Joshi und Punk gegen rechts
Shownotes
Stell dir vor, du kreist mit einem Flugzeug über dem AfD-Parteitag, an dem ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Scheiß AfD“ hängt. Oder du bringst Amazon und Ebay dazu, Artikel aus ihrem Sortiment zu nehmen, die von Nazis verkauft werden. Solche und andere Aktionen hat Joshi seit 2006 mit der mittlerweile größten unabhängigen Jugend-Initiative gegen rechts „Kein Bock auf Nazis“ auf die Beine gestellt.
Als Sänger und Gitarrist der Skatepunk-Band ZSK mischt Joshi mit antifaschistischen und linken Texten auch die deutsche Musiklandschaft auf. Der Kampf gegen rechts müsse gerade jetzt noch entschlossener geführt werden: „Es ist das erste Mal seit 1945, dass eine rechtsextreme Partei eine Wahl in einem Bundesland gewinnt. Das ist ein trauriger historischer Moment.“ Doch aufgeben wird er trotzdem nicht.
Mit seinem Engagement will Joshi vor allem Menschen in kleinen Orten unterstützen. „In ganz vielen Städten laden wir lokale Antifa-Gruppen ein – und dann sitzen wir nachmittags backstage mit denen zusammen und hören meistens einfach nur zu, was gerade gut und was schlecht läuft.“
Außerdem hat Joshi mit seiner Band die Plattform „Protest Sounds“ gegründet, über die sich andere Bands melden können, die Flagge gegen rechts zeigen wollen – und dann kostenlos Banner und Materialien für ihr nächstes Konzert bekommen.
In dieser Folge GANSCHÖNLAUT sprechen Host Ninia LaGrande und Joshi über den beunruhigenden Zuspruch für die (in Teilen) rechtsextreme AfD unter jungen Menschen in Thüringen und Sachsen, über Hoffnung und über die Notwendigkeit, dass Kunstschaffende sich öffentlich gegen die AfD stellen. Und Joshi erzählt, was er sich von einer Großkundgebung am Abend vor der Landtagswahl in Brandenburg erwartet.
TRANSPARENZ
Joshi erwähnt Reden von Subcomandante Marcos. Dabei handelt es sich um eine kollektive Kunstfigur, unter deren Pseudonym Mitglieder der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung in Mexiko 20 Jahre lang Texte veröffentlichten.
In der Kategorie Werbeanzeige verweist Joshi auf den „Bundesverband Mobile Beratung“, der seit 20 Jahren bundesweit zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus berät.
Die Folge mit Joshi wurde am 9. September 2024 aufgezeichnet.
URHEBERRECHT
Im Intro des Podcasts zitieren wir:
Enissa Amani, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 2: „Die Macht der Comedy“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:11:26
Anja Reschke, aus: „Panorama“, Beitrag „Mein Nachbar ist Nazi“ vom 1. Juli 2022, NDR, Timecode: 00:00:05
Disarstar, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 1: „Die Macht der Musik“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:01:45
DANKSAGUNG
Redaktion: Melanie Skurt, Jasper von Römer; Hosts: Ninia La Grande, Stephan Anpalagan; Produktion: Benjamin Jenak; Artwork: Karla Schröder; Sprecherin: Leni Leßmann
FINANZIERUNG
Veto wird anteilig gefördert von der Schöpflin Stiftung, der GLS Treuhand und vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.
Transkript anzeigen
00:00:00: Es hätte keine Veränderung dieser Welt gegeben,
00:00:03: wenn nicht irgendjemand gesagt hätte, ach, das müssen wir ändern.
00:00:06: Manchmal muss man klare Kante zeigen.
00:00:08: Das fordert die Gesellschaft ja auch.
00:00:10: Klare Kante gegen rechts heißt es auch immer.
00:00:13: Die Welt brennt an allen Ecken und Enden.
00:00:15: Wir haben extreme, massive Probleme,
00:00:17: vor denen sich keiner verschließen kann.
00:00:19: Die Welt ist in Aufruhr.
00:00:21: Doch Aktivistinnen geben Hoffnung.
00:00:24: Du hörst "Ganz schön laut".
00:00:26: Den Veto-Podcast mit Ninia Lagrande und Steven Anpalaghan.
00:00:29: Wir stellen Menschen vor, die für Veränderung etwas riskieren.
00:00:33: Und damit herzlich willkommen zurück aus der Sommerpause
00:00:40: und zu einer neuen Folge von "Ganz schön laut",
00:00:43: dem Interview-Podcast des Veto-Magazins.
00:00:46: Ich weiß nicht, ob ihr in den letzten Wochen
00:00:48: so richtig in entspannte Sommerstimmung gekommen seid.
00:00:51: An diesem Tage, an dem wir aufnehmen,
00:00:53: haben auch die letzten Bundesländer ihre Ferien beendet.
00:00:56: Mir hilft es, immer so rauszukommen
00:00:58: und ein paar Unterwegs zu sein, was anderes zu sehen
00:01:01: als die eigenen vier Wände.
00:01:03: Aber man kann ja auch an anderen Orten die Augen nicht
00:01:06: vor der Realität verschließen.
00:01:08: Tatsächlich waren die letzten Monate stark geprägt
00:01:11: von hitzigen politischen Diskussionen.
00:01:13: Ich denke zum Beispiel an scharfe Debatten zum Recht auf Asyl,
00:01:16: an rechte Mops auf den Straßen, etwa beim CSD im sächsischen Bautzen,
00:01:20: der bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat.
00:01:22: Ähnlich wie die Nazi-Parolen auf Sylt.
00:01:24: Immer wieder beziehen Aktivistinnen und Antifaschistinnen
00:01:28: in der Situation.
00:01:30: Die Brandmauer scheint stabil, so möchte ich es mal sagen.
00:01:33: Ob das unser heutiger Gast ähnlich einschätzt wie ich,
00:01:36: das werden wir gleich erfahren.
00:01:38: Er erhebt seine Stimme sozusagen hauptberuflich
00:01:40: gegen Missstände, Rechtsextremismus, Diskriminierung,
00:01:43: Grassismus. Hallo Joschi von der Punkband ZSK.
00:01:45: Hallo. - Hallo, danke für die Einladung.
00:01:47: Ich freue mich auch sehr, dass du dabei bist.
00:01:49: Ich will dich noch genauer vorstellen,
00:01:51: damit die Menschen, die uns zuhören, ein besseres Bild davon haben,
00:01:55: wer du eigentlich bist und was du machst.
00:01:57: Du bist der K. mit der du seit Jahren auf der Bühne stehst.
00:02:00: Gegründet habt ihr euch 1997 im schönen Göttingen,
00:02:03: wo ich studiert hab.
00:02:05: Heute zählt ihr zu den erfolgreichsten Punkbands Deutschlands.
00:02:08: Parallel dazu habt ihr 2006 die Initiative "Keinen Bock auf Nazis"
00:02:11: ins Leben gerufen, die seitdem Jugend- und Aufklärungsarbeit
00:02:14: gegen Rechtsextremismus leistet.
00:02:17: Und von Bands wie den Totenhosen, den Ärzten, Beatstecks,
00:02:20: Deichkind und Matzen unterstützt wird.
00:02:22: Damit organisiert ihr unter anderem Konzerte und Protestaktionen
00:02:25: mit Material, zu Gruppen, Netzwerken und Einzelpersonen,
00:02:28: die sich gegen Recht engagieren.
00:02:30: Wie diese Arbeit genau funktioniert, das werden wir gleich erfahren.
00:02:33: Und wenn ich da gleich mal nachfragen darf, lieber Joschi,
00:02:36: wo fühlst du dich in deinem Engagement gegen Nazis, gegen Rassismus,
00:02:40: eigentlich am wirksamsten als Musiker auf der Bühne
00:02:42: oder mit den vielen Kampagnen, die ihr mit "Keinen Bock auf Nazis" anstößt?
00:02:47: Ich glaube, das hat sozusagen zwei Ebenen.
00:02:49: Als Musiker, klar, das scheinen wir das immer rum auf der Bühne.
00:02:53: Und ich glaube, wir geben bei den Konzerten auch ganz vielen Leuten
00:02:56: ganz viel Kraft, weil die haben dann ...
00:02:58: Dann spielen wir in Leipzig, ja, und dann kommen aus den ganzen
00:03:01: umliegenden Orten irgendwelche Kids, die jeden Tag Stress mit Nazis haben
00:03:05: oder mindestens einmal die Woche.
00:03:07: Und die sind dann total glücklich, ein Abend mit Gleichgesinnt zu sein,
00:03:11: wo man keine Sorgen haben muss und einen guten Abend haben kann.
00:03:14: Und weiß man es nicht allein mit diesem Engagement.
00:03:17: Das ist, glaube ich, was, was wir Leuten so geben können.
00:03:20: Wir sind für ganz viele Leute so ein Soundtrack für ihr Engagement.
00:03:24: Das nicht nur Engagement gegen Nazis,
00:03:26: sondern auch Leute, die sich für Tierrechte einsetzen
00:03:29: oder gegen die Klimakatastrophe usw.
00:03:32: Das hören wir immer wieder.
00:03:33: Das finde ich total schön, dass wir da als Musiker was beitragen können.
00:03:37: Und mit der "Keinen Bock auf Nazis"-Kampagne
00:03:39: ist das eher so, dass wir da konkret irgendwie Gruppen helfen können,
00:03:45: was zu reißen, ne?
00:03:47: Also, dann meldet sich irgendeine kleine Initiative aus einem winzigen Ort
00:03:51: und sagt, hier gibt's eine AfD-Kundgebung.
00:03:55: Und wir wollen irgendwas machen.
00:03:57: Und die haben so was noch nie gemacht.
00:03:59: Und die wollen loslegen.
00:04:01: Und dann geben wir so eine Starthilfe.
00:04:03: Dann sagen wir, ey, passt mal auf, das funktioniert so und so.
00:04:06: Wir können euch helfen mit einem Posterdesign.
00:04:08: Wir drucken die Poster und Sticker.
00:04:10: Wir schicken euch die und legt los.
00:04:13: Ihr macht das. Ihr seid gut.
00:04:15: Wir glauben an euch.
00:04:17: Wir glauben wirklich, dass die von uns diese Poster- und Sticker geschickt kriegen.
00:04:22: Wobei man kann ja auch sagen, was ist das?
00:04:24: Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
00:04:26: Aber für die bedeutet das ganz viel zu sehen.
00:04:28: Wir sind hier nicht allein in unserem kleinen Ort.
00:04:30: Und ich glaube, das ist echt, ja, gerade in diesen Zeiten,
00:04:34: eine wichtige Sache.
00:04:37: Wir zeichnen am 9. September auf.
00:04:39: Deswegen ist natürlich klar, dass es im Moment
00:04:41: ein kaum präsenteres und wichtigeres Thema gibt,
00:04:43: als die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen.
00:04:47: Ein Drittel der Menschen in Thüringen,
00:04:49: ein knappes Drittel in Sachsen, hat eine rechtsextreme Partei gewählt.
00:04:52: Und auch wenn bis zur Ausstrahlung dieser Folge am 17. September
00:04:56: noch ein bisschen Zeit vergeht, wollen wir den ersten Interviewblock
00:04:58: mal nutzen für eine Einschätzung der Wahlen mit dir zusammen.
00:05:02: Zunächst mal, was hat der Blick auf die Ergebnisse mit dir gemacht?
00:05:06: Wie fühlst du dich nach den Ergebnissen der Landtagswahlen?
00:05:09: Weniger schlimmer als gedacht.
00:05:12: Also, ich dachte, es ist wirklich ganz furchtbar, aber es ist einfach ...
00:05:15: Es war ja allen klar. Wir haben ja alle die Umfragen vorher gelesen.
00:05:19: Und deshalb war es für mich jetzt nicht so ein Schock.
00:05:22: Und ja, es ist einfach eine Katastrophe
00:05:26: und ein ganz schlimmer Tag für die Demokratie.
00:05:29: Ich mein, man muss es wirklich, wenn man sich es ganz genau anguckt,
00:05:33: das ist das erste Mal seit 1945,
00:05:36: dass eine rechtsextreme Partei eine Wahl in ein Bundesland gewinnt.
00:05:40: Das ist ein trauriger historischer Moment.
00:05:43: Das ist einfach Fakt.
00:05:45: Und das macht mir schon wirklich ganz große Sorgen und Angst.
00:05:49: Ich mein, ich bin aufgewachsen.
00:05:51: Da war das NPD, da ging es um die NPD, die waren das größte Problem.
00:05:56: Aber es stand niemals wirklich zur Debatte,
00:05:58: ob die NPDs mal in den Bundestag schafften.
00:06:01: Die saßen dann in zwei Landtagen, das war schlimm genug.
00:06:04: Aber das sind jetzt echt andere Zeiten.
00:06:06: Und wir müssen damit umgehen und standhaft bleiben.
00:06:09: Das fällt nicht immer leicht.
00:06:12: Also, warst du nicht mehr groß überrascht von den Ergebnissen?
00:06:15: Also, wir wussten alle, was kommt.
00:06:17: Was natürlich dann ganz spannend ist und war und ist die Auswertung.
00:06:22: Welche Wähler sind wohin gewandert?
00:06:24: Wie jung sind die Wähler der AfD?
00:06:27: Und das ist halt auch alles Katastrophe, ne?
00:06:29: Du sagst, gerade junge Menschen haben ja übermäßig auf die AfD gewählt.
00:06:33: In der Altersgruppe 18 bis 24 ist die AfD,
00:06:36: beispielsweise in Thüringen, auf 38 Prozent der Wahlstimmen gekommen.
00:06:41: Ja, ich weiß.
00:06:42: Da war ich auch so, dachte ich so, Leute, was ist mit euch los?
00:06:47: In einem ZDF-Interview hat ein Generationenforscher erklärt,
00:06:52: dass die AfD von jungen Menschen "nicht als unmittelbar rechtsextrem wahrgenommen wird".
00:06:57: Die Partei sei inzwischen so normalisiert,
00:07:00: dass sie von jungen Menschen nicht am politisch extrem randverordet wird.
00:07:04: Nimmst du das selber auch so wahr im Kontakt mit Jugendlichen?
00:07:08: Mit kein Bock auf Nazis arbeitet ihr eher gerade daran,
00:07:11: auch junge Menschen politisch zu aktivieren.
00:07:13: Gegen rechts, wie ist da dein Eindruck?
00:07:15: Also, ich glaube, was du da zitierst, was diese jungen Leute sagen,
00:07:23: das täuscht so ein bisschen,
00:07:25: weil ich glaube, einfach der politisch-moralische Kompass
00:07:28: hat sich in den letzten zehn Jahren verschoben.
00:07:30: Das ist das Problem, was früher als ganz klar rechts- oder rechtsextrem wahrgenommen wurde
00:07:35: in der Gesellschaft, ist jetzt schon sagbar und völlig okay.
00:07:39: Das hat angefangen mit dem Sarrazin-Buch,
00:07:41: wo Sachen, die man vorher nie in der Talkshow hätte sagen können,
00:07:46: wo alle gesagt haben, das kann doch nicht sein, ist doch nicht ihr Ernst,
00:07:50: ist jetzt völlig normal und Mainstreamig geradezu.
00:07:53: Ich glaube, das ist das große Problem,
00:07:55: dass ganz klar rechtsextremerassistische, antisemitische Aussagen
00:07:59: so als ist doch auch nur eine Meinung dargestellt werden.
00:08:02: Und da beginnt dann das Problem.
00:08:05: Und ja, die AfD schafft das schon sehr gut, sich als irgendwie cool
00:08:11: und darf man doch noch mal sagen, darzustellen.
00:08:14: Und das kommt bei manchen Jugendlichen halt durch.
00:08:16: Ich meine, man muss sich anschauen, wie es auf TikTok zum Beispiel aussieht,
00:08:20: das wichtigste Medium für super, super viele junge Leute.
00:08:23: Und die AfD ist da maximal überrepräsentiert, maximal.
00:08:29: Und das führt dann genau zu sowas.
00:08:33: AfD hat auf TikTok mehr Follower als alle demokratischen Parteien zusammen.
00:08:39: Das ist was, was mich auch ...
00:08:41: Ich möchte ... Also, nicht ganz überrascht hat,
00:08:43: aber schon ziemlich geschockt hat, als ich das das erste Mal gelesen habe.
00:08:47: Was glaubst du, könnten probate Mittel sein,
00:08:49: um junge Menschen aufzuklären und zu erreichen?
00:08:52: Vielleicht auch gerade über Social Media?
00:08:54: Oder kann man da nicht mehr viel ausrichten?
00:08:56: Es ist auf jeden Fall ganz schwierig, da junge Leute zu erreichen,
00:09:02: die sich eh schon in einem recht und rechtsextremen Umfeld richtig bewegen.
00:09:06: Wie soll man die da rauskriegen?
00:09:08: Was wir mit Keinburg auf Nazis versuchen,
00:09:11: ist halt, einen Grundkonsens bei jungen Leuten herzustellen,
00:09:16: dass also so ganz low-level, Nazis sind scheiße, Rassismus ist nicht okay,
00:09:21: dass man das erreicht.
00:09:23: Und ich glaub, das ist ...
00:09:26: 'nen ganz junger Mensch,
00:09:27: der nie im Leben geht, der zu irgendeinem Info stand,
00:09:31: egal von welcher Partei oder Gruppe, und liest 'n Flyer und sagt,
00:09:34: ach, wunderbar, die haben ja rechner, dann mach ich das.
00:09:38: Aber wenn jemand in seinem Freundeskreis, seiner Peer Group,
00:09:42: es sozusagen Usus ist, zu sagen, ey, die AfD, das sind doch Arschlöcher,
00:09:47: das funktioniert, glaub ich, so Leute mitzunehmen.
00:09:51: Und das funktioniert viel über Musik, Freundeskreise, Gefühle, so was.
00:09:57: Und das nutzt ja die AfD sehr geschickt auf TikTok und so,
00:10:02: dass vieles da auch gar nicht in erster Linie um Politik geht,
00:10:05: sondern so um so Gefühle, so, ey, die Grünen, die nehmen dir was weg.
00:10:10: Und ich glaub, da muss man reingehen und so 'nen Grundkonsens herstellen.
00:10:15: Und das versuchen wir halt, wenn wir mit der unserer Kampagne
00:10:18: bei Rock am Ring, Rock am Park sind, oder große Bands auf der Bühne
00:10:22: unser Shirt tragen und vielleicht sagen hier,
00:10:25: übrigens, wir finden auch, dass Rassismus nicht klar geht.
00:10:28: Und wenn dann möglichst viele junge Leute das sozusagen mitnehmen
00:10:34: und sagen, ja, das ist doch richtig so, dann hat man 'ne Chance.
00:10:38: Aber es ist grad alles sehr, sehr schlimm auf jeden Fall.
00:10:42: Es ist alles sehr, sehr schlimm, und es ist ja auch nicht einfach,
00:10:46: den Rechtsruck nur auf die AfD zu beschränken,
00:10:48: weil ja auch gerade Parteien aus der sogenannten Mitte wie CDU, SPD,
00:10:52: FDP, die Standpunkte der AfD auch so ein bisschen normalisieren,
00:10:58: wenn sie sagen, wir fordern Asylrechtsverschärfungen
00:11:01: und wir wollen Sozialleistungen kürzen,
00:11:03: anstatt Reiche zu besteuern beispielsweise.
00:11:06: Sind es aus deiner Sicht nicht auch diese Parteien,
00:11:09: die wortwörtlich nach rechts rücken,
00:11:11: während die AfD schon immer am rechten Rand war,
00:11:13: welche Verantwortung tragen die demokratischen Parteien in der Situation?
00:11:18: Ja, das ist halt immer die Frage.
00:11:21: Macht es Sinn, wenn die CDU da im rechten Lager sozusagen um Stimmen buhlt,
00:11:29: mit, indem sie nach rechts rückt und solche Sachen mitnimmt
00:11:33: und dann zumindest der AfD noch Stimmen abjagen kann?
00:11:37: Oder ist es 'ne Katastrophe, wenn die CDU sich von der AfD nach rechts reinlässt?
00:11:42: Da haben sich schon 1.000 Wissenschaftler den Kopf drüber zerbrochen.
00:11:47: Ich sag mal, in Sachsen hat's der CDU ja nicht geschadet.
00:11:53: Die sind ja gut damit gefahren, haben super Ergebnis wieder eingefahren.
00:11:56: Da war ich ehrlich gesagt überrascht, weil man sagt ja oft,
00:12:00: die CDU rückt nach rechts, aber die Rassisten wählen am Ende doch das Original.
00:12:04: Zumindest in Sachsen war das nicht so, aber das müssen halt wirklich
00:12:07: irgendwelche superschlauen Wissenschaftler mit sehr vielen Analysen an der Uni klären.
00:12:12: Also ich glaube grundsätzlich, es wird sehr, sehr viel mit Emotionen und Bildern gespielt.
00:12:18: Und in der heutigen Zeit gibt es unfassbar viele Bilder, Videos von einem.
00:12:24: Hinzu kommt inzwischen die ganzen AI-generierten Sachen.
00:12:28: Und wenn du dann irgendein Vorfall hast, wie Soling,
00:12:33: wo irgendein Islamist auf einem volksfest Leute absticht,
00:12:38: das kann man heutzutage unfassbar im Netz ausschlagen, diese furchtbaren Bilder.
00:12:45: Und das immer, immer dazu sagen, ja, und hier, der hätte abgeschoben werden müssen
00:12:50: und da seht ihr es doch und ihr Grün verharmloser.
00:12:55: Und da kommt man schwerlich gegen an.
00:12:57: Es ist letztendlich alles ein Kommunikationsproblem,
00:13:01: weil man mit, oder um es zu sagen, Nazis und Rechtsextremisten
00:13:08: bieten immer auf ein sehr komplexes gesellschaftliches Problem eine einfache Lösung.
00:13:14: Das kann man sehr gut, bildlich und in Sharepics und so weiter, ganz easy bringen.
00:13:19: Während schlaue, coole, linke, liberale Leute das Problem komplexer sehen.
00:13:25: Aber das zu vermitteln und zu erklären, ist einfach schwierig.
00:13:30: Also ich würde es mir so wünschen, dass es, dass Leute mir zuhören würden
00:13:34: und es einfacher wäre, Leuten was zu erklären.
00:13:37: Ich habe das Gefühl, ganz, ganz viele Leute in dieser Welt,
00:13:41: aber natürlich auch in Deutschland, haben eine wahnsinnige Angst.
00:13:46: Es ist die ganze Zeit Angst.
00:13:48: Die Grünen nehmen uns die Toiletten weg.
00:13:50: Die Grünen wollen mir mein Auto nehmen.
00:13:53: Die Liberalen zwingen mich, kein Fleisch mehr zu essen.
00:13:56: Also eine völlig irrationale Angst,
00:13:59: die aber ganz neu geschürt wird.
00:14:01: Und muss man auch sagen, ganz viele linke Parteien, auch konkret die Linke,
00:14:08: hat bisher keine gute Antwort darauf.
00:14:10: Wie erklärt man den Leuten?
00:14:12: Pass auf, es passiert dir nichts,
00:14:15: nur weil irgendjemand in einem männlichen Körper geboren ist
00:14:20: und dann aber gemerkt hat, er ist eigentlich eine Frau.
00:14:22: Es passiert dir nichts. Das macht diese Person.
00:14:25: Und es wird dir nichts passieren dadurch.
00:14:28: Und das ist halt schwierig zu erklären.
00:14:32: Das geht nicht in einem Share-Pick, wo drauf steht, Messerstecher abschieben.
00:14:37: Das ist nicht so einfach.
00:14:39: Und Leute stehen halt in dieser sehr komplexen heutigen Welt
00:14:42: auf einfache Lösung.
00:14:44: Und da geht die rechtsextremen Ideologie genau rein.
00:14:47: Ich meine, Anfang des Jahres hat man noch den Eindruck gehabt,
00:14:51: dass die demokratische Zivilgesellschaft ziemlich stark ist
00:14:55: bei den ganzen Demonstrationen.
00:14:57: Jetzt waren die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen
00:14:59: ein herber Schlag für viele.
00:15:02: Du hast gerade gesagt, die haben alle noch nicht so richtig das Rezept
00:15:05: gefunden, wie man dagegen angehen muss.
00:15:07: Hast du eine Idee, was getan werden müsste,
00:15:09: um linke, progressive Ideen populär zu machen?
00:15:12: Ha, große Frage.
00:15:14: Ich habe mir jetzt eine ganze Podcast-Serie zu machen mit 20 Folgen.
00:15:18: Ähm ...
00:15:21: Ja, da sind wir wieder bei dem Thema.
00:15:25: Das muss halt ... es liegt an der Kommunikation.
00:15:28: Wie zeigt man, wie bringt man positive Beispiele?
00:15:31: Wie erklärt man den Leuten, dass ein gemeinsames Zusammenleben
00:15:34: ähm ... ohne Hass und ohne Ausgrenzung funktionieren kann?
00:15:38: Und was auch die Vorteile davon sind?
00:15:41: Ne, und das muss ...
00:15:43: das muss mehr sein als dieses, was manchmal Leute als Argument bringen.
00:15:47: Ja, wenn alle Ausländer nicht da wären,
00:15:49: könntest du auch deinen Döner nicht mehr kaufen.
00:15:51: Also, das reicht nicht aus.
00:15:53: Ähm ... schon sehr viel komplexer.
00:15:56: Ich glaube, man muss Wege finden, wie man Leute dazu kriegt,
00:16:01: ein bisschen zuzuhören.
00:16:03: Und das ist ja das, was wir machen mit "Kind of Nazis".
00:16:07: Indem wir diese Bands haben, die sich dann mal öffentlich aussprechen
00:16:12: für uns oder, sagen wir, für eine offene Gesellschaft
00:16:16: gegen Rechtsextremismus,
00:16:18: den wird halt zugehört.
00:16:20: Und wenn meine Lieblingsband was Schlaues sagt,
00:16:22: ist die Chance, dass da jemand sagt, dann höre ich dir zu,
00:16:25: weil ich vertraue den.
00:16:26: Es ist ja auch dieses Misstrauen gegenüber der Demokratie,
00:16:29: was gerade ganz doll ist, dieses Ablehen.
00:16:32: Da frage ich mich immer, ey, wenn ihr so gerne Diktatur habt,
00:16:35: geht doch mal einen Tag nach Russland.
00:16:38: Ja, hier schreien immer alle rum, ich darf meine Meinung nicht mehr sagen.
00:16:42: Da frage ich mich, bist du bescheuert?
00:16:45: Geh einen Tag nach Russland und stell dich auf die Straße und sag deine Meinung.
00:16:49: Da bist du schneller am Gefängnis, als du Papa sagen kannst.
00:16:52: Die Leute wissen halt überhaupt nicht zu schätzen,
00:16:55: was hier eigentlich Phase ist.
00:16:57: Also, wie gut wir es hier haben, dass man, also selbstverständlich,
00:17:01: habe ich sehr viel an dieser Regierung und unser Gesellschaft zu kritisieren.
00:17:05: Aber insgesamt geht es uns hier wahnsinnig gut
00:17:08: und man kann sehr viel tun.
00:17:10: Und dieses Ganze, wir leben ja in einer Diktatur,
00:17:14: ist crazy, aber die glauben das ja wirklich, diese Leute.
00:17:18: Und wie man das aus denen rauskriegt,
00:17:21: ist es schwer.
00:17:23: Hast du, wenn wir über Kommunikation sprechen,
00:17:27: auch das Gefühl, dass es ein bisschen mehr Zeit ist
00:17:30: für ein bisschen mehr Haltung im Journalismus,
00:17:32: also, dass auch Leitmedien von öffentlich-rechtlichen
00:17:35: bis hin zu Spiegelzeit und Co.
00:17:37: sich da mehr positionieren müssen und deutlich machen müssen,
00:17:41: wenn sie beispielsweise rechte Narrative ...
00:17:43: Also, ich hab das Gefühl, dass vor zehn Jahren Dinge irgendwie ...
00:17:47: Da waren das noch rechte Narrative
00:17:50: und heute ist das so übernommen worden,
00:17:52: gerade mit Ängsten und die nehmen dir den Arbeitsplatz weg
00:17:55: und solche Geschichten.
00:17:57: Braucht es da mehr Einordnung von großen journalistischen Medien?
00:18:01: Also, ich hab eigentlich das Gefühl,
00:18:03: dass nach der Selbstentarnung des NSU sich im Journalismus
00:18:07: ganz viel positiv getan hat.
00:18:09: Also, es ist mit Sicherheit noch nicht alles super,
00:18:13: aber es wird viel mehr hingeguckt, es wird viel mehr aufgepasst
00:18:16: und ich hab das Gefühl, es kommt viel öfter
00:18:19: und es wird auch die Betroffenen zu Wort.
00:18:21: Es wird ja immer wahnsinnig viel über die Täter berichtet
00:18:24: und Täterinnen, vor allem im Fall von NSU mit CHAPE.
00:18:28: Aber das haben wir ja als Linke immer kritisiert,
00:18:31: dass die Stimmen der Betroffenen immer gar nicht gehört würden.
00:18:34: Und das hat sich schon auf jeden Fall geändert.
00:18:37: Es gibt super, super viele echt gute Reportagen und Berichte
00:18:41: und Interviews mit Leuten, die nicht nur von Gewalt,
00:18:44: sondern auch einfach von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind.
00:18:48: Und es gibt inzwischen viele Medien,
00:18:50: die ja auch ganz bewusst bei den Worten ganz toll aufpassen.
00:18:56: Wie geht man mit der Klimakatastrophe um und so weiter?
00:19:00: Wie bezeichnet man die?
00:19:02: Ist das der Klimawandel oder ist es die Klimakrise und so?
00:19:06: Und auch die Diskussion um, schreibt man nun die Flüchtlingswelle
00:19:12: oder nicht und so, das gab es ja schon.
00:19:14: Aber selbstverständlich ist da noch Luft nach oben
00:19:17: und ich würde mir ab und zu mal bei irgendwelchen Zeitungen wünschen,
00:19:21: dass irgend ein scharfer Kommentar noch mal überdacht wird,
00:19:24: ob der wirklich sein muss, ob man da nicht die AfD
00:19:27: direkt in die Karten spielt.
00:19:29: Nach diesen Themen spielen wir eines unserer Spiele,
00:19:33: nämlich die Schnellfragerunde.
00:19:35: Wir haben 90 Sekunden Zeit.
00:19:37: Ich stelle dir so viele Fragen wie möglich in dieser Zeit
00:19:40: und du darfst dann ganz kurz antworten.
00:19:43: Los geht's.
00:19:44: Was heißt ganz kurz?
00:19:46: Kein Wort oder?
00:19:47: Das ist nicht festgelegt, aber ...
00:19:49: Du darfst auch gern mehrere Wörter sagen, aber eben kurz.
00:19:52: Ja. - Genau.
00:19:54: Okay, los geht's.
00:19:55: (Dynamische Musik)
00:19:57: Ganz schön knapp, alles auf Zeit.
00:20:02: Welche Band, welcher Song steht in deiner Playlist gerade ganz oben?
00:20:07: "Rancid Outcome the Wolves", das ganze Album. Wahnsinn.
00:20:12: Welches Instrument würdest du gern können?
00:20:15: Klavier.
00:20:16: Was sagst du wirklich häufig?
00:20:18: Bier.
00:20:20: (Lachen)
00:20:21: Was hättest du besser nie begonnen?
00:20:23: Musik machen.
00:20:25: (Lachen)
00:20:26: Deine Botschaft für dein älteres Ich.
00:20:29: Hätt alles richtig gemacht.
00:20:32: Was langweilt dich?
00:20:34: Äh ...
00:20:37: Wenn ich nichts zu tun habe, also ich brauche immer direkt ein Ziel.
00:20:42: Wem gegenüber hast du Vorurteile?
00:20:45: Äh ... Höcke?
00:20:46: Wann hast du dich das letzte Mal geirrt?
00:20:49: Oh, das passiert mir ständig.
00:20:52: Äh ...
00:20:53: Jetzt in Athen, als wir letztens in Athen gespielt haben.
00:20:56: Ich dachte, da kommt keiner, was von 4.000 Leute da ist, war geil.
00:20:59: Geil. Und fällt es dir leicht, Fehler zuzugeben?
00:21:02: Äh, nein.
00:21:03: Was hast du zuletzt schönes Geschenk bekommen?
00:21:06: Auch Bier.
00:21:08: In ... in ...
00:21:10: Griechisches Bier, also die sind ja sehr gastfreundlich, das war cool.
00:21:13: Wen bewunderst du?
00:21:14: Äh ...
00:21:17: Äh ...
00:21:19: Oh.
00:21:20: Das ist schwierig, gibt's zu viele.
00:21:23: Äh, die schlauen Reden von Subkommandante Markus.
00:21:26: Was willst du mehr als alles andere?
00:21:28: Oh, die Welt ein Stück besser machen, es macht mich so traurig,
00:21:33: alles manchmal.
00:21:35: (Schrei)
00:21:36: So.
00:21:38: Schon geschafft, sehr gut.
00:21:40: Was war das in Athen mit 4.000 Leuten?
00:21:42: Das klingt ja mega geil.
00:21:44: Ja, ähm ...
00:21:46: Wir wurden ja eingeladen in Athen zu spielen.
00:21:49: Wir dachten, na ja, kennt uns ja keiner.
00:21:51: Die haben immer gesagt, doch, die Leute kennen euch hier.
00:21:54: Deutsche Texte kennen wir nicht.
00:21:56: Dann waren wir da.
00:21:57: Und das ist so ein ...
00:21:58: So ein Riesen am Vieethiater, wo so 5.000 Leute reinpassen.
00:22:01: Wir standen da und haben gesagt, was sollen wir hier ...
00:22:04: Wann spielen wir nach dem Tags?
00:22:06: Und die so ...
00:22:07: "Nee, ihr seid Headliner heute Abend um halb zwölf Nachts."
00:22:11: "Wer soll denn das gut finden?"
00:22:13: Und dann war's so.
00:22:14: Und die Leute sind völlig durchgedreht.
00:22:16: Und die singen dann ganz viel mit.
00:22:18: Und waren ...
00:22:19: Haben sich unfassbar gefreut, dass wir da sind.
00:22:22: Und es war ein völlig verrückter Abend.
00:22:24: Und das hätte ich nie gedacht, dass ich vor ...
00:22:26: Zehn Jahren mal so ein Song schreibe,
00:22:29: der weltweit super berühmt wird.
00:22:31: Und die dann da alle durchdrehen.
00:22:33: Das war wirklich total ergänzer hot moment.
00:22:36: Wunderschön.
00:22:37: Oh ja, letztes Album, "Hass, Liebe", das ist 2023.
00:22:41: "Hass, Liebe", das ist 2020 erschienen,
00:22:43: wurde als Soundtrack für alle angekündigt,
00:22:45: die sich trotz finsterer Zeiten nicht entmutigen lassen.
00:22:48: Also ein Album zum Durchhalten.
00:22:50: Wie gelingt ihr das?
00:22:51: Was hält dich selbst und euch als Band und Engagierte oben?
00:22:54: Ja, ich denk auch manchmal, die Welt ist ja so ...
00:22:57: krass, dass man eigentlich die ganze Zeit nur verzweifeln könnte.
00:23:01: Andererseits, wenn wir jetzt einfach aufgeben
00:23:04: und nichts mehr tun, was würde das helfen?
00:23:07: Ich will wenigstens es versucht haben.
00:23:09: Ich will auch meinen Anspruch, dass wir wenigstens versucht haben,
00:23:12: was zu ändern.
00:23:13: Ich will im Nachhinein mir nicht ...
00:23:16: Ich will nicht, dass meine Kinder später sagen,
00:23:18: was habt ihr gemacht, als die Scheiße am Dampfen war.
00:23:21: Wo wart ihr denn dann?
00:23:22: Ich kann sagen, wir haben wenigstens ein paar Sachen versucht.
00:23:26: Und dann sehe ich auch immer, wie viele Leute da auch noch draußen sind
00:23:30: und was Gutes tun.
00:23:31: Also ich fühle mich da nicht allein, sondern wenn man sich unguckt,
00:23:35: sieht man so viele Leute, die immer noch stabil bleiben
00:23:38: und weiter machen.
00:23:39: Und das macht mir dann auch wieder Mut.
00:23:41: Und ich mach dann auch wieder irgendwelchen ZSK-Fans Mut.
00:23:44: Kreislauf.
00:23:46: Sehr gut.
00:23:47: Thüringen und Sachsen wurde schon gewählt.
00:23:50: Brandenburg steht kurz bevor.
00:23:51: Und ihr wollt mit "Kind Rock of Nazis" einen konkreten Beitrag
00:23:55: im Vorfeld der Wahl leisten?
00:23:56: Kannst du mich und unsere Hörer*innen mal mitnehmen,
00:23:59: was es mit der Großkundgebung Samtkonzerten
00:24:02: am 21. September in Potsdam auf sich hat?
00:24:04: Das ist ein Tag vor der Wahl in Brandenburg.
00:24:07: Genau, wir dachten, wir machen ein richtig dickes Ding.
00:24:09: Und wenn wir sagen, wir machen was Großes,
00:24:12: dann machen wir was wirklich Großes.
00:24:14: Und jetzt machen wir da eine Riesenkundgebung mit Livekonzert.
00:24:17: Wir spielen da Matzen, Sportfreunde, Stiller, Haskara
00:24:20: und noch viele andere.
00:24:21: Es gibt nachmittags so ein Familienprogramm
00:24:24: und abends dann Bands und ganz viele Redebeiträge.
00:24:26: Und das führt, glaube ich, ein riesengroßes,
00:24:30: ganz tolles Zeichen der Zivilgesellschaft.
00:24:33: Wir werden die Wahlen wahrscheinlich nicht damit retten,
00:24:37: wir haben es dann wenigstens versucht
00:24:38: und noch mal alle auf die Beine gebracht.
00:24:41: Und sowas hat ja auch immer eine Strahlkraft
00:24:43: über Brandenburg hinaus.
00:24:44: Ich glaube schon, dass das auch Leute in München
00:24:47: und sonstwo mitkriegen und denken, ja, cool,
00:24:50: da sind so viele Leute.
00:24:51: Und das wird das zentrale Riesen-Event vor der Wahl dort,
00:24:54: von der Zivilgesellschaft.
00:24:56: Und wir hoffen, es hilft so ein bisschen,
00:24:59: dass mehr Leute einfach wählen gehen und demokratisch wählen.
00:25:02: Keine Ahnung, ob wir am Ende einen halben Prozentpunkt damit
00:25:06: der AfD noch abjagen. Mich würde es sehr freuen.
00:25:08: Kurze Werbeunterbrechungen eigener Sache.
00:25:11: Mit Veto geben wir Aktivismus eine mediale Bühne.
00:25:14: Wir erzählen von denen, die aufstehen und ihre Stimme erheben.
00:25:18: Was sie wollen, was sie antreibt,
00:25:20: das les ihr jede Woche neu auf Veto-Magazin.de.
00:25:24: Kein Bock auf Nazis.
00:25:30: Steht ja hinter dieser Großveranstaltung.
00:25:32: Wieso habt ihr als Band damals überhaupt den Impuls gehabt,
00:25:36: um das zu bauen?
00:25:37: Ja, das kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen.
00:25:40: Aber zu diesem Zeitpunkt, 2006, 2007,
00:25:43: da war einfach das Thema Rechtsextremismus
00:25:46: in den Medien kaum präsent.
00:25:49: Das war fast ausschließlich ein Thema für die radikale Linke
00:25:53: und irgendwelche Punk-Bands und so, und so ein paar Fachmagazine.
00:25:57: Aber ...
00:25:58: Da hat keine große Zeitung irgendwie regelmäßig und viel oder tief investigativ über Rechtsextremismus geschrieben.
00:26:07: Und wir hatten das Gefühl, dass es trotzdem wichtig ist, weil auch bis dahin schon hunderte Tote seit 1990 es gab durch rechte Gewalt.
00:26:19: Und wir wollten aber nicht irgendwie die hundertste Antifa-Kampagne machen, sondern unsere Idee war ganz konkret, wir wollen Leute erreichen, die nicht im Linken Jungenzentrum ganz Tag rumhängen, die keine Anschluss an klassische linke Szene haben.
00:26:34: Und die erreicht man am besten über gute Musik.
00:26:39: Und dann haben wir halt die Toten Hose und die Ärzte gefragt, mit denen sind wir ja befreundet hier, wir haben da so eine Kampagne geplant, habt ihr Lust, uns da zu unterstützen und das ging dann alles ganz schnell.
00:26:48: Und dass das mal so riesig werden würde wie jetzt, wir haben acht feste Mitarbeiter, wir haben jetzt für die Wahl mehr als anderthalb Millionen Flyer Sticker uns Poster gedruckt und das ist ein riesen Ding, das hätte ich damals natürlich nie geahnt.
00:27:03: Hat sich da auch die Ansprache oder die konkreten Ideen, haben die sich geändert in der Zeit seit 2006?
00:27:10: Ja, absolut. Ich meine, damals gab es keine AfD, es gab keine relevante gesellschaftlich akzeptierte Partei, die rechtsextreme Themen in die Presse gebracht hätten.
00:27:27: Da gab es die NPD und die bestand ja zum sehr großen Teil aus militanter Nazi Szene, also unser größtes Problem damals war wirklich ganz konkret Nazi-Straßen-Gewalt.
00:27:37: Dieser ganze Teil der neuen Rechten gab es damals auch schon mit junge Freiheit als Sprachhoher und so, aber die hatten keine gesellschaftliche Strahlkraft.
00:27:47: Das ist jetzt eine ganz andere Situation, wo diese ganz blanke Nazi-Gewalt auf der Straße gar nicht mehr so ein riesen Ding ist, zum Glück.
00:27:58: Ich hoffe, es wird es nicht wieder die nächsten Jahre. Aber die Strahlkraft von so was wie AfD und der neuen Rechten ist ja immens, gerade wirklich, wie die im Grunde jede Talkshow das Thema vorgeben ist einfach furchtbar.
00:28:14: Was ist euer größter Erfolg mit keinem Bock auf Nazis bisher? Worauf bist du stolz?
00:28:21: Ich denke insgesamt einfach, wie groß die Kampagne geworden ist, wie viel Kontakte wir inzwischen haben und wie viel wir bewegen können.
00:28:30: Das kann man gar nicht an einen Moment festmachen, sondern eher, wenn wir jetzt eine Sache anpacken, haben wir ganz andere Mittel und andere Reichweite als damals, um Sachen zu unterstützen und groß zu machen.
00:28:44: Das ist schon ürzig. Wir haben irgendwie 130.000 Instagram-Follower in riesigen Newsletter. Wir können so richtig Alarm machen, wenn wir wollen und haben schon ganz viele so, keine Ahnung.
00:28:54: Dann haben wir irgendwie Amazon dazu gebracht, irgendwelche Nazi-Artikel aus dem Sortiment zu nehmen bei eBay. Wir fliegen mit einem Flugzeug, mit einem riesigen Scheiß-Affd-Banner über einen AfD-Parteitag.
00:29:05: Wir können so richtig Dinge anstellen, die früher überhaupt nicht möglich gewesen wären.
00:29:10: Das ist ein guter Moment für unseren Veto-Moment. Da bitten wir unsere Gäste immer, einen Moment mit uns zu teilen, der sie inspiriert hat.
00:29:21: Also etwas, wo jemand für dich Mut bewiesen hat oder widersprochen hat, auch du selbst, seinen Veto eingelegt hat oder sich aktiv für eine Sache eingesetzt hat.
00:29:31: Das kann etwas sein, was gerade erst passiert ist, kann aber auch schon ein bisschen zurücklegen.
00:29:36: Also was dir einfällt, ein Moment des Widerstands oder Protests, der dich berührt hat und der dir in Erinnerung geblieben ist und bleiben wird. Fällt dir da was ein?
00:29:46: Ganz viel fällt mir da ein. Warte ich.
00:29:50: Da musst du dir jetzt auswählen, was du erzählen kannst und ich schieße unseren Jingle ab.
00:29:57: Boah, ganz schön, mutig. Dein Veto-Moment.
00:30:07: Also zu den Anfangszeiten, wo es diese autonomen Nationalisten gab, diese neue Nazi-Stömmung, die so ganz wahnsinnig gewalttätig und so waren,
00:30:19: da gab es sehr viele Angriffe von denen auf linke oder vermeintliche Linke, also alles, was die als links gesehen haben.
00:30:27: Da gab es in Hessen einen Angriff auf ein linkes Jugendcamp.
00:30:31: Da sind die Nazis nachts auf den Zeltplatz und haben Zelte kaputt gemacht und Leute verprügelt.
00:30:37: Und da lag ein junges Mädchen in einem Zelt und die Nazis haben mit einem Klappspaten auf sie eingeschlagen und ihren Kopf halb zertrümmert und die wäre da echt beinah drauf gegangen.
00:30:46: Das haben wir damals in den Medien natürlich verfolgt und war alles ganz schlimm und wir dachten, oh Mann, ey.
00:30:53: Und Jahre später oder, ich glaube, Jahre später hat sich genau dieses Mädchen bei uns gemeldet und gesagt, hier, ich wollte euch nur mal sagen,
00:31:01: der Prozess läuft halt gegen die Nazis und sie muss da jeden Tag jetzt hinfahren gerade und diese Täter wieder treffen im Gericht.
00:31:10: Und das ist ja wirklich, du triffst einfach Leute, die dich beinah umgebracht haben.
00:31:15: Das ist sehr, sehr hart und ich war selbst nicht, also ich war gar nicht mir das, ich kann mir das nicht vorstellen, weil ich nie in der Situation war zum Glück.
00:31:24: Aber ich stelle es mir extrem schlimm vor und sehr traumatisch.
00:31:28: Und die hat uns dann geschrieben, sie wollte sich nochmal bedanken für unsere Musik, weil sie jeden Tag auf dem Weg ins Gericht im Auto diese Lieder gehört hat
00:31:37: und ihr das so mutgemacht hat, immer diesen Tag durchzustehen.
00:31:41: Und da dachte ich so, boah, Wahnsinn.
00:31:43: Alter, ja.
00:31:44: Ja, das war wirklich, dachten wir krass.
00:31:47: Also und da dachte ich mir so, ja, wie gut ist das, dass wir irgendwann mal irgendwelche Songs geschrieben haben, die Menschen in so einer super schweren Situation irgendwie helfen können.
00:32:00: Das ist genauso was, wo ich ganz froh bin, dass wir diese Musik machen und Leuten damit irgendwie was geben.
00:32:06: Das wäre mein Moment.
00:32:07: So ein bisschen um die Ecke gedacht, aber genau, also wie stark sie da war, diesen Prozess durchzustehen, sehr beeindruckend, sehr gut.
00:32:16: Ja, das ist wirklich ein ganz toller Moment.
00:32:20: Unter dem Dach von "Kainbock of Nazis" habt ihr ein weiteres Teilprojekt aufgebaut, womit sich die Brücke zu deinem Dasein als Musiker schließt, nämlich "Protest Sounds".
00:32:29: Kannst du kurz erzählen, was es damit auf sich hat?
00:32:31: Sehr gern.
00:32:32: Sehr gern.
00:32:33: Das ist unser Musiknetzwerk, weil wir, es melden sich, was super schön ist, immer ganz viele Bands bei uns, die auch als Band Flagge zeigen wollen.
00:32:43: Die wollen bei ihren Konzerten und so immer klar machen, wir sind gegen Nazis und das ist uns wichtig.
00:32:51: Und dann haben wir angefangen, speziell für Bands sozusagen eine Plattform zu schaffen, die können sich bei uns bewerben.
00:32:57: Und dann kriegen die einen Banner und eine Spendendose und Material von uns und nehmen das mit auf Tour.
00:33:02: Und das ist total schön, weil die Bands sich dann inzwischen auch untereinander verabreden.
00:33:07: Dann macht manchmal die eine Band in ihrer Stadt ein Konzert, lädt die anderen Prozess Sounds Bands ein und dann machen sie das andersrum bei einer anderen.
00:33:14: Und bei uns melden sich auch ganz oft Leute, die eine Kundgebung machen gegen Nazis und dann eine Live Band haben wollen.
00:33:22: Und dann bringen wir immer unsere Bands mit dieser Kundgebung zusammen.
00:33:26: Wir kriegen dann alle Infos, wann, wie, wo, gibt es irgendwie Fahrtkosten und so.
00:33:32: Und dann leiten wir das dann alle unsere Bands weiter und dann können die sich da melden.
00:33:35: Das ist voll die schöne Möglichkeit, um Leute zu vernetzen und diese Kultur, Szene mit der Polizzene, wenn man sie will, oder mit Politik zusammenzubringen.
00:33:46: Das macht mir sehr viel Spaß und ist, glaube ich, eine sehr gute Sache.
00:33:50: Du hast gerade gesagt, es melden sich ganz viele Bands. Also es ist nicht schwierig, Leute für dieses Netzwerk zu gewinnen, weil du selber auch in einem Interview mit der Tatsima gesagt hast, dass du dich als Künstler noch nie so bedroht gefühlt hast wie jetzt.
00:34:05: Nö, das ist kein Problem.
00:34:07: Cool.
00:34:08: Also die sind da alles straight und gut und ja.
00:34:12: Warum denkst du, dass es wichtig ist, dass Musiker*innen sich zunehmend positionieren und engagieren?
00:34:18: Ich habe vorhin schon über Kommunikation gesprochen und darüber, dass es wichtig ist, dass Vorwälder sich positionieren.
00:34:24: Inzwischen machen das auch echt große Künstler*innen wie Herbert Grönemeyer, sogar Helene Fischer, hat sich positioniert.
00:34:32: Parallel dazu geht ihr mit ZSK aber auch die Beatstakes und Feinesana auf Clubtouren im ländlichen Raum, um jungen Menschen Mut zu machen.
00:34:39: Ich spiel dieses Jahr zum Beispiel noch in Anberg in Bayern, im thüringischen Sonneberg und in Saalfeld. Warum ist es so wichtig, dass eben große und auch kleinere Bands sagen, hier, das ist meine Position?
00:34:52: Und was kann dieses Statement dann eben auch erreichen?
00:34:56: Grundsätzlich glaube ich, oder würde ich mich nicht anmaßen irgendwie einzufordern, dass alle Bands mega politisch sein müssen.
00:35:04: Ganz klar, ich meine, es ist Kunst, jeder kann machen, was er oder sie da möchte, völlig klar.
00:35:11: Aber ich denke auch, man muss die Zeichen der Zeit einfach gerade mal erkennen.
00:35:16: Es ist gerade wirklich ganz schlimm und ganz bedrohlich und ich freue mich deshalb immer über jede Band, jede Künstlerin, jeden Künstler, der ab und zu von mir aus damals so Flicke einschlägt.
00:35:29: Um einmal für alle klar zu machen, auf welcher Seite stehe ich eigentlich, wo bin ich, wenn es brennt.
00:35:35: Das würde ich mir von noch viel mehr wünschen und auch, dass die Beatsexone AZ Tour machen und Feinesana Fischfilet ständig irgendwo da sind, wo es richtig brennt, finde ich supergut.
00:35:47: Ich würde mir wünschen, dass das mehr Bands machen, weil man dann, man könnte das auf mehr Schultern aufteilen.
00:35:56: Ich habe das Gefühl, das sind derzeit immer dieselben, immer dieselben, die das machen.
00:36:01: Stell dir vor, die wichtigsten oder nicht die wichtigsten, aber sagen wir immer, 20 echt große Künstler und Künstlerin in Deutschland würden sagen, pass auf, wir setzen uns an einen Tisch.
00:36:14: Und jeder sagt, zwei Shows im Jahr machen wir, an einem kleinen Ort, wo es richtig nötig ist, die Leute dort zu unterstützen, dass die einen guten Abend haben, wo alle engagierten kommen, alle gut feiern können, sich vernetzen können, Kraft tanken können.
00:36:29: Dann hätte man 40 solcher Konzerte im Jahr, 40 Veranstaltungen, was man damit anstellen könnte und es müsste nicht Feinesana Fischfilet und wir irgendwie Dutzende dieser Shows machen, sondern man könnte sagen, jeder macht zwei und wir schaffen damit unglaublich viel.
00:36:47: Und dann kann man auch ruhig und gewissens sagen, die zwei machen wir und wir schaffen nicht irgendwie 1000 Sachen.
00:36:52: Das finde ich spektakulär gut. Also, wir werden hier jetzt künftig dazu hören, dass wir die Chance. Genau, sowas finde ich gut.
00:37:00: Also, ich habe das Gefühl, man müsste das Gewicht auf mehr Schultern aufteilen. Das würde allen helfen und voll gut. Ja, und das müsste auch über alle Genre und Inhaltsgrenzen hinweggehen.
00:37:12: Ich finde zum Beispiel super, dass Chi Agu da sich jetzt auch öfter geäußert hat und auf einer Kundgebung gegen Nazis aufgetreten ist.
00:37:20: Ja, deine Texte ist mit Sicherheit nicht alles meins und mit Sicherheit nicht alles super cool, woke PC. Aber es sind einfach richtig schlimme Zeiten.
00:37:35: Und ich finde, in dem Moment muss man auch mal 5 Grad sein lassen und sagen, es ist trotzdem gut, dass er sich dahin stellt und sein Fans sagt, wir feiern dir total und wir haben bescheuerte Texte.
00:37:46: Aber bei Nazis hört er Spaß auf. Ja, so ist es doch. Und da muss ich auch sagen, ist mir so eine "Darf-Künstler nun sein T-Shirt ausziehen oder nicht" Diskussion, ist alles gut.
00:37:59: Alles führen ist wichtig. Aber in dem Fall wäre es mir sozusagen scheißegal. Es brennt da gerade an jeder Stelle.
00:38:08: Ich würde nicht irgendein Künstler jetzt sagen, du sollst nicht bei dem Konzert gegen rechts auftreten, weil der Schlagzeug jetzt sieht ja immer mal sein T-Shirt aus. Das ist nicht die Zeit dafür jetzt gerade.
00:38:19: Heißt nicht, dass man da nicht darüber reden sollte. Aber jetzt müssen einfach alle mal zusammen stehen. Das würde ich mir wünschen.
00:38:26: Was ist das für Feedback, was ihr bekommt, wenn ihr als Band gerade im ländlichen Raum in kleineren Orten auftretet?
00:38:34: Gutes. Also, das hätte ich ja am Anfang schon erwähnt. Es ist für ganz viele Leute, die tanken da ganz viel Kraft. Es gibt manchmal so Klugscheißer, die meckern uns an und sagen,
00:38:46: "Ey, weil euer Konzert in Chemnitz, da rufen wir alle Nazis raus, aber in dem Club sind ja gar keine Nazis."
00:38:52: "Oh ja, du schlaue Meier, Hals, Maul, ey, es geht den Leuten noch nicht darum, dass in dem Club Nazis sind, sondern es ist für sie ein empauerndes Gefühl, mit anderen Leuten Nazis rausrufen zu können,
00:39:05: weil das ein sicherer Ort ist und es gibt ihnen Kraft und man vergewissert sich durch dieses Rufen, dass alle hier diese Meinung teilen.
00:39:14: Und wenn es darauf ankommt, hoffentlich auch alle da sind. So sieht es aus. Und das ist auch völlig okay. Also, dieses Kraftschanken durch unsere Konzerte sehen wir ganz doll.
00:39:24: Was wir darüber hinaus machen, in ganz vielen Städten laden wir immer so lokale Antifa-Gruppen ein.
00:39:30: Und dann sitzen wir Nachmittags mit denen und wir hören, meistens hören wir einfach nur zu, was die zu erzählen haben.
00:39:36: Und das ist denen auch ganz wichtig und es interessiert mich natürlich auch wirklich. Ich frage immer, wie läuft es, was läuft bei euch gut, was läuft schlecht.
00:39:43: Und da erfährt man ganz viel, was man sonst so über die normale Presseberichterstattung gar nicht mitkriegt.
00:39:49: Und dieser Austausch, der ist uns auch wirklich wichtig, weil wir sehen uns, natürlich sind wir vor allem Musiker, aber wir sind auch einfach politische Menschen,
00:39:59: die das interessiert, was passiert und die da mitfiebern und die versuchen zu helfen einfach.
00:40:05: Das ist das so, was wir als Bandmannen, die sind dann auch ganz oft, das kennen die gar nicht, die sagen dann, wir hatten es schon so oft irgendwie hier ein Infostand bei irgendeiner Band,
00:40:15: aber dass eine Band uns Backstage einlädt und mit uns redet, das hatten wir noch nie.
00:40:21: Und das erd uns, aber gleichzeitig denke ich, wie traurig ist denn das? Warum macht das keine andere Band? Also so schwer ist es nicht, mal eine halbe Stunde,
00:40:30: dann sagst du halt irgendwie Scheißinterview ab, Scheiß drauf, dann redet man einfach mal mit den Leuten, dann hört sich deren Sorgen an, das gibt denen ganz viel.
00:40:38: Ja, so was machen wir.
00:40:41: Im grad schon kurze Feinde Sahne Fischfeele erwähnt und Monchi von der Band hat mal in dem Podcast gesagt, er würde auch einen jungen Nazi nicht per se von einem Konzert ausladen, er würde ihm ...
00:40:52: Ich schon.
00:40:53: Ja, das wäre meine Frage genau. Er würde ihm ein Feinde Sahne Band-Shot geben und sagen, du kommst nur damit rein, um quasi eine Tür zu öffnen für Jugendliche, die sich politisch anders orientieren.
00:41:04: Du siehst es nicht so, sondern du würdest da eine klare Lerotelinie ziehen.
00:41:08: Immer muss es unterscheiden, wenn ein gefestigter Nazi, ein echter Nazi zu einem Konzert von uns kommt, dann gibt es auf die Schnauze in der Fliege raus, Ende der Durchsage, da gibt es nichts zu diskutieren.
00:41:22: Aber selbstverständlich, wenn irgendein Mitläufer uns schreibt oder mit uns redet, wenn wir den irgendwo treffen, natürlich red ich mit dem, da fühle ich mich auch verantwortlich.
00:41:36: Aber einen überzeugter Neonazi, der gar nicht reden will, der sich nicht über gar nicht in der Diskussion will, mit dem braucht man auch nicht reden, das ist für mich ganz klar.
00:41:46: Aber letztendlich ist, ich muss auch sagen, dass es schreit immer so viele Witzball- auch Journalisten zwischen links und rechts gibt es ja gar keinen Unterschied.
00:41:55: Es ist einfach der Unterschied. Ja, wirklich.
00:41:58: Ja, das.
00:41:59: Ja, aber ganz knapp zusammengefasst. Ich will, wenn da ein Nazi ist, ich will, dass der aufhört, Nazi zu sein.
00:42:10: Ich will, dass der aufhört, Menschen mit einer anderen Hautfarbe totschlagen zu wollen.
00:42:15: Sobald der sagt, ich mache das nicht mehr und sozusagen dieser Ideologie abschwört ist, alles gut, dann kann der mein Nachbar sein, dann grill ich mit dem, kein Ding.
00:42:25: Ich habe ja nichts gegen ihn als Mensch, sondern diese Ideologie und die kann er jederzeit ablegen.
00:42:31: Aber ein Nazi will jemanden totschlagen oder vergasen wegen seiner Hautfarbe oder wegen seiner Religion.
00:42:38: Und gute Religion kann man vielleicht ablegen, aber jemand kann seine Hautfarbe, die ist einfach so.
00:42:44: Und das ist der Unterschied.
00:42:46: Ein Nazi wird nie aufhören, irgendwie zu hassen, weil er anders aussieht.
00:42:51: Aber jeder Nazi kann aufhören zu hassen, wenn er das mit sich hinkriegt, wenn man irgendein Prozess in Gang sitzt.
00:42:58: Und das ist der Unterschied.
00:43:00: Ich gehe gerne mit jedem ex-Nazi grillen, wenn er dieser Ideologie wirklich abgeschworen hat.
00:43:05: Und das ist alles. Die Leute denken immer, dieser Kampf gegen rechts, ihr wollt ja den nicht.
00:43:10: Ich will nur, dass die aufhören. Ich will aufhören, dass die aufhören, ein neues Drittes Reich zu wollen.
00:43:16: Ich will aufhören, dass die fantasieren, wie sie alle Leute, wie sie, wir schreiben, dass sie mich an der Laterne aufhängen.
00:43:22: Dann ist alles gut. Das ist der Unterschied. Die können sich ändern.
00:43:26: Die Leute, die sie hassen, sozusagen, die hassen sie aus anderen Gründen, die nicht veränderbar sind.
00:43:32: Wir kommen nochmal zurück zur Band.
00:43:35: Fans von ZSK Wissen, eure Bandgeschichte hatte nach 10 Jahren, nämlich 2007, erstmal ein Ende.
00:43:42: Wir haben die Bühne hinter euch lassen. Und 4 Jahre später gab es dann doch das Comeback.
00:43:46: Inwiefern hat euch diese Pause kreativ beflügelt oder euch die Möglichkeit gegeben, euch nochmal neu zu erfinden?
00:43:52: Es war eine ganz schlimme 4 Jahre, sag ich dir gleich.
00:43:55: Wir hatten da auch viel zu tun. Wir waren auch wirklich total durch mit der Band.
00:44:01: Und wir wollten auch nicht nochmal.
00:44:03: Aber es hat uns alles extrem gut getan.
00:44:06: Weil das Album, was dann kam, nachdem wir uns wieder zusammengefunden haben, ist bis heute unser beliebtes und super bestverkauftes Album.
00:44:15: Alle lieben das. Herz für die Sache war das damals.
00:44:18: Und das war für uns plötzlich ein Riesenschritt in die viel größeren Clubs, viel größere Festivals und so.
00:44:25: Und ich bin wahnsinnig froh, dass die Fans uns gezwungen haben, weiterzumachen.
00:44:30: Weil das war wirklich nur deswegen, weil wir es halt nie aufgehört.
00:44:34: Wir haben über die Jahre immer weiter Post und Briefe und so bekommen von Leuten, die uns angefleht haben,
00:44:40: dass wir noch eine Tour machen, damit sie uns nochmal sehen können und so.
00:44:43: Und dann haben wir es gemacht, weil diese Nachfrage so doll da war.
00:44:47: Und das war eine extrem gute Entscheidung. Nur deshalb sitze ich hier und ich liebe jeden Tag, den wir mit der Band machen.
00:44:54: Ich habe es ja gerade erzählt, wir waren gerade in der Tee in einem Wochenende.
00:44:57: Wir erleben so tolle Abenteuer.
00:44:59: Ich sehe das alles als riesen Privileg.
00:45:02: Wir sind uns total bewusst, dass wir ein unfassbares Glück haben.
00:45:05: Wie viele 100.000 oder noch mehr Musiker und Musikerinnen da draußen würden sich sowas so sehr wünschen,
00:45:13: das was wir machen. Und wir wissen, wir haben unfassbar Glück, dass wir das tun können.
00:45:18: Und ich liebe jeden Tag daran sehr.
00:45:21: Du hast ja vorhin auch schon den bekanntesten Song von dem Album "Herz für die Sache" erwähnt.
00:45:27: Weltbekannt, der Song "Antifaschista". Spielst du den immer noch gern?
00:45:31: Hast du da so eine spezielle Verbindung zu?
00:45:34: Ja, ich spiel den sehr gern.
00:45:36: Ich wurde auch gerade letzte Woche in einem Interview gefragt, ob mir der Song nicht so zum Hals raushängt.
00:45:41: Aber überhaupt nicht.
00:45:43: Das ist der meist der abgefahrenste Moment beim Konzert, weil wirklich alle da durchdrehen.
00:45:53: Maximal.
00:45:55: Und ich finde das super.
00:45:57: Ich finde das total schön zu sehen, wie wir bei allen die Augen leuchten und alle diesen Song einfach total abfeiern.
00:46:06: Und es ist eben nicht ein Song über Fußball oder nökte Frauen, sondern es ist auch ein Song, der ein bisschen was an Message hat.
00:46:16: Das ist schon einfach schön.
00:46:18: Es ist nicht, dass wir diesen Zufalls-Hit über Alkohol geschrieben haben, den jetzt alle toll finden,
00:46:24: sondern es ist was mit Substanz.
00:46:27: Und dann kann ich damit echt extrem gut leben.
00:46:30: Es gibt ja so Bands, die haben irgendwie so ein Hit, der ihn zum Hals raushängt, für den sie sich vielleicht auch schämen irgendwie.
00:46:38: Aber nicht der.
00:46:39: Da gibt es andere Songs, wo ich manchmal froh bin, dass wir den auch einer Tour immer nicht in der S-Hitlist haben, weil der mich schon nervt.
00:46:45: Was würdest du sagen, wo willst du als Musiker, wo wollt ihr als Band noch hin?
00:46:51: Worauf können sich die Fans von ZSK noch freuen?
00:46:53: Die Spitze der Charts.
00:46:58: Nein, also ich bin einfach froh, wenn wir noch ein paar Jahre so weitermachen können.
00:47:02: Es ist wundervoll.
00:47:03: Wir planen, ich planen jeden Tag irgendwie das nächste Abenteuer für uns.
00:47:07: Nächstes Jahr kommt schon das nächste Album.
00:47:09: Und solange die Leute noch Bock haben und zu unseren Shows kommen, kommen wir auch noch.
00:47:14: Und wir haben eine gute Zeit zusammen, wir tanken Energie und wir freuen uns über jeden der einzelnen Personen, die da ist.
00:47:23: Einfach was für ein Glück, dass wir das tun können.
00:47:27: Das ist super schön.
00:47:28: Hast du Sorge nach so einer Großveranstaltung wie in Brandenburg in ein Loch zu fallen, wenn jetzt beispielsweise die AfD vielleicht doch über 30% erreichen sollte?
00:47:38: Hast du da Mittel und Wege, dass sich das nicht zu sehr runterreißt?
00:47:43: Wir betäuben unseren Kummer mit Alkohol.
00:47:45: Nee, also ganz ehrlich, es fragen mich ganz oft Leute, wie wir das mental alles schaffen und ob wir Angst haben.
00:47:51: Keine Ahnung, sowas interessiert mich nicht.
00:47:54: Ich lasse sowas eigentlich nicht so an mich ran.
00:47:56: Also ich verstehe, ich habe manchmal so Momente, wo ich denke, dieses...
00:48:00: Im Deutschen gibt es da keinen guten Begriff für.
00:48:02: Ich kenne das nur im Englischen, es ist "The Weight of the World".
00:48:05: Also dieses...
00:48:07: Auch einen Unterschied zwischen Nazis und schlauen Linken.
00:48:11: Nazis haben ein ganz gutes Leben, weil ihnen die Welt scheißegal ist.
00:48:17: Da sitzt Nazi und denkt, oder ich schlag die Zeit um Haus und lese wieder 120 Menschen im Mittelmeer drauf gegangen.
00:48:24: Das packt mich, das macht mich fertig, das macht mich traurig und wütend.
00:48:29: Der Nazi liest das und denkt, super, gefällt mir und ist weiter seine Bockwurst.
00:48:34: Und ich glaube, deshalb natürlich als jemand, der so einen deuen Gerechtigkeitssinn hat und sehr empathisch ist, was ich sehr bin.
00:48:42: Für solche Menschen ist die Welt noch viel schlimmer, weil so viel Schlimmes passiert.
00:48:47: Gleichzeitig denke ich immer, ja, ich pack das und wir bleiben weiter dran.
00:48:53: Und ich lasse mich da eigentlich nie entmutigen.
00:48:56: Ich denke einfach schon immer an die nächste Sache.
00:48:58: An dem Tag, wenn wir in Potsdam den letzten Akkord gespielt haben,
00:49:02: plan ich schon die nächsten Konzerte für die Bundestagswahl im Kopf.
00:49:06: So läuft es.
00:49:07: Und ich werde nie aufhören, das zu tun, was wir tun.
00:49:10: Und damit nähern wir uns dem Ende.
00:49:13: Wir geben zum Abschluss unseren Gästen immer die Möglichkeit, Initiativen, Projekte, Menschen, Musiker*innen oder Autore*innen vorzustellen.
00:49:21: Die ihrer Meinung nach dazu beitragen, dass sich diese Gesellschaft zum Besseren entwickelt.
00:49:25: Das heißt, deine Werbeanzeige.
00:49:28: Und du darfst jetzt gleich nach dem Dschingle Werbung machen für tolle Initiativen, Menschen, was auch immer dir einfällt.
00:49:36: Und wir werden die natürlich auch alle in unseren Show-Notes verlinken.
00:49:40: Oh, ganz schön. Wichtig. Platz für deine Werbeanzeige.
00:49:50: So, ich mache mega Werbung.
00:49:56: Und zwar natürlich für den Bundesverband Mobile Beratung.
00:50:00: Wissen nämlich ganz viele Leute nicht. Das macht mich immer fertig.
00:50:04: Es gibt in jedem Bundesland eine Stelle, die jede Menschen in Deutschland hilft, wenn es Probleme mit Nazis gibt.
00:50:12: Und auf der Webseite von Bundesverband Mobile Beratung kann man auf Kontakt klicken oder vor Ort oder so heißt das.
00:50:19: Und dann kann man in jedem Bundesland schauen, wer kann mir da helfen.
00:50:23: Ganz viele Leute wissen überhaupt nicht, dass vom Staat finanziert einem da tolle Leute helfen können.
00:50:30: Also, wenn ihr Ärger habt mit Nazis, das geht von "Mein Nachbar ist eine Reichskriegsfahne im Garten"
00:50:36: bis hin zu "In mein Haus ist ein Torsteiner Laden eingezogen" oder "Ich werde von Nazis bedroht".
00:50:42: Es gibt im Bundesverband Mobile Beratung. Das sind tolle Leute, die da jedem sehr kompetent helfen können.
00:50:50: Das kann ich nur sehr empfehlen.
00:50:52: Vielen, vielen Dank. Ja, Joschie, vielen Dank für das Gespräch.
00:50:55: Ich wünsche euch mega viel Spaß. Tausende von Leuten bei der Großveranstaltung in Brandenburg.
00:51:01: Und freue mich aufs nächste Album im nächsten Jahr. Danke, dass du da warst.
00:51:05: Ja, vielen Dank für das super nette Gespräch. Das haben wir viel Spaß gemacht.
00:51:09: Das war die erste Folge nach der Sommerpause von "Ganstchen laut".
00:51:13: In 14 Tagen kommt die nächste Folge.
00:51:15: Lest unsere Beiträge auf vetomeg.de oder schaut mal bei Instagram vorbei.
00:51:20: Und dann hören wir uns bald wieder. Bis dann. Tschüssi.
00:51:24: [Musik]
00:51:38: Hey, bist du noch da?
00:51:40: Dann bis bald.
00:51:42: Du hörst "Ganstchen laut" - den Veto-Podcast. Alle zwei Wochen. Überall, wo es Podcasts gibt.
00:51:49: Und bis dahin folgt uns auf Instagram und TikTok.
00:51:55: Copyright WDR 2017
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