ungarn,

00:29:22: die verstricken sich immer mehr in den Autoritarismus.

00:29:26: Nationale Abteilung, wo ihr über solche Sachen spricht.

00:29:30: Das wäre super schön, aber so was haben wir leider nicht.

00:29:35: Was wir haben, es gibt ja nicht nur Mobild in Thüringen,

00:29:38: es gibt mobile Beratungen in fast allen Bundesländern.

00:29:41: Und wir haben noch so einen gemeinsamen Bundesverband.

00:29:44: Über den Bundesverband tauschen wir uns aus.

00:29:46: Das ist auch sehr systematisch und in aller Regelmäßigkeit.

00:29:50: Weil man profitiert einfach auch von den Erfahrungen,

00:29:52: in dem Fall eher der Westen vom Osten.

00:29:55: Und von den verschiedenen Perspektiven,

00:29:57: die Kolleg*innen aus den verschiedenen Bundesländern

00:30:00: auf eine ähnliche oder gleiche Problemlage haben,

00:30:02: die dort eben auch alle mobile Beratungen gegen Recht machen.

00:30:05: Was es vereinzelt gibt, dass es Kontaktversuche gibt,

00:30:08: aber eher über Netzwerke, in denen wir wiederum alle drin sind.

00:30:12: Wo man mal spricht, mit wie war es denn in Polen?

00:30:14: Wie ist es denn gerade in Ungarnen?

00:30:16: Aber das sind alles eher Sachen, die man eigentlich gerne machen würde,

00:30:20: für die es aber super wenig Zeit gibt.

00:30:23: Und man kann ja einfach mit seinem eigenen Kram,

00:30:25: mit seinem eigenen Bundesland so viel zu tun hat.

00:30:28: Ich würde zum Beispiel, weil du jetzt gerade auch

00:30:30: Westdeutschland angesprochen hast,

00:30:32: ich würde mir gerne gerne viel mehr Zeit,

00:30:34: auch mal zu gucken, wie überhaupt die Perspektive in Westdeutschland ist.

00:30:37: Wie ist dort die Diskurse? Wie ticken dort die Leute?

00:30:40: Wie tickt dort die Gesellschaft?

00:30:41: Wieso ist die Gesellschaft dort ganz anders mobilisierbar,

00:30:44: als das in Ostdeutschland ist?

00:30:46: Aber ich habe dafür einfach gar keine Zeit,

00:30:48: weil hier in Thüringen einfach so viel los ist und so viel Bedarf ist

00:30:51: und die Sachen, die man sich anguckt,

00:30:53: selbst wenn man sich jetzt in Anführungszeichen nur die AfD angucken würde,

00:30:57: mit all dem, was sie den lieben langen Tag so da machen,

00:31:00: was ja nicht mal unser Hauptdetitikkeitsfeld ist,

00:31:02: hat man einfach so wahnsinnig viel zu tun, dass da der Blick schon alleine

00:31:06: nach Deutschland viel zu kurz gerät und nach Europa sowieso eher nicht.

00:31:10: Wir profitieren da, glaube ich, eher von anderen,

00:31:12: von Stiftungen, politische Stiftungen,

00:31:14: die sowas in der Regelmäßigkeit machen.

00:31:16: Und da gibt es dann auch Kongresse.

00:31:18: Und wenn man dann dann mal Zeit hat, dann geht man da mal hin.

00:31:21: Glaubst du, warum ist in Westdeutschland besser und einfacher

00:31:25: ist, Leute für zivilgesellschaftliche Sachen zu mobilisieren?

00:31:29: Da bin ich jetzt, wie gesagt, keine Expertin.

00:31:32: Aber wenn, ich glaube, in Westdeutschland hat man die Erfahrung gemacht,

00:31:37: dass zivilgesellschaftliches Engagement politische Veränderungen herbeiführt.

00:31:40: Wann ist denn das in Ostdeutschland mal passiert?

00:31:44: Also hier gab es ja sehr wohl in den 90er Jahren

00:31:46: auch im Zuge der Transformationsprozesse,

00:31:50: auch in den Nullerjahren große zivilgesellschaftliche Bewegungen.

00:31:53: Und die sind allesamt verpufft.

00:31:55: Vielleicht tue ich dem jetzt auch ein bisschen unrecht.

00:31:58: Aber so wie ich es wahrnehme und so wie ich selber mein

00:32:02: zivilgesellschaftliches Engagement ja auch noch in Erinnerung hab,

00:32:06: war es eher, dass man hier so gegen eine Wand läuft

00:32:09: und sich, wenn überhaupt jemand dafür interessiert,

00:32:11: dass aber auch ganz schnell weg ist.

00:32:12: Und das hat sich aber geändert,

00:32:14: als man plötzlich für Pegida auf die Straße ging.

00:32:16: Plötzlich war es Deutschland geguckt und war so,

00:32:18: und ja wo da, da gab es einen Rieseninteresse.

00:32:20: Und plötzlich war da die damalige Sprecherin

00:32:24: in große Talkshows eingeladen.

00:32:26: Und das ist natürlich auch ein Ladeffekt.

00:32:28: So, liebes Ostdeutschland, man interessiert sich für euch,

00:32:30: wenn ihr den beweist.

00:32:32: Das gab ja vorher schon die Erzählungen der Osten des Rechts.

00:32:34: Pegida hat das natürlich auch noch mal ein bisschen verstärkt.

00:32:37: Aber wenn ihr wollt, dass sich jemand für euch interessiert,

00:32:40: dann seid ausländerfeindlich.

00:32:41: Ich wollte es gerade sagen, es gab jetzt zumindest zwei große Einschnitte.

00:32:47: Das eine war ja, ich meine, es aus Pirna kommt,

00:32:51: dann die Leipziger Frinsgebete, die Frins-Demos,

00:32:53: die ersten Montags-Demos und dann eben auch die Wende,

00:32:57: die daraus erfolgt ist.

00:32:58: Die Wende habe ich jetzt ausgeklammert.

00:33:00: Ich meinte, es ist tatsächlich hinten in der BLD.

00:33:02: Das ist natürlich so aufhörig, das ist klar.

00:33:04: Und dann aber tatsächlich Ende der 90er

00:33:06: gab es ja mit Gerhard Schröder die Montags-Demos 2

00:33:10: gegen die Sozialreform, dann die Merkel-Mos-Weck-Demos,

00:33:14: dann parallel gleichzeitig die Pegida.

00:33:17: Und daraus sind dann Institutionalität die AfD geworden.

00:33:19: Also von daher kann es schon sein,

00:33:21: dass sich aus euch ein Ding etwas entwickelt.

00:33:24: Genau, aber eben erst, wenn sie von der rechten Seite kommt,

00:33:26: es gab auch massive, riesengroße, deutschlandweiße Proteste

00:33:29: gegen die Nazi-Aufmarsch-Interessen

00:33:31: zu dem Gedenktag im Februar.

00:33:34: Da hat sich nie einer dafür interessiert.

00:33:36: Das waren mit die, also waren riesengroße Demos gegen rechts.

00:33:39: So was gab es in der Grüße in Westdeutschland,

00:33:41: glaube ich, nicht zu der Zeit in den Nullerjahren.

00:33:43: Weil du hast gerade diese Montags-Demonstration angesprochen.

00:33:46: Es gab auch große gewerkschaftliche Proteste.

00:33:48: Also all das war auch von der demokratischen Zivilgesellschaft,

00:33:52: die sich jetzt quasi nicht gegen Ausländer

00:33:55: oder einen rassistischen Narrativ bedient haben.

00:33:57: Aber das war nicht großartig von Interesse und das hat auch nichts bewirkt.

00:34:00: Wie viele Menschen waren denn für die Montags-Demos,

00:34:02: also Montags-Demos 2, wie das gerade genannt hat,

00:34:05: gegen die Sozialreform, das waren Massenproteste.

00:34:07: Hat mit denen mal irgendjemand geredet,

00:34:09: waren da jemand in irgendeiner Talkshow.

00:34:11: So, und jetzt guck mal mal nach Westdeutschland.

00:34:13: Und dort hat man einfach eine Zivilgesellschaft,

00:34:15: die zum einen gibt es dort nicht dieses durchaus begründete Misstrauen

00:34:21: gegen große Institutionen,

00:34:22: die bei Zivilgesellschaftlichen eine große Rolle spielen,

00:34:26: aka Gewerkschaften als auch Kirchen.

00:34:29: Es gibt dort ganz andere Lernprozesse.

00:34:31: Dazu gehört eben auch,

00:34:33: dass die, was ich meinte, mit das Zivilgesellschaftliche Apotheos

00:34:36: Erfolg hat.

00:34:37: Politische Veränderungen hat bei für die Natürlichspiele

00:34:39: auch die 68er gar eine gewisse Rolle.

00:34:41: Also da haben wir einfach ganz unterschiedliche Erfahrungen.

00:34:44: Und eine viel stärkere, noch vor Ort verankerte,

00:34:48: bis in die kleinsten Orte aktive Institutionen,

00:34:51: wie eben auch die Kirche, die da eine große Rolle spielen.

00:34:53: Ich glaube, dass das Institutionen eine ganz große Rolle spielen.

00:34:56: Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Kleinbürger, Gartenvereine,

00:34:59: I don't know.

00:35:00: Die sind natürlich in Ostdeutschland ganz anders ausgeprägt

00:35:03: als in Westdeutschland.

00:35:04: Und man darf auch demografisches nicht unterschätzen.

00:35:07: Also der Westen ist im Prinzip viel jünger.

00:35:11: Also die Demografie ist eine völlig andere.

00:35:15: Also es ist eine eher starke Überalterung in Ostdeutschland.

00:35:18: Das führt natürlich dann eher zu unterschiedlichen Arten und Weisen,

00:35:23: wie man sich gesellschaftlich engagiert als im Westen.

00:35:25: Es gibt auch eine anders verortete verankerte Kunst- und Kulturszene.

00:35:30: Das hat auch viel mit Geld zu tun.

00:35:31: Und also das ist schon, finde ich, ein ganz spannendes,

00:35:35: vielschichtiges Thema, was sowohl...

00:35:38: ...oder wo ich auch das Gefühl habe, dass ich dafür nicht Leute

00:35:42: in dieser Form auch präzise und komplex miteinander setzen.

00:35:46: Ich erinnere mich da noch mal an Streitgespräch,

00:35:49: als das mit Piggita gerade in Ostdeutschland so richtig losging.

00:35:51: Und ich auch mit einem Engagierten gegen rechts,

00:35:55: der aus, ich weiß gar nicht mehr, Baden-Württemberg kam.

00:35:57: Und der meinte, wie kann das eigentlich sein,

00:35:59: wenn bei uns die Nazis sind,

00:36:00: da sind gleich alle auf der Straße bis zum Feuerwehrverband und überhaupt.

00:36:03: Wieso ist das bei euch nicht so, wo ich dann auch irgendwann mal sehr frustriert gesagt habe,

00:36:06: die sind halt alle bei euch, die sind halt alle weggegangen.

00:36:09: In meinem Jahrgang, in meinem Abiturjahrgang,

00:36:12: ich kann das an einer Hand abzählen,

00:36:13: wie da viele davon überhaupt in Thüringen geblieben sind,

00:36:16: geschweige denn in unserer Herkunftsstadt.

00:36:18: Das ist in Westdeutschland ganz andere Erfahrungen.

00:36:21: Da kommen die Leute ja dann eher zurück oder bleiben gleich ihr Leben lang,

00:36:24: irgendwie in dem Ort, das gibt es bei uns ganz selten.

00:36:26: Mhm.

00:36:27: Und das ist...

00:36:29: ...auch das wieder, ne?

00:36:31: Also man kann es mit beinahe einfachen,

00:36:34: matematischen, demografischen Themen auch versuchen, sich zu erschließen.

00:36:39: Also wer geht, wer bleibt, was ist die Demografie der Menschen, die bleibt?

00:36:43: Sind dann eher konservative Leute, die alt eingesessen sind,

00:36:48: möglicherweise auch eher Angst haben vor Veränderungen oder frustriert sind,

00:36:51: wenn 30 Jahre lang das Gefühl vorherrscht, dass man bedrohnen wurde

00:36:55: oder dass die Versprechen nicht eingehalten wurden.

00:36:57: Und also da muss ich sagen, ich habe da sehr viel Verständnis

00:37:01: für auch den politischen Frust,

00:37:02: wenig für das, was sich dann so am rechten Rand abspielt,

00:37:05: aber dass Leute einfach das Gefühl haben, ein Leben lang verarscht zu werden

00:37:10: für dieselbe Arbeit, weniger Geld bekommen, weniger Rente bekommen

00:37:13: und so weiter und so weiter.

00:37:14: Das ist ja schon etwas, was, glaube ich, jetzt auch nicht einfach

00:37:17: mit so zwei, drei Wahlplakaten erledigt ist.

00:37:20: Wie blickst du auf die Bundestagswahl, die Anstehende?

00:37:22: Also ich weiß, dass das was ist.

00:37:27: Wir müssen eigentlich hier gerade alle schon durchdrehen.

00:37:29: Wir sind ja sehr, sehr kurz gerade vor der Wahl.

00:37:31: Es ist jetzt noch ein Monat.

00:37:33: Normalerweise wäre ja schon überall die Hölle los.

00:37:36: Aber ich sage mal, mit Blick aus Thüringen ist das jetzt in Teilen

00:37:40: unsere sechste Wahl innerhalb von einem Jahr.

00:37:43: Also wir haben letztes Jahr angefangen,

00:37:44: im Januar mit der Landratswahl im Saarler-Oller-Kreis,

00:37:47: wo es schon darum ging, einen AfD-Landrat zu verhindern.

00:37:50: So, dann kam Kommunalwahlen, Europawahlen, Stichwahlen,

00:37:53: Landtagswahlen und es ist, die Leute sind alle erschöpft.

00:37:56: Ich merke diese Erschöpfung auch bei mir.

00:37:58: Wir lassen das jetzt gerade sehr, sehr über uns,

00:38:01: und wir warten, was da kommt.

00:38:02: Es gibt da Proteste gegen die AfD,

00:38:05: um da noch mal so ein Zeichen zu setzen.

00:38:07: Da hat auch Risa sehr viel Mut gemacht,

00:38:10: aber richtig inhaltlich und stark sich damit zu beschäftigen.

00:38:14: Da hat gerade keiner so richtig die Energie.

00:38:16: Ich habe das Gefühl, also zivilgesellschaftlich,

00:38:18: und wir selber gucken gerade eher, was passiert eigentlich im Land,

00:38:22: was ist eigentlich mit dem Brombeerbund,

00:38:24: was wird hier für Politik stattfinden,

00:38:26: welche Richtung nimmt das eigentlich eher?

00:38:28: Was tut gerade die AfD mit ihrer Sperrmenorität?

00:38:30: Der Bund, für mich passiert der gerade einfach.

00:38:32: Und wir werden sehen, natürlich ist die Frage,

00:38:35: wie es mit geänderten Machtverhältnissen,

00:38:37: mit vielleicht einer CDU in Regierungsverantwortung weitergeht,

00:38:40: wie stark wird die AfD.

00:38:41: Aber das sehen wir, wie es dann kommt.

00:38:44: Etwas resigniert und passiv, gucke ich da drauf.

00:38:47: Es ist halt, die Leute sind erschöpft, ne?

00:38:49: Man kann sie nicht 6, 7, 8, 9, 10 mal im Jahr

00:38:53: für Sachen hart mobilisieren.

00:38:55: Also, man ist ja, man merkt ja auch,

00:38:58: wie es, auch da ist kein ausdeutsches Phänomen,

00:39:00: man merkt ja, wie auch die Bereitschaft,

00:39:02: sich zu engagieren, verpoft im Verhältnis,

00:39:05: im Vergleich zu letztem Jahr,

00:39:07: diese riesen Proteste gegen Rechtsextremismus,

00:39:10: wo Millionen auf der Straße waren,

00:39:11: zum Thema Berichterstattung übrigens, ne?

00:39:13: Also, da hat man auch deutlich mehr über die Bauernproteste gesprochen

00:39:16: und Politiker sich lieber dazu geäußert,

00:39:19: als zum Thema Demos gegen Rechts.

00:39:21: Die Leute im Vergleich heute sind überall in ganz Deutschland erschöpft.

00:39:26: Die sind einfach müde, die kündigt mehr.

00:39:27: Also, die merken einfach eine Hübsputschaft nach der anderen,

00:39:30: und dann muss man mit Trump gewählt und lauter so geschichten.

00:39:33: Absolut. Also, ich glaube, diesen Tag werde ich auch nie vergessen,

00:39:36: als am gleichen Tag früh man aufwachte und Trump gewählt.

00:39:39: Am Mittag gab es die Meldung,

00:39:41: dass die Koalition in Sachsen nicht zustande kommt

00:39:46: zwischen BSW, also, dass dort quasi die Koalitionsgespräche

00:39:50: gerade gekracht sind, und am Abend ist die Ampel aufgelöst worden.

00:39:53: (Lachen)

00:39:54: Da, ich weiß gar nicht mehr, ich bin dann auch drinnen gegangen,

00:39:58: weil ich mir dachte, ich ertrage diesen Tag nicht.

00:40:00: Anders mehr. Also, wie soll ich denn jetzt schlafen?

00:40:03: Es gibt Tage, die muss man einfach sich wegtrinken, glaube ich.

00:40:06: Ja.

00:40:07: Wir müssen wieder spielen.

00:40:08: Also, es gibt immer mindestens zwei Spiele,

00:40:11: und wenn nicht weniger als zwei Spiele machen,

00:40:13: dann kriege ich mal die gelbe Karte von der Redaktion.

00:40:15: Dann gibt es einen Eintrag ins Klassenbuch.

00:40:17: Ich spiele gerne. - Also, das trifft sich ja ganz, ganz gut.

00:40:21: Es ist ein eher neues Spiel.

00:40:24: Es heißt ganz schon einfach Kinderhörern zu.

00:40:26: Und jetzt stell dir vor, du musst deine Arbeit,

00:40:30: deinen Engagement, deinen Aktivismus einem Kind erklären,

00:40:34: dass die politischen Verhältnisse nicht kennt,

00:40:36: dass diesen linken Szene-Sprechen nicht kennt.

00:40:38: Also, bitte Kapitalismus, Patriarchate,

00:40:40: den ganzen Kram erstmal wie bei Tabu rausstreichen.

00:40:45: Dann hast du 90 Sekunden Zeit,

00:40:49: deiner Sache Ausdruck zu verleihen und ein bisschen Werbung zu machen

00:40:55: für das, was du tust.

00:40:57: Und das so zu erklären, dass die Kinder es auch verstehen.

00:40:59: Und es fällt an bzw. beginnt jetzt.

00:41:02: Ganz schön einfach. Kinder hören zu.

00:41:09: Wir leben in einer Demokratie.

00:41:14: Und hier sind alle Menschen, egal woher sie kommen,

00:41:18: woran sie glauben, wen sie lieben, wie sie aussehen, gleich.

00:41:23: Und das greifen Menschen an und stellen das in Frage

00:41:27: und wollen das abschaffen.

00:41:28: Das sind vor allen Dingen Rechtsextreme.

00:41:31: Und damit die das nicht schaffen.

00:41:34: Gibt es Menschen, die sich für diese Demokratie einsetzen,

00:41:37: dafür, dass alle Menschen gleich sein können

00:41:40: und werden sich gegen die Rechtsextreme.

00:41:43: Und auch die Menschen brauchen manchmal etwas Unterstützung.

00:41:47: Und damit diese Menschen Unterstützung finden,

00:41:49: gibt es Moobit. Moobit, Berät.

00:41:52: Und hilft Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen.

00:41:57: Und dafür, dass alle Menschen gleich sein können.

00:42:00: Dankeschön. Das ist der hervorragend.

00:42:03: Und du hast, glaube ich, nur 60 Sekunden gebraucht,

00:42:05: dass ich dich auch gewährt hätte.

00:42:07: Ich hatte zu sehr Angst noch irgendwas komplitiertes raus.

00:42:11: Dass du gleich das Tabu, die Tabu-Truende drückst und sagt, "Schein!"

00:42:15: Ich liebe Tabu und am Ende schreien wir alle und sind ganz aufgeregt.

00:42:20: Ich finde ehrlich gesagt, es gibt dieses ...

00:42:23: Kennst du "The Office" mit Michael Scott?

00:42:25: Und er sagt ja dann, er soll ja sein Budget verbrauchen.

00:42:29: Wenn er es nicht verbraucht, wird das im nächsten Jahr gekürzt.

00:42:32: Er versteht das alles nicht.

00:42:33: Und der Buchhaltungskollege kommt und sagt,

00:42:36: Michael Scott, "Explain it to me like I'm seven."

00:42:39: Und dann erklärt er dem das wie so ein Kind.

00:42:41: Und dann hat es Michael Scott damit noch nicht verstanden.

00:42:44: Und sagt, "Explain it to me like I'm five."

00:42:48: Und da muss ich häufig denken, denn ganz ehrlich,

00:42:52: mir geht es auch häufig so, dass ich Sachen nicht verstehe,

00:42:54: was Leute mir erklären.

00:42:56: Und dann muss man sich das einmal irgendwie

00:42:58: in einfacheren Worten vergegenwärtigen.

00:43:01: Und aufbauen auf das, was du gerade gesagt hast,

00:43:04: was machst du eigentlich beruflich?

00:43:06: Was passiert, wenn du montags ins Büro gehst,

00:43:09: den Rechner anmachst oder die Zeitung aufschlägst oder was?

00:43:13: Wie sieht der Tag aus?

00:43:14: Was macht dir den ganzen Tag?

00:43:16: Was sind so eure Arbeitsschwerpunkte?

00:43:18: Erleuchtet mich. "Explain it to me like I'm eleven."

00:43:22: Ich bin ja die Leitung.

00:43:26: Das heißt, ich mache ganz viel Verwaltung, Büro, Personal, Kram.

00:43:30: Das würde ich mal überspulen, weil so geht mein Montag los,

00:43:34: dass ich Büro runden mache und dort Dinge verwaltungsmäßig tut,

00:43:40: die wirklich sehr uninteressant sind.

00:43:41: Aber wenn quasi ein Brater in den Tag startet,

00:43:47: dann bereite ich morgens mein Koffer vor,

00:43:51: weil ich meistens dann im Laufe des Tages irgendwo in Thüringen

00:43:55: irgendeine Fortbildung habe zu entweder der extremen Rechten,

00:43:59: welche Strukturen gibt's oder welche Zeichen haben die.

00:44:02: Wir sind gerade ganz viel an Schulen.

00:44:04: Also da will man dann meistens wissen,

00:44:07: wie erkenne ich einen extremen Rechten Schüler

00:44:09: oder wie erkenne ich ihn vielleicht auch nicht.

00:44:11: Was kann ich dagegen machen?

00:44:13: Da haben wir dann immer ein Vortragsangebot und ein Workshop mit dabei.

00:44:17: Das zieht sich dann meistens den ganzen Tag.

00:44:19: Aber ich komme dann zurück und bereite dann meistens auch schon vor,

00:44:23: was am nächsten Tag ansteht, ist dann häufig auch noch mal eine Beratung.

00:44:28: Ich bin in Erfurt regional zuständig.

00:44:30: Da mache ich meistens die Beratungsgespräche

00:44:33: direkt bei uns im Büro.

00:44:34: Das heißt, da gucke ich mir noch mal an, wie war da jetzt der Verlauf?

00:44:38: Wenn das eine Wehrfachberatung ist, gab es die Person schon mal.

00:44:40: Wie waren da unsere letzten Verabredungen?

00:44:42: Was waren da die letzten Mails?

00:44:44: Besprech mich da mit meinem Kollegen vor.

00:44:46: Wir machen Beratungen immer zu zweit.

00:44:48: Und dann ist natürlich auch immer ganz viele Mails und Telefonate.

00:44:53: Aber das ist ja, glaub ich, in vielen Bereichen so.

00:44:56: Und dann ist auch schon Feierabend.

00:44:57: Und wenn ich dann Feierabend habe, sitze ich auf meinem Couch

00:45:00: und gucke, wie er unserem Mobit-Account folgt auf Instagram.

00:45:04: Gucke ich dann noch mal die Social-Media-Kanäle durch.

00:45:07: Wo finden gerade Demos statt? Was können wir noch mal teilen?

00:45:09: Was können wir noch mal bewerben?

00:45:11: Und dann ruft ja doch noch mal irgendwie einen Beratungsnehmende an,

00:45:13: weil die meisten von uns sind ja ehrenamtlich.

00:45:15: Also nicht wir selber als Team.

00:45:17: Aber diejenigen, die wir beraten, sind oft ehrenamtlich unterwegs.

00:45:20: Also fast ausschließlich.

00:45:22: Und die rufen dann auch gerne noch mal abends an.

00:45:24: Und je nachdem, wie...

00:45:25: Eigentlich gehe ich meistens schon noch ran,

00:45:28: wenn es jetzt nicht nach um 10 ist, gucke ich,

00:45:30: was da alles gerade noch mal was aufgeschlagen ist.

00:45:32: Und dann ist irgendwann Feierabend, dann wird das Handy ausgemacht,

00:45:34: damit mich keiner nachts anruft.

00:45:36: Und am nächsten Morgen geht es dann los mit Messenger-Checken.

00:45:39: Wie viele Nachrichten sind dann doch noch irgendwie reingekommen?

00:45:42: Und was passiert gerade?

00:45:44: Wer kann euch anrufen?

00:45:46: Was ist ein Beratungsnehmender oder eine nehmende?

00:45:50: Im Prinzip jeder.

00:45:54: Der kein Nazi ist.

00:45:56: * Lachen *

00:45:58: Naja, manchmal verwechselt man unsere Beratung

00:46:01: auch so ein bisschen mit so Distanzierung und Ausstiegsarbeit.

00:46:03: Das machen wir nicht. - Okay.

00:46:05: Also, zum einen, weil sich das auch einfach beißen würde

00:46:07: mit unserer Profession.

00:46:09: Ich kann nicht irgendwie gleichzeitig Nazis beim Ausstieg beraten

00:46:11: oder die Zivilgesellschaft beraten.

00:46:13: Könnten wir gar nicht, weil es einfach ein ganz anderer Rangehensweise ist

00:46:19: und weil ich es auch inhaltlich ein bisschen problematisch finde,

00:46:22: das zu tun.

00:46:24: Aber ich sage immer ganz gerne, egal ob du aus dem Kornickelzüchterverein

00:46:27: kommst oder in irgendeiner Verwaltungsstelle arbeitest

00:46:30: oder eine Einzelperson bist im irgendeinlandlichen Raum in Thüringen,

00:46:34: die feststellt, ich habe ein, wie auch immer, geartetes Problem

00:46:37: mit der extremen Rechten, dann könnt ihr euch auf jeden Fall bei uns melden.

00:46:40: Manchmal sind es auch Betroffene von rechter rassistischer Anbieter Gewalt.

00:46:44: Die leite ich dann an unsere lieben Kolleginnen

00:46:46: von der betroffenen Beratung Esra weiter.

00:46:49: Aber im Zweifelsfall kann man mit vielen Sachen erst mal Mobit auch anrufen.

00:46:52: So, wir machen auch gute Verweisberatungen an Strukturen,

00:46:55: die dann anderweitig zuständig sind.

00:46:57: Aber wie gesagt, wir begreifen da das Wort auch Zivilgesellschaft

00:47:02: auch recht breit.

00:47:04: Und das heißt nicht, dass ich nicht auch ein Unternehmen zum Beispiel

00:47:06: an uns wenden kann oder kommt vor.

00:47:08: Auch mal die Polizei oder die Justiz.

00:47:11: Wie sieht eine klassische Beratungseinheit aus?

00:47:14: Also, habt ihr eine Checkliste, habt ihr klassische Prozesse?

00:47:18: Was sind so die meisten Schmerzpunkte in Organisationen,

00:47:22: wo ihr sagt, okay, das begegnet uns immer wieder in unserer Beratungsarbeit?

00:47:26: Also, klassische Checklisten gibt es nicht.

00:47:31: Wir haben immer erst mal dieses Erstgespräch,

00:47:33: das setzen wir immer voraus.

00:47:35: Das machen wir auch häufig, versuchen wir das auch,

00:47:37: wenn wir eine Vorbildung haben will.

00:47:39: Gucken wir, dass wir da trotzdem erst mal noch mal

00:47:41: ein Erstgespräch machen, um zu gucken, okay, was ist da eigentlich

00:47:43: der Bedarf will, diese Schule XY, das machen wir,

00:47:45: weil die ein Problem mit rechten Schüler*innen hat.

00:47:47: Und eigentlich, dass eher eine Beratung wäre,

00:47:49: wo dann eine Fortbildung angegliedert ist.

00:47:51: Oder liegt es daran, dass die aufgrund irgendwelcher Vorgaben

00:47:53: irgendwie mal irgendeine Fortbildung machen müssen.

00:47:55: Damit gehen wir ja natürlich auch ganz anders an die Nummer ran.

00:47:58: Ich spreche jetzt gerade schon Schule an, weil das gerade,

00:48:00: was ist das hat in den letzten zwei, drei Jahren,

00:48:02: massiv zugenommen.

00:48:04: Und vor allem auch in der Problemlage ganz massiv zugenommen.

00:48:06: Hatte man das vorher zu tun mit,

00:48:08: ich habe hier eins, zwei Schüler*innen, die Dinge tun.

00:48:10: Ich stehe vor einem ganzen Klassenkolektiv

00:48:12: und weiß nicht mehr, was ich sagen kann und sagen will.

00:48:14: Das hat sich noch mal ganz massiv verschärft.

00:48:16: Dem zuge natürlich auch so Frageumgang, AfD.

00:48:18: Ist ein häufig angefragtes Setting.

00:48:20: Reichsbürger, ich habe ja gerade Polizei und Justiz angesprochen.

00:48:23: Also wenn die mit uns reden, dann ist es fast immer

00:48:25: wegen Bedrohungen oder irgendwie Aufkommen von Reichsbürgern.

00:48:27: Das ist ein ganz normales Thema.

00:48:29: Das ist ein ganz normales Thema.

00:48:31: Das ist ein ganz normales Thema.

00:48:33: Das ist ein ganz normales Thema.

00:48:35: Das ist ein Aufkommen von Reichsbürgern.

00:48:37: Aber das lässt sich ansonsten relativ schlecht runterbringen.

00:48:39: Weil die Problemlagen sehr, sehr unterschiedlich sind.

00:48:41: Und dann ist auch...

00:48:43: Wir gucken immer, was hat der Mensch in welchem Raum ist er unterwegs.

00:48:45: Was gibt es vor Ort für Ressourcen?

00:48:47: Was hat der Person für Ressourcen?

00:48:50: Was hat die Institution für Handhabungsmöglichkeiten,

00:48:52: um damit umzugehen?

00:48:54: Und daran bringen wir immer erst mal so ein bisschen in Erfahrung.

00:48:56: Und darauf bauen wir dann unser Beratungssetting auf.

00:48:58: Und bauen dann quasi die Handlungsumfehlung auf.

00:49:00: Und was braucht man noch irgendwie dazu?

00:49:02: Wie kann man das machen?

00:49:04: Wie kann man...

00:49:06: Wie braucht es hier noch an dem Tisch, der noch gar nicht...

00:49:08: oder die noch gar nicht hier sitzt?

00:49:10: Aber das wäre jetzt immer so ein ganz großes Vorgehen.

00:49:12: Mit den genannten Schwerpunkten, die es gerade gibt.

00:49:15: Ich habe mal eine Veranstaltung gemacht.

00:49:17: Ich war eingeladen.

00:49:19: Es ging um rechte Parteien.

00:49:21: Und die Frage, wie gut oder schnell man sie verbieten kann.

00:49:23: Es war ein fantastisches Panel.

00:49:25: Und mittendrin, es war in Leipzig, meine ich.

00:49:27: Oder Dresden.

00:49:29: Also ich war da in beiden Städten.

00:49:31: Ich war da in Leipzig.

00:49:33: Ich war da in beiden Städten relativ viel.

00:49:35: Ich krieg das nicht mehr zusammen.

00:49:37: Aber mittendrin steht eine Frau auf im Publikum und sagt, sie sei Schulleiterin.

00:49:41: In einem ganz kleinen Ort.

00:49:44: Und bei ihr würden sich in der Schule die Kids aus Spaß mit dem Hitler groß begrüßen.

00:49:50: Oder Heil Hitler sagen.

00:49:52: Und sie käme da schlichtweg nicht mehr hinterher.

00:49:56: Sie täte sich auch schwer, das sofort zu sanktionieren.

00:49:59: Sie wohne in demselben Ort.

00:50:01: Und die Leute wüssten, wo sie wohnt.

00:50:03: Sie habe zwei Kinder und sie habe Angst.

00:50:05: Wenn die euch jetzt anruft, was macht ihr dann?

00:50:10: Was sind dann die Themen, die dieser Frau raten können?

00:50:14: Was kann diese Frau oder was könnt ihr mit Hilfe unterstützen?

00:50:18: Was diese Frau machen kann?

00:50:20: Um die Situation für sich selber in der Schule und in der Umgebung.

00:50:23: Besser, einfacher, erträglicher zu machen.

00:50:25: Also wir sind da natürlich auch ...

00:50:29: Das ist eine totale Grenzerfahrung, die du da ansprichst.

00:50:32: Auch für uns in der Beratungsarbeit.

00:50:34: Ich würde jetzt für dieses Beispiel gesprochen,

00:50:37: in dem Moment auch gar nicht spontan sagen können,

00:50:41: ob es da überhaupt was gäbe, was man da beraten kann.

00:50:44: Es gibt natürlich auch noch Institutionen,

00:50:46: die dann eine Mitverantwortung haben, sich um solche Menschen zu kümmern.

00:50:49: Schulamt. - Im Bildungsministerium.

00:50:51: Das wären noch mal Punkte, wo man gucken müsste,

00:50:54: wie ist es dort gelagert, haben die ein Problem bewusst sein?

00:50:57: Das ist von Schulamt zu Schulamt auch in Thüringen sehr unterschiedlich.

00:51:00: Es gibt welche, die sind total hilfreich.

00:51:03: Werden sich dort Lehrer inmelden mit Problemen.

00:51:05: Und es gibt welche, die sind nicht sehr hilfreich.

00:51:07: Aber wie kriegt man irgendwie noch mehr Entlastung für diese Person hin,

00:51:13: indem man andere, die in Verantwortung wären, dazuholt?

00:51:16: Aber ab einem bestimmten Punkt, wie gesagt, Grenzen der Beratung,

00:51:20: gäbe es dann vielleicht auch gar nichts mehr,

00:51:22: was man dieser Person raten könnte außer "Zieh weg".

00:51:25: Und da, es gibt ja diesen auch sehr bekannt gebotenen Fall in Brandenburg,

00:51:31: wo die Lehrer das angesprochen haben.

00:51:34: Und dann so massiv unter Druck gelandet wird,

00:51:37: da kann auch die Beratung nichts mehr machen, außer einen Ohr zu haben.

00:51:41: Manchmal hilft es auch, eine Schulter zu sein,

00:51:43: einen Raum zu geben, um überhaupt noch darüber sprechen zu können.

00:51:46: Man kann ja Nachbarortschaften gucken.

00:51:48: Wenn der Ort selber nichts hergibt, aber es gibt auch Nachbarortschaften,

00:51:51: vielleicht gibt es dort einen Bündnis,

00:51:53: wo die Menschen dieses Solidarisieren können.

00:51:55: Vielleicht ist die Gewerkschaft noch nicht so auf dem Schirm,

00:51:58: aber auch die GEW wären Ansprechpartnerinnen.

00:52:00: Aber also zu gucken, wo gäbe es denn noch Koalitionspartnerinnen,

00:52:03: Hilfe, Solidarität zu holen, wenn sie dort vor Ort eben nicht möglich ist?

00:52:08: Ich finde das schon relativ viel, was du jetzt gerade gesagt hast.

00:52:12: Also zu gucken, dass man nicht alleine ist,

00:52:14: zu gucken, welche Institutionen unterstützen können,

00:52:16: was man insgesamt machen kann, bisschen dann eben zu sagen,

00:52:21: man denkt an die eigene Sicherheit, an die Sicherheit der Familie und der Kinder

00:52:24: und sieht dann weg.

00:52:26: Du bist ja ungefähr so alt wie ich, so um die N30.

00:52:29: 29?

00:52:31: 29?

00:52:33: Irgendwo zwischen 29.cdgfg.

00:52:37: Du hast ja vorhin gesagt, weil nicht geboren wurde.

00:52:39: Ja, genau.

00:52:41: Das heißt, du wirst so um die 20, 30 Jahre noch arbeiten müssen.

00:52:46: Wirst du das machen, was du jetzt machst, noch 20 Jahre, 30 Jahre,

00:52:50: kannst du dir das vorstellen?

00:52:52: Wir sagen ja immer gerne, dass das Beste an Mobit wäre,

00:52:55: an der Mobilberatung wäre, wenn sie es ja gar nicht mehr brauchen würde.

00:52:58: Das sagen die Leute von der Tafel auch immer, ja?

00:53:01: Ja, ja, aber deswegen ist es so komisch zu sagen mit,

00:53:03: ich will das den Rest meines Lebens machen.

00:53:05: Das fällt mir dann ja gar nicht so leicht, weil das natürlich heißt,

00:53:10: ich habe innerlich aufgegeben, dass man dieses Problem irgendwann lösen kann.

00:53:13: Auf der anderen Seite ist es natürlich völlig utopisch,

00:53:16: davon auszugehen, dass die extreme Rechte sich irgendwann überhaupt einmal,

00:53:20: ich glaube, solange es Menschen gibt, wird es immer extreme Rechte leider geben.

00:53:23: Auflös und in dem Fall wird es wahrscheinlich auch immer eine mobile Beratung brauchen,

00:53:28: wenn die Gesellschaft so resilient geworden ist.

00:53:30: Auch das kann ja alles passieren.

00:53:32: Aber ob es überhaupt diese Demokratie-Projekte noch weiter geben wird,

00:53:37: das steht auf der Kippe.

00:53:38: Also ob das alles noch so lange möglich ist,

00:53:40: ob die Politik das weiterhin so unterstützt.

00:53:42: Und wenn sie es nicht mehr unterstützt, finden wir andere Finanzierungsmöglichkeiten.

00:53:46: Ich würde sagen, ehrenamtlich werde ich mich garantiert,

00:53:48: dass ich mich in die extreme Rechte einsetzen kann,

00:53:50: solange es das gibt, ob ich das professionell in diesem Berufsfeld machen kann.

00:53:55: Weiß ich nicht.

00:53:56: Aber ich habe die Hoffnung, dass ich mich immer in irgendeinem Bereich

00:53:59: auch beruflich einbringen kann, weil ich finde das ein enormes Privileg,

00:54:03: dass ich meinen Ehrenamt, meine Leidenschaft für Demokratie

00:54:08: gegen die extreme Rechte einsetzen, zum Beruf machen konnte.

00:54:11: Ich hoffe, dass ich das in irgendeiner Form immer machen werde.

00:54:14: Das klingt ganz wunderbar und hoffnungsstiftend.

00:54:19: Viel hoffnungsstiftender als ich es wahrscheinlich für mich selber behaupten könnte.

00:54:24: Und es klingt nach einem sehr schönen Schlusswort.

00:54:27: Aber wir sind ja nicht vollständig zu Ende,

00:54:31: denn einen letzten Einschub gibt es bei uns noch.

00:54:34: Und das ist die Werbetafel.

00:54:37: Wir haben zum Ende hin immer ein bisschen Platz für eine Werbeanzeige

00:54:41: für unsere Gäste.

00:54:42: Du kannst da in ein bis anderthalb Minuten Werbung machen

00:54:48: für eine Organisation, eine Institution, für ein Album,

00:54:51: für eine Künstlerin, für eine Freundin, für dein Buch,

00:54:53: für ein Projekt, das du jetzt gerade voranschiebst,

00:54:57: wo du sagst, das braucht mehr Reichweite

00:55:00: und das braucht ein bisschen mehr Veröffentlichung

00:55:03: und ein bisschen mehr Öffentlichkeit.

00:55:05: Das heißt bei uns ganz schön wichtig.

00:55:09: Und das ist die Platz für deine Werbeanzeige.

00:55:11: Sie beginnt jetzt.

00:55:13: Oh, ganz schön wichtig.

00:55:20: Platz für deine Werbeanzeige.

00:55:22: Ich möchte die Zeit nutzen, um nochmal zu werben

00:55:30: für demokratisches Engagement gegen Rechtsextremismus.

00:55:34: Schaut, was habt ihr für Ressourcen?

00:55:36: Wo könnt ihr unterstützen?

00:55:38: Sei es durch Geld, sei es durch Zeit,

00:55:40: sei es durch ihr seid eine coachgereiere

00:55:43: und teilt gerne Beiträge gegen Recht.

00:55:45: Es gibt ganz viele Möglichkeiten, sich zu engagieren.

00:55:48: Kommt auf die Straße, demonstriert gegen die extremen Rechte.

00:55:51: Ich weiß, das ist herausfordernd.

00:55:53: Ich weiß, es macht manchmal Angst, weil man bedroht wird,

00:55:57: weil man Menschen gegenübersteht,

00:56:00: den man eigentlich sehr gerne aus dem Weg gehen will.

00:56:02: Aber es ist unglaublich wichtig.

00:56:04: Zum einen, weil es euch stärkt, weil es euch noch mal zeigt,

00:56:07: ihr seid nicht alleine.

00:56:08: Das war schon immer wichtig.

00:56:11: Das ist jetzt noch viel wichtiger, diese Erfahrung zu machen.

00:56:14: Das darf man bei allen Frust und manchmal auch

00:56:17: aller Wirkungslosigkeit von solchen Protesten nicht unterschätzen.

00:56:20: Was für ein schönes Gefühl es ist, zu sehen,

00:56:22: wie viele wahnsinnig tolle Menschen es gibt,

00:56:24: die sich gegen Recht engagieren und die laut sind auf den Straßen,

00:56:28: in irgendwelchen Vereinen, in einer Initiative,

00:56:31: guckt gerne bei eurer mobilen Beratung,

00:56:33: aus welchem Bundesland auch immer ihr kommt.

00:56:35: Das findet ihr auf der Seite des Bundesverbandes,

00:56:37: wie die Beratungsstelle bei euch vor Ort heißt.

00:56:39: Wenn ihr euch engagieren wollt, meldet euch bei denen,

00:56:41: die sagen euch gerne, wo es coole engagierte Bündnisse gibt.

00:56:44: Folgt uns gerne auch auf Instagram.

00:56:46: Wir machen gerade, wenn ihr aus Thüringen seid,

00:56:48: gute Werbung dafür, wo Proteste stattfinden,

00:56:51: wo es coole Innis gibt.

00:56:52: Ansonsten gibt es auch von Demokrat-Team,

00:56:54: den Demokalender, der gerade aktuell auch wieder gut zeigt,

00:56:58: wo findet gerade überall schon was statt

00:57:00: und wo kann man dahin gehen, seitmutig, seitlaut und gebt nicht auf.

00:57:05: Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer,

00:57:08: das war Romy Arnoldt, Politikwissenschaftlerin,

00:57:11: Projektleiterin bei der mobilen Beratung

00:57:13: für Thüringen und gegen Rechtsextremismus Mubid E.V.

00:57:17: Sie war eine ganz hervorragende Gesprächspartnerin

00:57:21: für das Thema Rechtsextremismus in Thüringen, in Ostdeutsch,

00:57:25: aber nicht nur, sondern auch für das Thema

00:57:28: "rechte Gewalt, Neonazi-Strukturen" in Deutschland.

00:57:31: Vielen Dank, dass du mit mir gesprochen hast.

00:57:33: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

00:57:35: Auch für deine Werbeanzeige und den Aufruf, sich zu engagieren.

00:57:39: Verdammt noch mal.

00:57:40: Und aktiv zu sein und nicht die Zeit auf der Couch zu verbringen,

00:57:45: nicht nur zumindest.

00:57:46: Wir haben eine ganz interessante, wichtige Wahl vor uns.

00:57:49: Und ich glaube, es ist wichtiger,

00:57:51: denn je sich gegen Recht zu engagieren,

00:57:53: dafür zu sorgen, dass alle Menschen diesem Land sich sicher und

00:57:56: in größtmögliche Maße gewertschätzt führen können,

00:58:01: in ihrer Heimat.

00:58:03: Abonniert uns, abonniert diesen Kanal,

00:58:07: empfehlt uns weiter an Freunde, Verwandte und Bekannte.

00:58:11: Uns gibt's auf Instagram und auf vetomag.de.

00:58:17: Bleibt uns treu. Bis zum nächsten Mal. Ciao.

00:58:19: (Dynamische Musik)

00:58:22: (Dynamische Musik)

00:58:24: Hey, bist du noch da?

00:58:37: Dann bis bald. Du hörst ganz schön laut.

00:58:40: Den Veto-Podcast. Alle zwei Wochen.

00:58:43: Überall, wo es Podcasts gibt.

00:58:45: Und bis dahin folgt uns auf Instagram und TikTok.

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