Beccs Runge und Polit-Influencing

Shownotes

Auf die Frage, was Neurodivergenz ist, stellt Beccs Runge eine Gegenfrage: „Hast du schonmal versucht, dein Apple-Produkt mit irgendetwas von Windows kompatibel zu machen? Das ist Neurodivergenz. Neurodivergente Menschen laufen auf einem anderen Betriebssystem als neurotypische.“ Dieser Umstand wird erst zum Problem, wenn das eine System als „normal“ und das andere als schlechter bewertet wird. Beccs Runge erlebt die Gesellschaft täglich als ableistisch, in der genau diese Bewertungen immer wieder vorgenommen werden.

Sich selbst bezeichnet Beccs Runge als neurodivergent, behindert, pflegebedürftig, nichtbinär und trans* und benutzt die Pronomen es/nims. Den Alltag bestreitet Beccs Runge gemeinsam mit einer persönlichen Assistenz, der Schwester und den Großeltern.

Persönliche Informationen wie diese teilt Beccs Runge auf Social Media mit dem eigens gegründetem Bildungskollektiv namens Minzgespinst. Das Team besteht aus vier weiteren queeren und neurodivergenten Menschen und bietet Workshops oder Vorträge an. Das Ziel: für Inklusion, Awareness und Geschlechtergerechtigkeit sensibilisieren und so eine gerechtere Welt gestalten.

Um die Verbindung von Queerness und Neurodivergenz geht es nicht nur in Beccs Runges Alltag und Berufsleben, sondern auch in dieser Folge von GANZSCHÖNLAUT. Was es mit der Selbstbezeichnung Politinfluencer*in auf sich hat und warum die beste Rache ein gutes Leben ist, darüber kommt Beccs Runge mit Host Ninia LaGrande ins Gespräch. Gemeinsam loten sie aus, warum Menschen Inklusion immer nur dann gut finden, wenn sich andere darum kümmern und es ihnen selbst keine Umstände macht. Außerdem erfahrt ihr in dieser Folge, warum Cistians die neuen alten weißen Männer sind und was die Aussprache von Urinsekten mit gendern zu tun hat.

TRANSPARENZ

Um den eigenen Tag gut zu strukturieren, empfiehlt Beccs Runge die Tagesplanungs-App Tiimo.

In der Kategorie „Platz für deine Werbeanzeige“ verweist Beccs Runge auf folgende Personen und Projekte: Marco Linguri, der zum Thema Antirassismus und Islam arbeitet; Sookee: Sukini - feministische Kinderlieder; das Kinderbuch „Als Eva das All eroberte“ von Raul Krauthausen; den Verlag ohneohren und die dort publizierte Reihe „Urban fantasy going“ (queer, intersectional, fat, mental).

Die Folge mit Beccs Runge wurde am 12. Juni 2024 aufgezeichnet.

URHEBERRECHT

Im Intro des Podcasts zitieren wir:

Enissa Amani, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 2: „Die Macht der Comedy“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:11:26

Anja Reschke, aus: „Panorama“, Beitrag „Mein Nachbar ist Nazi“ vom 1. Juli 2022, NDR, Timecode: 00:00:05

Disarstar, aus: „Rebels. Ich rebelliere also bin ich“; Folge 1: „Die Macht der Musik“ vom 13. Dezember 2022, ARD Kultur, Timecode: 00:01:45

DANKSAGUNG

Redaktion: Jasper von Römer, Melanie Skurt; Hosts: Ninia La Grande, Stephan Anpalagan; Produktion: Arian Dominiak; Artwork: Karla Schröder; Sprecherin: Leni Leßmann

FINANZIERUNG

Veto wird anteilig gefördert von der Schöpflin Stiftung, der GLS Treuhand und vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Transkript anzeigen

00:00:00: Es hätte keine Veränderung dieser Welt gegeben,

00:00:03: wenn nicht irgendjemand gesagt hätte, ach, das müssen wir ändern.

00:00:06: Manchmal muss man klare Kante zeigen.

00:00:09: Das fordert die Gesellschaft auch.

00:00:11: Klare Kante gegen rechts heißt es auch immer.

00:00:13: Die Welt brennt an allen Ecken und Enden.

00:00:16: Wir haben extreme, massive Probleme, vor denen sich keiner verschließen kann.

00:00:20: Die Welt ist in Aufruhr. Doch Aktivistinnen geben Hoffnung.

00:00:23: Du hörst "Ganz schön laut", den Veto-Podcast

00:00:26: mit Ninia Lagrande und Steven Anpalaggan.

00:00:29: Wir stellen Menschen vor, die für Veränderung etwas riskieren.

00:00:32: Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Ganz schön laut",

00:00:41: dem Podcast des Veto-Magazins.

00:00:44: Alle zwei Wochen sprechen wir hier mit Menschen,

00:00:46: die sich aktivistisch engagieren, mit Menschen,

00:00:49: die ihre Stimme erheben, um in dieser Gesellschaft

00:00:51: etwas zum Besseren zu wenden.

00:00:53: Heute begrüße ich Becks Runge im Podcast.

00:00:55: Becks benutzt die Pronomen S und Nims

00:00:58: und hat vor drei Jahren das Bildungskollektiv-Minsgespinst gegründet.

00:01:01: Das Team besteht aus vier Queeren und neurodivergenten Menschen

00:01:04: und bietet Workshops, Vorträge und weitere Formate an.

00:01:08: Ihr Ziel, Unternehmen und Einzelpersonen für Inklusion,

00:01:11: Awareness und Geschlechtergerechtigkeit zu sensibilisieren

00:01:14: und damit insgesamt eine gerechtere Welt zu gestalten.

00:01:17: Um Queerness und neurodivergentes soll es heute gehen.

00:01:20: Schön, dass du da bist. Becks, hallo.

00:01:22: Hallo Ninia, schön hier zu sein.

00:01:24: Ich bin heute ... Das können wir verraten.

00:01:27: Ich bin einen Tag nach den Europawahlen auf.

00:01:29: Und ich war heute Morgen so, oh Gott,

00:01:31: dann kann ich noch über coole Themen sprechen mit jemandem.

00:01:34: Irgendwer muss mich beruhigen.

00:01:36: Ja, also, wie geht's dir heute?

00:01:39: Tatsächlich, dadurch, dass unser Team

00:01:42: deutschlandweit verteilt ist, war das Erste,

00:01:45: was wir gestern Abend gemacht haben, Wahlkreise zu vergleichen.

00:01:48: So nach dem Motto, bei wem sieht's bei uns gerade am schlimmsten aus.

00:01:52: Das ist am schlimmsten.

00:01:53: Ja, gut, es ist nicht überraschend,

00:01:56: dass die Person von uns, die in Ostdeutschland wohnt,

00:01:58: in dem Sinne, die negativen Wahlergebnisse gewonnen hat.

00:02:02: Und da haben wir dann auch ...

00:02:05: Bei uns ist es einfach,

00:02:07: seit dem Enttüren-Kommunalwahlen war ein dauerhaftes Thema mit,

00:02:11: wie können wir uns darum kümmern?

00:02:13: Wie können wir tatsächlich auch Leute im Team schützen?

00:02:16: Wie können wir im Notfall auch Menschen da rausholen

00:02:20: und bei irgendwerem anders erst mal unterbringen?

00:02:22: Das heißt, es überraschte mich halt nicht,

00:02:25: was mich eher überrascht ist,

00:02:28: diese Hilflosigkeit, die damit einhergeht.

00:02:31: So dieses "Oh mein Gott, schockt Pikachu!"

00:02:34: Alle vorhersagen und alle Prognosen,

00:02:36: die in den letzten drei Jahren in dem Kontext passiert sind,

00:02:40: sind dann ja auch wirklich eingetroffen.

00:02:43: Ja, sehr überraschend, genau.

00:02:46: Wir wollen gleich noch ein bisschen vertiefend sprechen.

00:02:49: Ich will dich aber vorher erst mal noch ein bisschen vorstellen.

00:02:52: Auf die du in deiner Arbeit mit Minns gespinst,

00:02:55: immer wieder aufmerksam machst,

00:02:57: sind zwangsläufiger Teil deines Alltags.

00:02:59: Du bezeichnest dich als Neurodivergent,

00:03:02: behindert, pflegebedürftig, nicht binär und trans.

00:03:04: Auf dem Instagram-Kanal von Minnsgespinst

00:03:07: erzählst du, dass du mit einer persönlichen Assistenz,

00:03:10: deiner Schwester und deinen Großeltern zusammenlebst.

00:03:13: Und wie schon erwähnt, bist du Gründerin der Plattform Minnsgespinst.

00:03:17: Dabei bezeichnest du dich selbst als Polit-Influencerin,

00:03:20: Sensibilisierung und Inklusion.

00:03:22: Bei den Recherchen konnten wir nicht so viel in Erfahrung bringen,

00:03:26: was du vor der Gründung der eigenen Plattform gemacht hast.

00:03:29: Kannst du was erzählen, wie dein Leben vor zehn Jahren aussah?

00:03:32: Vor zehn Jahren war ich in der Jugendhilfe.

00:03:36: Das ist tatsächlich ... - Ah ja.

00:03:38: Ich war mehrere Jahre in der stationären Jugendhilfe,

00:03:42: nach zwei Klinikaufenthalten,

00:03:45: weil undiagnostizierter Autismus

00:03:49: und psychische Belastungen im Moment.

00:03:54: Das Verhältnis zu meiner Familie damals sehr belastet haben.

00:03:58: Da dann auch in der Klinik entschieden worden ist,

00:04:01: dass ein räumlicher Abstand erst mal sinnvoll sei.

00:04:05: Heute aus Rückblickender Perspektive sind wir uns alle sehr einig,

00:04:10: dass mir eine frühe Diagnose sehr geholfen hätte

00:04:13: und vielleicht die Jugendhilfeerfahrung auch vermieden.

00:04:19: Gleichzeitig hat es mich sehr früh selbstständig gemacht,

00:04:22: zwangsläufig.

00:04:24: Mhm.

00:04:25: Und ja, gut, dann habe ich tatsächlich studiert

00:04:29: und war in der Hochschulpolitik.

00:04:32: Und aus der Hochschulpolitik in den ersten Burnout

00:04:35: und daraus in die Gründung.

00:04:37: Das heißt, vor minstgespinst habe ich tatsächlich nicht so viel gemacht.

00:04:41: Alles klar.

00:04:43: Das heißt, wir gehen da gleich noch mal ein bisschen genauer drauf ein.

00:04:47: Du hast mal in einem Interview gesagt,

00:04:49: dass du als behinderte Person andere Energieressourcen hast

00:04:53: als chronisch gesunde, nicht behinderte Menschen.

00:04:56: Und teilweise ein sehr seltsam Schlafrhythmus hast.

00:04:59: Kannst du erzählen, wie ein gewöhnlicher Tag in deinem Leben aussieht?

00:05:03: Beginnt meistens um neun Uhr mit Kaffee.

00:05:09: Also, acht Uhr, 30 werden die Katzen gefüttert

00:05:13: von meinem pflegenden Angehörigen/besönlicher Assistenz.

00:05:17: Dann um neun Uhr Kaffee,

00:05:21: mailschecken, Instagram-Checken,

00:05:24: Dinge im Bett tun, du Lingo machen.

00:05:26: Und um zehn Uhr aufstehen,

00:05:29: Care-Routine mit der Assistenz durchführen.

00:05:32: Und ab um elf geht dann meistens so die Arbeit los.

00:05:37: Nochmal Angebote schreiben, Veranstaltungen konzipieren.

00:05:42: Texte schreiben für Social Media.

00:05:46: Texte schreiben, wenn ich wieder an Buchprojekten bin.

00:05:49: Sensitivity-Reading.

00:05:51: Und dann gibt's meistens so gegen eins die erste große Mahlzeit.

00:05:59: Und abends dann noch ne ...

00:06:04: Wir nennen's immer "Stupid Walk", von "My Stupid Mental Health".

00:06:07: Einmal in die Innenstadt, drumherum,

00:06:10: auch mal rauskommen und Schritte und so weiter.

00:06:13: Gerade verschieben sich so ein bisschen Routinen,

00:06:17: weil durch den Zusammenzug mit meinen Großeltern

00:06:20: jetzt auch sehr viel WG-Erfahrung eine Rolle spielt.

00:06:24: Auch kommt mal bitte runter, wir wollen euch was sagen.

00:06:27: Oder ich hab das und das gekocht, braucht ihr die Reste.

00:06:30: Und wir jetzt auch einen kleinen Garten haben,

00:06:33: wo meine Großeltern sehr hinterher sind,

00:06:36: dass wir lernen, wie Gartenarbeit funktioniert,

00:06:38: wie sie weiterführen können, wenn sie irgendwann das nicht mehr können.

00:06:42: Was bedeutet, dass ich teilweise in "Sehr Fans"

00:06:45: ihr Outfitz Wein geschnitten habe diesen Sommer?

00:06:48: (Lachen)

00:06:49: Weil es so Mini-Rock, High Heels, völlig egal.

00:06:52: Der Wein muss geschnitten werden, stellst du dich damit jetzt in den Garten.

00:06:56: Und ich glaub, der Unterschied ist,

00:06:59: mein Tag ist durchstrukturiert nach, was hat Priorität?

00:07:04: Und Priorität haben Dinge, die unsere Existenzgrundlage sichern.

00:07:08: Alles andere hat erst mal weniger Priorität.

00:07:12: Und wie viel Energie ist eigentlich heute da?

00:07:15: Und danach wird dann morgens auch in der Stunde beim Kaffee

00:07:18: tatsächlich der Tag strukturiert.

00:07:20: An Tagen mit wenig Energie fallen dann halt Dinge hinten runter.

00:07:24: An Tagen mit mehr Energie versuchen wir sie aufzuholen.

00:07:27: Und ich glaube, das unterscheidet uns auch als Team von anderen Teams,

00:07:33: weil wir alle mit weniger Energie zurechtkommen müssen.

00:07:38: Aber dass halt in dieser Gesellschaft egal ist.

00:07:41: Diese Gesellschaft ist ableistisch.

00:07:43: Und wenn du sagst, ich kann das nicht leisten,

00:07:45: ist die Antwort halt, na ja, gut, dann hast du Pech gehabt.

00:07:48: Und unser Vorgehen ist eher, okay, wir gucken,

00:07:51: wie wir es ausgleichen können.

00:07:53: Es zwingt, Ressourcen zu schonen.

00:07:55: Weil, wofür keine Ressource da ist, wird nicht gemacht.

00:07:59: Wie hat sich, du hast es gerade schon so ein bisschen angedeutet,

00:08:02: wie hat sich dein Leben verändert,

00:08:04: seitdem du dich auch mit den anderen selbstständig gemacht hast

00:08:07: und du dich auch mit der anderen selbstständig geholfen hast?

00:08:11: Ähm ...

00:08:12: Andersrum tatsächlich, weil ich nie wirklich irgendwo angestellt

00:08:17: gewesen bin.

00:08:18: Weil ich die Hochschulpolitik gemacht habe

00:08:21: und da schon gemerkt habe, na ja, sagen wir es so,

00:08:25: als chronisch kranke behinderte Transpersonen

00:08:27: bin ich halt nicht unbedingt die Person,

00:08:30: nach der sich jedes Unternehmen die Finger legt.

00:08:32: Und auch in NGO-Kontexten wird häufig

00:08:36: 'nen Energiemanagement erwartet, dass ich nicht liefern kann.

00:08:40: Wir haben eher 'nen ...

00:08:42: Also, erwartet wird gerne so 'n gleichbleibendes Energielevel

00:08:45: von Bitte, Lieferin, jeden Tag deine, keine Ahnung,

00:08:48: vier Stunden konzentrierter Arbeit im Teilzeitbereich

00:08:52: oder halt deine acht Stunden Arbeit im Vollzeitbereich.

00:08:55: Und bei uns ist es eher, wir arbeiten mit Peaks.

00:08:58: Wir nutzen den Hyperfokus, um dann sehr viel zu schaffen.

00:09:03: Aber planen auch die Erschöpfung danach,

00:09:05: um dann ein ...

00:09:06: Das heißt, es ist eher so 'ne EKG-Linie.

00:09:10: Ja.

00:09:11: Und da hat sich tatsächlich bei mir nicht so viel verändert,

00:09:15: weil Hochschulpolitik ist sehr selbstständig.

00:09:18: Aber trotzdem wird natürlich von außen viel vorgegeben.

00:09:21: Und minzgespinst war dann okay, ich forme diese Routinen

00:09:24: und mache das, was ich ohnehin gut kann.

00:09:27: Menschen aufklären, Menschen mitnehmen,

00:09:31: mich auf Bühnen stellen, Veranstaltungen leiten.

00:09:34: Das sind alles Sachen, die halt im Learning-Per-Doing entstanden sind

00:09:39: und irgendwie finden Leute gut, was ich tue.

00:09:42: Und dann bin ich darin noch besser geworden.

00:09:45: Wie auch, deswegen haben wir dich eingeladen.

00:09:48: Was bedeutet es, dass du Polit-Influencerin bist?

00:09:53: Ich bin kein Mitglied in irgendeiner Partei.

00:09:58: Bewusst nicht, auch weil das Strukturen sind,

00:10:02: die ich gelernt habe, mit denen ich nicht gut harmoniere.

00:10:07: Und einerseits, weil sie sehr langsam sind,

00:10:11: andererseits weil die Anforderungen an Parteiarbeit sehr hoch sind.

00:10:15: Ich bewundere Menschen, die in diesen Strukturen gut zurechtkommen.

00:10:19: Aber ich weiß, dass ich's nicht kann.

00:10:21: Ich hab's 'ne Zeit lang ausprobiert und bin gnadenlos gescheitert.

00:10:25: Und damit brauchte ich ...

00:10:27: Aber meine Arbeit ist trotzdem politisch.

00:10:30: Und meine Arbeit ist trotzdem etwas, wo ich möchte,

00:10:34: dass sich Dinge verändern, wo sich Strukturen verändern.

00:10:37: Aber wo eben auch 'ne Zusammenwachsen

00:10:40: von gesellschaftlichen Anforderungen, Parteipolitik

00:10:44: und auch Unternehmen stattfinden muss.

00:10:47: Weil wir leben immer noch in diesem Kapitalismus

00:10:50: und müssen immer noch in diesem Kapitalismus überleben.

00:10:53: Und was ich damit bekomme, ist, dass super viele Menschen sehr prekär leben.

00:11:00: Sehr so am Rande der Möglichkeiten,

00:11:02: auch im sozialen Bereich von Förderung zu Förderung zu Förderung.

00:11:06: Und dabei nach und nach viele Menschen ausbrennen.

00:11:10: Weil alles, was im sozialen Bereich ist,

00:11:14: alles, was im politischen Bereich ist,

00:11:16: wird vergleichsweise schlecht bezahlt.

00:11:18: Und gerade im Kunst- und Kulturbereich

00:11:21: ist dauerhaftes Präkariat die Norm.

00:11:23: Und nicht die Ausnahme, die in irgendeiner Form verändert werden sollte.

00:11:28: Und Influencer*innen zeichnet sich meistens dadurch aus,

00:11:33: dass eben auch irgendwo 'ne Leben auf Social Media stattfindet.

00:11:38: Und das findet bei mir auch statt,

00:11:41: auch weil Online-Aktivismus eine der wenigen Möglichkeiten ist,

00:11:45: für mich aktiv zu sein, selbst wenn ich keine Energie habe.

00:11:48: Weil Content lässt sich vorplanen,

00:11:51: eine Demoteilnahme eher nicht.

00:11:53: Mhm.

00:11:55: Ähm, und zum anderen, ich mache auch Werbung.

00:11:59: Ich stehe ja auch offen dafür, dass wir davon leben müssen

00:12:03: und dass das eben etwas ist, wo wir auch mit Unternehmen zusammenarbeiten.

00:12:07: Ich möchte nicht ...

00:12:08: Im Gegensatz zu euch machen wir keinen Journalismus.

00:12:11: Und ich möchte mir dieses Level auch nicht anmaßen.

00:12:14: Ich finde super, wenn Menschen das tun.

00:12:17: Und ich bin das toll, aber das ist nicht die Art und Weise,

00:12:20: wie wir arbeiten können.

00:12:22: Da merke ich häufig, sagen Leute, ich mach Content,

00:12:25: oder ich bin Journalistin oder so was.

00:12:28: Und ich hab für mich immer gemerkt, das passt alles nicht.

00:12:31: Und ... - Mhm.

00:12:32: Na ja, schlussendlich ist das, was ich mache,

00:12:35: genau das ich möchte als Influencer*in arbeiten.

00:12:37: Ich möchte Reichweite haben,

00:12:39: ich möchte auch Menschen in dem Moment mitnehmen.

00:12:43: Aber ich möchte auch politischen Content machen.

00:12:46: Und gerade jetzt, wo auch Instagram und TikTok

00:12:49: massiv politische Dinge einschränken,

00:12:52: ist das eben auch eine Möglichkeit, wo beispielsweise

00:12:54: Make-up-Tutorials mit politischem Inhalt gefüttert werden.

00:12:59: Und ich seh mich in Beidem.

00:13:01: (Lachen)

00:13:02: Sehr gut.

00:13:03: Vielleicht kannst du noch mal erklären,

00:13:05: was ihr bei Minzgespinst genau anbietet.

00:13:07: Vielleicht auch, welche Themen besonders gefragt sind,

00:13:10: welche eher nicht so. Genau.

00:13:12: Es ist immer für mich so eine spannende Frage,

00:13:15: weil ich so viel machen.

00:13:18: Also, wird tatsächlich ...

00:13:20: von klassisch Workshops Vorträge

00:13:23: über barrierefreies Webdesign

00:13:26: bis hin zu Prozessbegleitungen und Mediationen

00:13:31: und Sensitivity-Reading und Lektorat sehr viel anbieten.

00:13:35: Weil sich das eben auch organisch entwickelt hat.

00:13:38: Also, häufig war es dann die Frage von wegen,

00:13:40: ich hab das und das zum Thema Neurodivergenz oder Quirnes.

00:13:44: Kannst du das machen?

00:13:45: Und ich war meistens klingt spannend.

00:13:47: Ich recherchier mal.

00:13:48: Ich eigno mir die dafür benötigten Dinge an.

00:13:51: Ja, kann ich.

00:13:52: Ähm ...

00:13:53: Und ...

00:13:54: Dadurch ist eher, wir haben diesen großen Themenkomplex.

00:13:58: Und viel ...

00:13:59: wird derzeit im Bereich der Intersektionalität gefragt.

00:14:03: Also auch Quirezentren, die inklusiver werden wollen.

00:14:07: Aber auch Autismuszentren, die sagen,

00:14:10: wir haben mehr Personen, die sich als Transauten.

00:14:13: Was sollen wir machen?

00:14:14: Und eben auch in dem Moment,

00:14:17: in der wir verlage, die Feststellen Sensitivity-Reading,

00:14:20: ist eine gute Idee,

00:14:22: weil eine andere Perspektive drauf auf Themenkomplexe kommt.

00:14:26: Und schlussendlich, weil es halt auch die Literatur

00:14:29: in dem Moment besser macht.

00:14:31: Ich nenne es immer ein inhaltliches Lektorat,

00:14:34: weil wir machen ja keine Sensor, sondern eher, okay,

00:14:37: das ist ungefähr so, als ob das Korrektorat mit dem Duden kommt

00:14:41: und dich zensiert, wenn du dich weigest, den Genitiv zu verwenden.

00:14:44: Ja.

00:14:46: Und wir sind dann eher so die inhaltliche Sache,

00:14:48: was passiert eigentlich, wenn Menschen von unseren Themen

00:14:51: noch nicht Tiefes Wissen haben,

00:14:53: aber die Themen trotzdem mit in ihren Figuren oder auch Sachbücher

00:14:57: reinbringen wollen.

00:14:58: Und schaffen dadurch noch mal eine Sensibilisierung.

00:15:02: Was vergleichsweise selten gefragt ist,

00:15:06: was mir aber sehr viel Spaß macht,

00:15:08: ist die Veranstaltung "Mika Noa Finn".

00:15:11: Warum heißen wir alle gleich?

00:15:13: In der ich auf linguistische Art und Weise

00:15:16: nach einer linguistischen Methodik ausarbeite,

00:15:19: warum viele nichtbinäre Menschen sich die gleichen Namen aussuchen.

00:15:22: Und dass damit in gerade auch Trans- und nichtbinären Communities

00:15:28: halt eine überproportionale Häufung von Luca, Mika, Noa, Finn, Riley gibt,

00:15:34: ist bei uns im Kollektiv ja auch so.

00:15:39: Wir haben zweimal Luca und zweimal Riley.

00:15:43: Aber dadurch, dass wir doch Doppelnamen haben,

00:15:46: haben wir zumindest noch die Möglichkeit,

00:15:48: dass andere Leute entsprechend andere Namen nutzen können.

00:15:52: Wie ist das mit Unternehmen und Institutionen?

00:15:55: Kommen die auf euch zu und sagen, wir brauchen Hilfe?

00:15:58: Oder sprecht ihr die auch an?

00:16:00: Meistens kommen sie tatsächlich auf.

00:16:02: Und zu, was daran liegt, dass ich unglaublich schlechterin bin

00:16:06: und selbst irgendwo anzupreisen und klassisches Marketing zu machen.

00:16:10: Weil ...

00:16:12: Naja, es ist eher so dieses Prinzip von,

00:16:15: ich weiß, dass ihr alle Probleme habt,

00:16:17: weil strukturelle Dinge sind strukturell.

00:16:19: Also muss ich davon ausgehen, dass ihr alle unsere Hilfe braucht.

00:16:23: Ich meine, nur 1% der behinderten Menschen

00:16:26: wird im Jahr von den Werkstätten für behinderte Menschen

00:16:30: auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

00:16:32: Das sind einfach Zahlen, wo ich sage,

00:16:35: eigentlich brauchen das genug Leute.

00:16:37: Aber gleichzeitig sehen wir halt auch die Werte,

00:16:40: die Wahlergebnisse.

00:16:42: Und damit ist durchaus auch in Unternehmen vertreten,

00:16:45: dass da teilweise Menschen sitzen,

00:16:47: die wenig bis gar kein Interesse daran haben

00:16:50: und deren Unternehmen halt aussieht,

00:16:52: als ob man beim Stockfoto die Krawattenfarben getauscht hätte.

00:16:56: (Lachen)

00:16:57: Ja. - Zistian, Zistian und Zistian

00:17:00: sitzen an einem Tisch und treffen Entscheidungen.

00:17:03: Gut.

00:17:05: Da muss ich mir dann auch nicht unbedingt die Abfuhr abholen,

00:17:08: weil ich einfach nicht weiß, wie viel das bringt

00:17:11: mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten.

00:17:13: Und deshalb ist es eher ein ...

00:17:15: Wir machen unser Ding, wir posten unseren Content,

00:17:18: wir gehen auf Messen, wir gehen auf Veranstaltungen,

00:17:21: wir halten Keynotes.

00:17:22: Und am Ende, wer Interesse hat, kommt zu uns.

00:17:25: Und die Leute, die überhaupt das Thema Scheiße finden,

00:17:29: werden sich nicht eine behinderte Transperson wenden.

00:17:32: Wir sind eine automatische Aussortianlage

00:17:35: für Menschen, die das Thema nicht gut finden.

00:17:38: Die melden sich eher in unseren Diäms.

00:17:41: (Lachen)

00:17:42: Um Gott. - Oder in den Tiktok-Kommentaren.

00:17:45: Ja.

00:17:46: Euer Logo zeigt eine Zuckerwatte.

00:17:48: Wie seid ihr darauf gekommen, was symbolisiert die?

00:17:51: Eine Zuckerwatte ist ein Gespinst.

00:17:54: Ähm ...

00:17:55: Weil Gespinster aus sehr vielen einzelnen Fäden bestehen,

00:17:58: die zusammen etwas Ganzes ergeben.

00:18:01: Und, na ja, das weitere, ein weiteres sehr bekanntes

00:18:04: und beliebtes Gespinster, ist ein Spinnennetz.

00:18:07: Aber hast du mal versucht, ein Logo zu entwickeln,

00:18:10: das nicht aussieht wie eine Halloween-Party für Kinder?

00:18:13: Das schlechteste Tattoo oder so, ja, genau.

00:18:16: (Lachen)

00:18:17: Ah ja, aber man kann mich nicht sehen,

00:18:20: während ich dir die Fragen stelle.

00:18:22: Aber ich war grad so, aha!

00:18:24: Ja, eine Zuckerwatte ist ein Gespinst, natürlich.

00:18:26: Ähm ...

00:18:29: Wir kommen zu unserem ersten Spiel,

00:18:31: bevor wir über geschlechtliche Vielfalt und Neurodivergenz sprechen wollen.

00:18:36: Und ich werde dir jetzt 90 Sekunden lang Fragen stellen.

00:18:40: Und du antwortest einfach aus dem Bauch heraus.

00:18:43: Ich stelle hier meine ... Stopp-Uhr.

00:18:46: So, damit ich Bescheid weiß.

00:18:48: Und dann spiele ich gleich den Sound ab und dann geht's los. Okay?

00:18:51: Autistische Mustererkennung am Start.

00:18:54: Nee. - Ja, alles klar.

00:18:55: (Dynamische Musik)

00:19:01: Ganz schön knapp, alles auf Zeit.

00:19:03: Was hast du immer im Kühlschrank?

00:19:07: Tofu, Räuchertofo von Edeka.

00:19:09: Wann warst du zuletzt richtig sauer?

00:19:13: Vorgestern.

00:19:14: Welche App hat dein Leben besser gemacht?

00:19:18: Taimo.

00:19:20: Was macht die? Was ist das für eine App?

00:19:23: Eine Struktur-App für Menschen, die Neurodivergenz sind

00:19:27: und die dir tatsächlich deinen Teizag

00:19:29: und ganz viele kleine Routinestritte einplant?

00:19:32: Damit man ...

00:19:34: Hat man tatsächlich unsere Zusammenleben mit ADHS und Autismus verbessert?

00:19:38: Mittlerweile brauchen wir sie nicht mehr,

00:19:41: aber sie war so der Game-Changer, um Routinen reinzubekommen.

00:19:44: Wann bist du in deinem Element? - Im Wasser.

00:19:47: Wenn du eine bekannte Person tut oder lebendig zum Essen einladen könntest,

00:19:52: wehn. - Rita Brown.

00:19:54: Was hättest du besser nie begonnen?

00:19:59: TikTok.

00:20:00: Was hast du zuletzt schönes Geschenk bekommen?

00:20:04: Mehrere Bilder zu meinem Geburtstag.

00:20:08: Mit wem hast du noch eine Rechnung offen?

00:20:12: Okay, die lässt das länger.

00:20:15: Wollen wir bei der CDU anfangen?

00:20:17: Gerne.

00:20:20: Bist du dir selbst ein Vorbild?

00:20:24: Manchmal.

00:20:27: Was war der absurdeste Trend, den du mitgemacht hast?

00:20:30: Ich habe versucht, mir die Haare zu tupieren,

00:20:34: als ich 16 war und verzweifelt in dieser Emo-Phase fest hing,

00:20:38: in der ich aber auch nie richtig dazugehört habe.

00:20:41: Sagen wir es so mit glattensäherigem Haaren, schlechte Idee,

00:20:44: bitte tut das nicht.

00:20:45: (Pfiff)

00:20:46: So, da ist der Pfiff.

00:20:48: Das war's schon.

00:20:49: Zumindest mit unserem kurzen Spiel.

00:20:52: Ja, sehr schön.

00:20:53: Diese App können wir vielleicht auch mal in den Show-Notes verlinken.

00:20:57: Aber wir vorstellen, dass das für die eine oder andere,

00:21:00: die uns zuhört, auch ganz interessant ist.

00:21:02: Das offizielle Motto von "Minskischspinz" lautet,

00:21:05: "Die beste Rache ist ein gutes Leben".

00:21:07: Da sind wir wieder bei der langen Liste der Leute,

00:21:10: mit denen noch eine Rechnung offen ist.

00:21:12: Kannst du ausführen, was ihr damit meint,

00:21:15: "Die beste Rache ist ein gutes Leben"?

00:21:17: Als ich mich geoutet habe,

00:21:19: hatte ich die Situation, dass sehr viel dann einfach ich recherchiert habe.

00:21:24: Über Transgeschlechtigkeit usw.

00:21:27: Und das, was man am häufigsten bekommt,

00:21:29: ist, Transpersonen werden diskriminiert, transpersonen leiden.

00:21:33: Sie leiden unter Geschlechtsdysphorie,

00:21:35: unter Gesellschaft, unter Diskriminierung.

00:21:38: Sie leiden, darunter keine Arbeitsplätze zu finden.

00:21:41: Sie sind überdurchschnittlich qualifiziert

00:21:43: und unterdurchschnittlich häufig eingestellt.

00:21:46: Sie leiden unter der Krankenkasse und dem MDK,

00:21:49: also dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse,

00:21:52: wo man die Veroperationen bekommen.

00:21:54: Sie leiden, sie leiden, sie leiden.

00:21:56: Als ich meine Autismusdiagnose bekommen habe,

00:21:58: begann das Spiel von vorne mit Autistinnen leiden, leiden, leiden,

00:22:02: leiden. Und irgendwie war ich so, nee.

00:22:05: Also, ich ...

00:22:06: Einerseits, weil tatsächlich die Situation

00:22:11: sehr viel komplexer ist,

00:22:13: und andererseits, wenn Menschen sich outen und zu sich selbst finden

00:22:17: oder auch eine Diagnose bekommen,

00:22:19: und praktisch ihr gesamtes Leben, ihr gesamtes Sein beeinflusst,

00:22:23: ist das, was Sie die ersten zehn Google-Seiten hören,

00:22:27: mehr oder weniger, Sie leiden.

00:22:29: Und dachte mir, das müssen wir irgendwie anders machen,

00:22:32: weil das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein.

00:22:35: Und dann verstehe ich, auch wenn ich beispielsweise Eltern

00:22:38: von Transkindern oder Eltern von autistischen Kindern berate,

00:22:42: dass, wenn Sie das alles als erste Reaktion bekommen,

00:22:45: oh ja, Ihr Kind leidet ja so sehr.

00:22:47: Oder Sie leiden unter dem Autismus des Kindes.

00:22:51: Dass das irgendwie nicht so eine sinnvolle Variation ist.

00:22:55: Also, es ist alles korrekt, aber es ist halt nicht das Einzige.

00:22:59: Und ...

00:23:02: Dann kam halt die Sendung mit der Maus, mit der Transpersonen,

00:23:07: wo dann auf Twitter damals noch

00:23:09: der riesige Shitstorm losging,

00:23:12: mit der Zwangsmaus, die entsprechend Leute transmachen würde.

00:23:17: Und ich mir so dachte, das Schlimmste, was ich diesen Menschen antun kann,

00:23:22: ist ein gutes Leben zu haben.

00:23:24: Das Schlimmste, was wir alle als marginalisierte Personen

00:23:27: dieser Gesellschaft, dem System,

00:23:30: aber auch aktiv den feindlichen Leuten gegenüber antun können,

00:23:34: ist sie völlig irrelevant zu machen.

00:23:37: Sodass sie sich, keine Ahnung, zu Hause in ihrem Keller,

00:23:40: Rumpelstilzchenartig über all die bösen ...

00:23:43: immer inszipatorischen Dinge aufregen können,

00:23:46: aber es ist niemanden interessiert.

00:23:49: Das dachte ich mir so wäre mit Abstand die beste Rache,

00:23:52: die ich mir für dieses System vorstellen kann,

00:23:55: weil sie so unglaublich passiv ist

00:23:58: und weil sie unglaublich positiv ist.

00:24:00: Weil ich mich nicht mehr auf diese Menschen konzentriere,

00:24:03: sondern darauf konzentriere, ein gutes Leben für so viele Menschen,

00:24:07: wie möglich zu schaffen.

00:24:09: Und dass gleichzeitig auch noch in dem Moment

00:24:12: die beste Rache ist, die man sich vorstellen kann,

00:24:15: weil es nichts mehr ...

00:24:18: nichts mehr regt, beispielsweise Reichelt mehr auf,

00:24:21: als irrelevant zu sein, keine Reichweite mehr zu haben

00:24:25: und nur noch in seinem eigenen Keller vor sich hin zu pöbeln.

00:24:30: Das wäre für ihn das Absolut Schlimmste,

00:24:32: weil all diese Menschen auf Reichweite aus sind.

00:24:35: Und dann dachte ich mir so, ja, das ist eigentlich genau das,

00:24:39: was ich mir wünschen würde.

00:24:41: Wie definierst du ein gutes Leben?

00:24:44: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage,

00:24:51: weil es zu meinen eine persönliche Antwort ist.

00:24:54: Ich möchte Sicherheit, ich möchte auch existenzielle Sicherheit.

00:24:59: Aber zum anderen eben auch eine strukturelle.

00:25:03: Wir müssen strukturell Dinge verändern

00:25:05: und es wird kein gutes Leben geben,

00:25:08: ohne dass wir Rassismus, Antisemitismus, Sexismus,

00:25:12: Transweindlichkeit, Abelismus und so weiter einfach aktiv bekämpfen

00:25:17: und aktiv ändern,

00:25:20: weil ansonsten ist das immer nur ein besseres Leben für einige.

00:25:23: Das ist ja das, was dann tatsächlich auch beim ...

00:25:26: White Feminism kritisiert wird.

00:25:29: Wir haben dann mehr Frauen in Führungspositionen,

00:25:32: aber ansonsten ändert sich nichts.

00:25:35: Und was wir brauchen, ist dafür eine fundamentale Änderung.

00:25:38: Und meiner Meinung nach tatsächlich auch,

00:25:41: wenn wir eine inklusive Gesellschaft haben wollen,

00:25:45: müssen wir am Wirtschaftssystem Erwartungen ändern,

00:25:48: beziehungsweise die Art und Weise, wie Wirtschaft funktioniert, ändern.

00:25:53: Eben auch, weil Klimakatastrophe real ist.

00:25:56: Und wenn wir weitermachen, wie bisher,

00:25:58: die Klimakatastrophe halt nicht umdrehen und weggehen wird.

00:26:02: Das ist so ... Das funktioniert nicht.

00:26:05: Kurze Werbeunterbrechungen eigener Sache.

00:26:07: Mit Veto geben wir Aktivismus eine mediale Bühne.

00:26:11: Wir erzählen von denen, die aufstehen und ihre Stimme erheben.

00:26:15: Was sie wollen, was sie antreibt,

00:26:17: das les ihr jede Woche neu auf Veto-Magazin.de.

00:26:20: Wir bleiben noch mal beim Aspekt geschlechtliche Identität.

00:26:28: Es wird ja zuletzt über verschiedene Themen in dem Bereich

00:26:32: diskutiert und gestritten.

00:26:34: Zum einen über den Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz.

00:26:38: Das soll das sogenannte Inhekchen transsexuellen Gesetz von 1980

00:26:42: ablösen, dass Transmenschen,

00:26:44: die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen,

00:26:47: Schikanen aussetzt und in ihre Ethemsphäre massiv eingreift.

00:26:51: Nach Jahrzehnten des Protest und der Kritik von Transaktivist*innen

00:26:55: und Queeren-Communities steht jetzt das neue Selbstbestimmungsgesetz

00:26:58: kurz vor seiner Verkündung.

00:27:01: Wenn es so optimal ist, was da drin steht,

00:27:03: können wir auch gerne drüber sprechen.

00:27:05: Zum anderen wurden in einigen Bundesländern

00:27:07: sogenannte Genderverbote in schriftlichen Arbeiten und Korrespondenzen,

00:27:11: beispielsweise in der Verwaltung und in der Schule beschlossen.

00:27:15: Wie blickst du gerade auf diese politisch vorangetriebenen

00:27:18: gesellschaftlichen Veränderungen?

00:27:20: Generft.

00:27:22: Also, tatsächlich, ich sehe die Gefahr darin,

00:27:25: aber gleichzeitig gerade diese Art und Weise,

00:27:28: diese Debatten zu führen, ist so von ...

00:27:33: in dem Moment auch rechten Dog-Wistels getränkt worden,

00:27:38: dass ich das Gefühl habe, dass wir eigentlich nur noch

00:27:41: gegen so einen Feld von Stromanern anarbeiten,

00:27:44: bevor wir überhaupt zu unseren eigenen Themen kommen können.

00:27:48: Und das ärgert mich, weil das bedeutet,

00:27:51: dass dieser Debatte so weit einfach verschoben wurde.

00:27:54: Es gibt ja diese Metapher, dass das Goal verschwunden ist.

00:27:58: Also, dass das Tor verschieben.

00:28:01: Und jedes Mal, wenn eine Argumentation kommt,

00:28:04: wird einfach das Ziel der Argumentation weiter verschoben.

00:28:07: Und in diesem Fall haben wir einfach das Feld,

00:28:10: auf dem wir spielen, bereits irgendwie vor drei Kilometern

00:28:13: hinter uns gelassen.

00:28:14: Und Leute rennen nur noch mit diesem Tor durch die Gegend.

00:28:18: Und da ist mittlerweile mein Gedanke,

00:28:20: okay, kriegen wir das überhaupt noch wieder auf den Spielfeld?

00:28:23: Oder müssen wir irgendwie komplett anders an die Sache rangehen?

00:28:28: Weil zum einen die deutsche Sprache ist unfassbar.

00:28:33: fair geschlechtlicht geschenkt. Ich studiere in lingoistisches Studienfach, ich kann in sechs

00:28:39: Sprachen und sieben Schriftsystemen analysieren, was und wie Gendern funktioniert. Auf der anderen

00:28:46: Seite, der Glottyschlag ist ein völlig normaler Bestandteil der deutschen Sprache, weil wir

00:28:52: kriegen durchaus den Unterschied zwischen Urinsekten und Urinsekten hin. Oh, Wunder! Das heißt,

00:28:59: bereits da geht es los, das ist keine Pause und kein seltsames Sonderzeichen und das

00:29:04: Internationale Phonetikalphabet hat einen Zeichen für den Glottyschlag. Das Ding sieht aus wie

00:29:11: eine Mischung aus Fragezeichen und Fleischahaken. Meine Argumentation da wäre einfach, in dem Moment

00:29:17: können wir das nicht einfach überall einsetzen, wo ein Glottyschlag vorkommt, dann hätten wir

00:29:21: ein weiteres Zeichen im Alphabet und müssten das halt auch vor Oma, Opa und Apfel setzen, weil es

00:29:27: im Deutschen keine betonten Vokale gibt. Würde auch die Argumentation, es würde damit Menschen die

00:29:33: Sprache erschweren, die Deutsch neu lernen, den Wind aus den Segeln nehmen, weil de facto der Grund,

00:29:40: warum deutsche Menschen Englisch so hart sprechen ist die Tatsache, dass wir ein Glottyschlag überall

00:29:46: da reintun, wo er nicht hingehört und dass andere Akzente so weich klingen ist der Grund, dass

00:29:52: diese Menschen keinen Glottyschlag kennen, weil er ist in anderen Sprachen beispielsweise weniger

00:29:57: ausgeprägt ist. Aber zu dieser Debatte kommen wir gar nicht erst, weil wir darüber diskutieren müssen,

00:30:04: ob Bayern jetzt irgendwie Gendern verbietet, als eine Partei, die das als Freiheit definiert.

00:30:12: Irgendwie in meiner Welt sind Verbote jetzt kein Teil von freier Sprachentfaltung, aber ich bin

00:30:20: halt auch nicht aus Bayern und nicht bei der CDU. Also vielleicht haben wir hier einfach eine

00:30:25: Definitionsproblematik und die gleiche Geist der Debatte ist im Selbstbestimmungsgesetz drin.

00:30:33: Allein der Tatsache, dass der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung ihnen mitteilen musste, dass

00:30:39: ihre Datensammlung, die dann eine Zeit lang drin standen, einfach illegal ist, ist so, wer macht

00:30:49: eigentlich euren Job bzw. wie kommt es, dass das eure Idee eures Jobs ist und zum anderen diese

00:30:57: ganze getränkte Sauna-Debatte ist jetzt halt im Gesetz verankert, genauso wie die Transmisogynäidee,

00:31:04: dass irgendwie eine allgemeine Werbpflicht dann fabriziert wird, wenn Menschen in dem Moment irgendwie

00:31:13: ihren Geschlechtsheintrag von männlich zu weiblich ändern. Und was immer noch zu kurz kommt und was

00:31:20: meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist, ist einfach eine Transgesundheitsversorgung, über die

00:31:26: gar nicht mehr geredet wird, weil Genderverbote und angsteinflößende Gesetzesentwürfe auf der

00:31:33: Agenda stehen. Wir befinden uns hier auch während der Aufnahme mitten im Pride Month. Was bedeutet

00:31:39: dir dieser Monat? Bedeutet das überhaupt irgendwas für dich? Mehr Arbeit. Ich kenne das ja auch als

00:31:49: kleinwüchsige Person, das dann immer so bestimmte Tage im Jahr, so, ah ja, ja, das damit wieder stressig.

00:31:55: Ich bin halt mittlerweile immer so zwigespalten einerseits, finde ich es gut, dass irgendwie mehr

00:32:06: Menschen zeigen, dass das queere Menschen existieren. Okay, gut, dass auch irgendwo Leute das

00:32:13: Ganze zumindest so auf die Agenda nehmen, dass es Sichtbarkeit schafft, weil in dem Moment,

00:32:21: wir derzeit auch in politischen Stimmungen sind, wo am liebsten queere Menschen halt unsichtbar

00:32:27: gemacht werden sollen. Gleichzeitig Regenbogen, Logos und neue irgendwie Konsumartikel lösen

00:32:35: halt strukturelle Veränderungen nicht. Und zum anderen ist es halt wieder die Sache,

00:32:43: wenn sich ein CSD wie Urlaub vom Aktivismus anfühlt, geht halt der politische Part unter.

00:32:48: Gleichzeitig denke ich, dass wir alle auch mal feiern sollten, dass wir überhaupt noch existieren,

00:32:55: weil auch das ein wichtiger Teil ist und eben die beste Rache ist ein gutes Leben. Queere Existenz

00:33:01: nicht nur aktivistischer Kampf sein darf, weil wir dann davon ausbrennen. Und gleichzeitig ist es

00:33:09: eben wieder so so ein Widersprüche aushalten für mich, weil ja gut alle machen dann eine wilde,

00:33:17: queere Party und am nächsten Tag sind halt wieder die Gewalttaten auf dem höchsten Standzeit

00:33:21: Ewigkeiten. Für mich ist dieses Jahr einfach sehr schwer, weil so Gegensätze aufeinanderprallen.

00:33:27: Es ist sehr schwierig, sich einzureden, dass queere Existenz so besser wird und alles sehr viel

00:33:34: besser aussieht und dass wir eigentlich in eine hoffnungsvolle Zukunft wechseln, wenn ich mir die

00:33:40: EU-Wahl angucke und dann eben auch die Gewalttaten gegen queere Menschen auf dem Höchststand sind

00:33:46: und von Jahr zu Jahr zunehmen. Also da ist eben so dieses "Ja, wir brauchen eigentlich noch viel

00:33:52: mehr Partys, weil wir alle ausgebrannt sind und gleichzeitig was feiern wir überhaupt".

00:33:56: Weil es gibt gerade nicht so viel zu feiern außer der Tatsache, dass wir halt immer noch existieren.

00:34:02: Was ist deine Utopie auch, was Unternehmen angeht? Also wie können sich Unternehmen ernsthaft für die

00:34:10: Belange von LGBTIQ+ stark machen? Und ja, muss da so, müssen da nur die Strukturen reformiert

00:34:19: werden oder muss insgesamt die Struktur der Lohnarbeit neu gedacht werden? Wie siehst du das?

00:34:25: Tatsächlich mache ich mich jetzt möglicherweise bei einigen Hörenden unbeliebt, aber ja,

00:34:31: auf jeden Fall muss die Struktur der Lohnarbeit überarbeitet werden. Der acht-Stunden-Tag kommt

00:34:38: aus einer Zeit, in der mindestens eine Person meistens zu Hause blieb und tatsächlich,

00:34:43: dass der Lohn einer Person ausreichte, um entsprechend eine Familie beziehungsweise

00:34:50: sich selbst zu ernähren. Und bereits damals wurde der acht-Stunden-Tag massiv erkämpft,

00:34:57: weil vorher gab es halt zehn, zwölf, sechzehn Stunden Tage. Es gab in dem Moment in Westeuropa

00:35:04: Kinderarbeit. Es gibt immer noch Global-Kinderarbeit und es gibt immer noch Globalorte, an denen auch

00:35:12: der acht-Stunden-Tag utopisch ist und gleichzeitig für einen viel zu geringen Lohnmenschenprodukte

00:35:20: herstellen, um dann in Europa, also sie dann in Europa für signifikant mehr Geld verkauft

00:35:27: werden. Und das Gleiche passiert tatsächlich auch in Behindertenwerkstätten, wo Menschen

00:35:31: einen Taschengeld bekommen von durchschnittlich knapp 120 die Stunde für eine 40-Stunden-Tag,

00:35:39: quasi für eine 40-Stunden-Woche, also ein acht-Stunden-Tag. Und die Produkte ja auch gut

00:35:44: genug zu sein scheinen, um im allgemeinen Handel verkauft zu werden. Die Arbeitsleistung aber

00:35:50: nicht gut genug ist, um adäquat entlohnt zu werden. Also wird es zu uns behauptet. Und damit sind

00:36:01: wir halt faktisch bei einer Form von Ausbeutung und ich habe ein Problem damit, wenn Menschen

00:36:07: ausgebeutet werden und bin der Meinung, dass da eben auch wir schauen müssen, wie können sich

00:36:12: Dinge verändern. Allein in der Pandemie waren diese Klamottenberge, die in der Wüste Sahara

00:36:19: abgeladen wurden, ein Zeichen dafür, wir produzieren zu viel und wir produzieren mehr als wir

00:36:26: Ressourcen haben. Und da kommt dann tatsächlich auch Ökologie zusammen mit meinen Erfahrungen

00:36:32: als benötigte Person. Wenn ich für Dinge keine Ressourcen habe, dann nehme ich sie nicht auf

00:36:38: Kredit, sondern dann schaue ich, dass wir mit den Ressourcen, die wir haben, auskommen. Und es gibt

00:36:45: halt diesen Tag im Jahr, ab dem wir eigentlich die Ressourcen für das Jahr aufgebraucht haben und

00:36:52: von den Ressourcen für die kommenden Jahre arbeiten. Und das ist für mich auch so ein Zeichen,

00:36:58: da kommen eben auch die Erfahrungen von behinderten Menschen zusammen mit den Erfahrungen im Bereich

00:37:03: Klimakatastrophe und Ausbeutung, die ja auch behinderte Menschen machen. Und wir haben so einen

00:37:08: Intersektionalitätszirkel und ja, wir müssen das Prinzip Lohnarbeit überdenken, wir müssen das

00:37:14: Prinzip Ressourcen überdenken und auch wofür werden Ressourcen benötigt, welche Strukturen sind

00:37:22: überhaupt noch angemessen. Wir haben einen unfassbaren technologischen Fortschritt und

00:37:27: gleichzeitig einen unfassbaren Anstieg von Depressionen und Burnouterkrankungen. Das liegt

00:37:32: nicht daran, dass die Generationen schwächer geworden sind, sondern einfach, dass wir in

00:37:38: einer Zeit fundamentaler Unsicherheit leben und Menschen de facto einfach weniger Möglichkeiten

00:37:45: haben, als die Generation meiner Eltern und Großeltern. Und gleichzeitig aber die Arbeitsleistung

00:37:54: nicht unbedingt weniger geworden ist. Aber die Ausfälle aufgrund von chronischen Erkrankungen,

00:37:59: Depressionen und Burnout sind massiv gestiegen und seit 2020 kommt halt auch noch aktiv die

00:38:06: Erfahrungen von Long Covid und deutlich erhöhtem ME/CF/SA-Krankungen dazu. Das heißt, wir werden

00:38:12: umdenken müssen, Menschen sind eine endliche Ressource, wenn wir sie alle verbrennen, haben wir

00:38:17: keine mehr. Ja, im Gegenteil, es gibt ja sogar Studien, dass die Arbeitsleistung heutzutage so

00:38:25: hoch ist wie noch nie zuvor. Also das passt ja, wir brennen alle aus und trotzdem wird sich

00:38:32: beschwert, dass wir zu wenig arbeiten würden. Wir kommen zu unserem nächsten Spiel und dafür

00:38:37: stellen wir uns vor, dass nur Kinder Zuhörende dieses Podcastes sind und du erklärst den Kindern

00:38:45: in möglichst einfachen Worten, was du, was ihr mit minz gespinzt, macht. Ich spiele den Jingle ab

00:38:54: und dann gehört die Bühne dir. Ganz schön, einfach. Kinder hören zu. Mit minz gespinzt

00:39:08: erkläre ich anderen Menschen, dass das Gehirn von autistischen Menschen oder Menschen mit ADHS

00:39:15: anders funktioniert und wir deshalb anders auf die Umwelt reagieren. Beispielsweise

00:39:23: geht es darum, dass für uns das Licht häufig zu hell ist oder die Welt zu laut ist oder wir uns

00:39:30: nicht so richtig gut mit anderen Menschen verstehen und uns dann streiten und da ist es dann eben

00:39:36: meine Aufgabe, Menschen zu zeigen, wie sie besser miteinander umgehen können, ohne dass es da zu

00:39:42: Streit kommt. Außerdem gibt es Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, also weder Mann

00:39:48: noch Frau und da erkläre ich, wie das für diese Menschen ist und wie wir dessen dann einfacher

00:39:56: machen können, dass es neben rosa und hellblau auch noch die Möglichkeit gibt, beispielsweise

00:40:00: orange oder grün oder gelb oder andere farben dann möglich zu machen und ich zeige Leuten,

00:40:08: dass auch Jungs Glitzer mögen können und Mädchen alle Möglichkeiten haben sollten zu werden,

00:40:15: was sie wollen und Jungs natürlich auch und alle Geschlechter, die weder das eine noch das andere

00:40:20: sind auch, denn wir werden alle irgendwie als Kinder geboren und alles andere kommt dann später.

00:40:26: Vielen Dank für diese schöne Erklärung. Wir kommen von sozialer Ungerechtigkeit genau zu dem Thema,

00:40:36: nämlich Neurodivergenzen und Inklusion und du hast das gerade so schön schon für die Kinder

00:40:41: erklärt, aber vielleicht kannst du noch mal zum Einstieg ein bisschen größer umreisen,

00:40:46: was Neurodivergenzen eigentlich sind für alle, die uns zuhören und noch nicht so im Thema sind.

00:40:51: Ich würde mal eine Gegenfrage stellen. Hat irgendjemand von euch Apple-Produkte?

00:40:56: Hast du schon mal versucht, dein Apple-Produkt mit irgendetwas von Chrome oder Windows kompatibel

00:41:06: zu machen? Ja, es ist nicht möglich. Das ist Neurodivergenz. Also das ist tatsächlich für mich

00:41:15: immer das plakativste Beispiel dafür, weil in jedem Raum, in dem ich bin, irgendwer sitzt mit

00:41:22: einem iPhone, der schon mal verzweifelt versucht hat, das iPhone mit irgendetwas kompatibel zu

00:41:27: machen, das nicht von Apple ist. Und wir da dann auch die Möglichkeit haben, genau das ist eben

00:41:36: Neurodivergente Gehirner laufen auf einem anderen Betriebssystem als Neurypysche Hirner,

00:41:42: aber keines dieser Betriebssysteme ist besser oder schlechter und es gibt auch keine Möglichkeit,

00:41:48: diese Betriebssysteme zu ändern, sondern eben wir müssen gucken, wie kriegen wir dann im

00:41:55: Zerfetzfall Übersetzungen hin, wie kriegen wir Transferleistungen hin und wie werden auch Daten

00:42:01: einfach faktisch anders verarbeitet. Das heißt nämlich auch, wenn ich beispielsweise einen

00:42:06: Docs-Format habe, wird das bei Apple erst mal Schwierigkeiten geben und muss vielleicht

00:42:11: konvertiert werden. Wenn ich irgendwas ohne Adobe versuche in der PDF zu verwandeln,

00:42:17: muss da geguckt werden, wie man Dinge anders wahrnehmen kann und so weiter und so fort. Das heißt,

00:42:24: aber das sind eben Beispiele, mit denen können Leute was anfangen. Wenn ich sage,

00:42:28: autistische Menschen haben keine Reizhemmschwelle, ist das viel zu abstrakt. Wenn ich sage,

00:42:35: ich nehme bewusst alle Geräusche in diesem Raum wahr und auch das, was ihr alle ausblenden könnt,

00:42:41: wenn ich beispielsweise Veranstaltung halte, Neurypysche Menschen können den BIMA ausblenden,

00:42:47: ich nicht. Und da merke ich dann, wir können nicht jenseits unseres Tellerrands arbeiten,

00:42:54: sondern wir brauchen diese Übersetzungsleistungen, damit wir verstehen, nicht nur das Hirne

00:43:00: unterschiedlich funktionieren, sondern auch welche Konsequenzen das hat. Weil so lange es abstrakt

00:43:05: bleibt, enten wir bei dem, was ich häufig erlebe, sobald es zu einem Konflikt kommt, sollen Neuro

00:43:11: divergente Menschen bitte aufhören, Neuro divergente zu sein und sich endlich mal anstrengen und

00:43:17: das können. Autismus gehört ja auch zu nicht sichtbaren Behinderungen. Es ist auch meine Erfahrung,

00:43:28: wenn ich über Inklusion spreche, kommt es auf die Zielgruppe an, aber das ist da, wenn sie mir

00:43:32: dann erzählen, wir haben eine barrierefreien Veranstaltungsort, dann geht es eben darum,

00:43:36: dass Menschen, die in Rollstuhl nutzen, in diesen Ort reinkönnen und alle anderen werden dann aber

00:43:40: trotzdem nicht mitgedacht. Es ist gerade bei nicht sichtbaren Behinderungen nochmal eine besondere

00:43:45: Herausforderung dafür zu sensibilisieren und aufzuklären. Es ist vor allen Dingen die doppelte

00:43:49: Erfahrung, entweder bin ich nicht behindert genug, um zu sprechen, weil du bist ja nicht so richtig

00:43:55: behindert und du bist ja nicht so richtig autistisch wie die richtigen Autist*innen. Also,

00:44:01: es sind halt in dem Moment immer die nicht vorhandenen, nicht sichtbaren, anonymen,

00:44:08: abstrakten, richtigen autistischen Menschen und ich bin ja, weil ich darüber rede,

00:44:15: bin ich automatisch nicht autistisch genug, weil wenn ich autistisch genug wäre,

00:44:19: könnte ich nicht darüber reden. Was im Endeffekt bedeutet, dass am besten niemand über Autismus

00:44:24: reden sollte, weil die Betroffenen halt alle nicht richtig autistisch sind. Während ich gleichzeitig

00:44:30: aber auch sage, wir haben das Privileg der in dem Moment Überlebenden, das Privileg derjenigen,

00:44:36: die nicht in stationären Einrichtungen sind, das Privileg derjenigen, die irgendwie in diesem

00:44:42: System auch Abschlüsse geschafft haben, dass wir überhaupt von der Mehrheitsgesellschaft ernst

00:44:47: genommen werden. Darüber habe ich auch schon mit Raul Krauthausen häufig geredet. Weder Raul

00:44:53: noch ich waren im stationären Wohnen. Wir sind nicht als Kinder bereits in Förderschulen gekommen.

00:45:00: Wir haben beide Abitur und das macht uns privilegiert. Aber gleichzeitig ist es eben diese Zwischenposition.

00:45:08: Wir reden nicht für die Menschen, die keine Stimme haben, weil das steht uns nicht zu. Aber wir

00:45:14: müssen gleichzeitig zeigen, dass selbst die Menschen, die dafür reden können, bereits diskriminiert

00:45:19: sind. Und was wir bräuchten, wäre halt auch da eine strukturelle Ermöglichung von weiteren

00:45:26: Perspektiven. Und eben nicht einerseits die Abwertung der Leute, die sich äußern können und auf der

00:45:32: anderen Seite die Beibehaltung des Status quo. Und Autismus ist so lange unsichtbar, wie ich

00:45:40: maskiere. Wenn ich aufhöre zu maskieren, wird Autismus plötzlich sehr, sehr sichtbar.

00:45:45: Magst du einmal kurz erklären, was maskieren bedeutet? Ich weiß es, aber für alle, die uns zuhören

00:45:52: und das Fähig sind. Maskieren bedeutet, dass ich in einer neurotypischen Gesellschaft als neurotypisch

00:45:58: genug wahrgenommen werde, um mitreden zu dürfen. Ich vergleiche das immer gerne mit einer Fremdsprache.

00:46:04: Für mich ist es eine neurotypische Fremdsprache, die ich vergleichsweise flüssig spreche. Sobald ich

00:46:09: aber angespannt bin oder nervös oder irgendwie ja irgendwas nicht funktioniert und die Liste,

00:46:17: die der Dinge, die nicht funktionieren können und mich unter Druck setzen, ist als autistische

00:46:21: Person sehr lang, wird es sehr sichtbar, weil ich dann in meine Erstsprache zurückfalle und dann

00:46:28: auch die Verhaltensweisen zeige. Autismus ist so lange unsichtbar, bis man einen Meltdown hat,

00:46:35: dann ist das sehr sichtbar. Meltdowns sind sehr sichtbar. Ja, Menschen haben nichts gegen Inklusion,

00:46:42: sie tun nur nichts dafür. Das hast du vor kurzem im Tabularasa-Podcast gesagt. Ist es der fehlende

00:46:48: Wille der Gesellschaft, Teilhabe für behinderte Menschen zu ermöglichen? Ist dieser fehlende

00:46:54: Wille auf Frauleid und Gemütlichkeit zurückzuführen oder gibt es da noch andere Gründe? Ich glaube,

00:46:59: bei mir war der Gedanke dahinter vor allen Dingen. Inklusion finden Menschen so lange gut,

00:47:03: so lange es A) irgendwer anders macht und B) ist ihr Leben nicht beeinflusst und das ist halt ja schön,

00:47:10: dass ihr abstrakt Inklusion super findet, aber damit wird es halt nicht konkret. Es wurde aber auch

00:47:16: der Mehrheitsgesellschaft sehr lange sehr einfach gemacht, auch mit den Argumentationen, wie wir

00:47:20: müssen die Barrieren in den Köpfen abbauen. Ja, super, das heißt, Leute denken jetzt ganz lange

00:47:26: darüber nach und bauen ihre... also wie? Also in dem Moment ist es halt beinahe egal, weil selbst

00:47:36: wenn du noch Barrieren im Kopf und Vorbehalter hast, kannst du trotzdem Strukturen verändern. Wir

00:47:43: haben beispielsweise eine Checkliste Inklusion erarbeitet, wo Veranstaltungen sichtbar machen

00:47:50: können, welche Barrieren vorhanden sind. Selbst wenn sie sie noch nicht abgebaut haben,

00:47:55: kann ich dann zumindest entscheiden, komme ich da hin oder nicht. Und nicht dieses Jahr,

00:48:00: unser Laden ist barrierefrei, wir haben nur eine Stufe und ein Klo, das zu schmal ist,

00:48:05: um irgendwie zu zweit da rein zu passen, aber wir sind uns sicher, dass es ansonsten ganz

00:48:10: bestimmt barrierefrei ist. Nee, das ist halt nicht die Definition von Barrierefreiheit.

00:48:14: Ja, du hast gerade gesagt, es hat sich dann eben konkret noch gar nichts geändert. Was muss

00:48:21: ich denn konkret in unserer Gesellschaft ändern, damit du sagen würdest, das ist eine inklusive

00:48:26: Gesellschaft, an der alle teilhaben können? Die Bewertungen. Derzeit haben wir Fähigkeiten,

00:48:32: die als normal gewertet werden. Verbale Sprache, Hören, Sehen. Wobei Sehen sehr spannend ist,

00:48:41: weil Brille so normalisiert sind, dass sie nicht mehr als Behinderung oder als Erkrankung

00:48:46: gewertet werden und damit das Hilfsmittel-Brille nicht mehr finanziert wird. Das ist dann nämlich

00:48:53: der Moment, wenn tatsächlich Einschränkungen so normalisiert sind, dass dann im Zweifel zwei

00:48:58: bei die Krankenkassen sagen, Brillen finanzieren wir nicht mehr oder halt nur noch unter besonderen

00:49:03: Bedingungen. Aber wir bewerten halt diese Fähigkeiten als normal. Alle Fähigkeiten, die normal sind,

00:49:11: sind die Fähigkeiten von chronisch gesunden, nicht behinderten Menschen. Und alle Fähigkeiten,

00:49:18: die dem nicht entsprechen, sind dann erst einmal schlecht oder schlechtäre oder halt anders

00:49:26: oder mein persönliches Hasswort "besonders". Ananas auf Pizzamark, eine besondere Sache sein.

00:49:37: Aber das Bedürfnis, dass man nicht dauerhaft von Strohbo-Lichtern im Supermarkt geblendet wird,

00:49:44: ist es nicht. Und häufig wird dann eben aber auch als Gegenargument gebracht, ja, Inklusion bringt

00:49:52: allen was. Das ist auch korrekt, aber das ist halt nicht die Argumentation, wie wir Menschenrechte

00:49:59: für behinderte Menschen durchsetzen sollten, weil das halt wieder aus dem Blick der Mehrheitsgesellschaft

00:50:04: ist. Stille Stunden im Supermarkt sind super, Pan not intended, aber nett dabei. Aber in dem Moment

00:50:15: ist halt die Argumentation, wir brauchen sie, weil sie bringen autistischen Menschen was und sind

00:50:19: ja auch noch cool für hier die Liste einfügen. Genauso wie ihr alle werdet, wenn ihr irgendwann

00:50:25: alt seid und einen Rollator benötigt, dankbar sein für Rampen. Ja, aber es wäre mir halt lieb,

00:50:31: wenn Leute solidarisch wären ohne in dem Ding von "es könnte euch ja auch mal betreffen", weil das

00:50:36: ist eigentlich nur ein Appell an eine zutiefst egocentrische Sichtweise. Ich kümmere mich erst

00:50:43: darum, wenn es mich auch trifft. Und das heißt, in einer inklusiven Gesellschaft müssen wir weg von

00:50:49: diesen Bewertungen und tatsächlich dann auch von diesem Leistungsdenken, weil gerade im Bereich

00:50:55: Autismus ist es eben auch mit Asperger aus einem Leistungsdenken überhaupt zu entstanden, dass

00:51:03: Hans Asperger die autistischen Menschen, die er als nützlich genug eingeschätzt hat, nicht in die

00:51:11: Aktion T4 geschickt hat. Das heißt, da haben wir ein fascistisches Leistungsdenken, das Menschen

00:51:16: faktisch umgebracht hat. Und erst vor kurzem kamen ein Stein in eine Einrichtung für behinderte

00:51:23: Menschen mit "Euthanasie ist die Lösung". Das ist ein faktischer Mord auf Ruf und es interessiert

00:51:31: niemanden. Also außer die Leute, die es halt interessiert, weil "Danke, ich würde gerne weiterleben".

00:51:36: Und eine Menge anderer behindert Aktivisten auch. Aber ansonsten, ja.

00:51:42: Genau, also als Hintergrundwissen, das war eine Einrichtung der Lebenshilfe in München-Gladbach,

00:51:48: wo mit einem Stein eben mit dieser Ausschrift "Euthanasie ist die Lösung", die Tür, der der

00:51:54: Glaseinsatz der Tür beschädigt wurde. Und das hat wirklich sehr, sehr wenig Aufmerksamkeit

00:52:00: generiert. Vielleicht gibt es initiativen Projekte, Menschen, Künstler*innen, die du ganz toll findest,

00:52:10: die daran mitwirken, deiner Utopie, der Arbeit von Minzgespinns näherzukommen. Und du hast

00:52:18: jetzt in der allerletzten Kategorie die Möglichkeit, quasi Werbung für diese Projekte, für diese

00:52:23: Menschen zu machen. Auch hier spiele ich den Jingle ab und dann darfst du gerne auf alles

00:52:29: was dir wichtig ist, hinweisen.

00:52:48: Okay, ich fange an mit Marco Linguri. Marco macht sehr gute Arbeit im Bereich Antirassismus

00:53:03: und Islam. Und ich tausche mich unglaublich gerne mit ihm aus. Und wir machen tatsächlich

00:53:13: auch relativ viel so ähnliche Erfahrungen auch in unterschiedlichen Communities und

00:53:20: in unterschiedlichen Bereichen. Und dann ist es immer schön, da jemandem zu haben, denn

00:53:25: dem Bereich auch sich austauscht und mir einfach oder uns gegenseitig sich dazu unterstützen.

00:53:31: Und dann Suki. Suki macht als Sukini mittlerweile Kinderlieder und bringt damit auch einfach

00:53:43: ein geschlechtergerechteres Bild in die Kinderliederwelt, die sich bisher dadurch ausgezeichnet hat,

00:53:51: dass das bisher noch nicht so war. Und hat tatsächlich im neuen Kinderbuch von Raul Krauthausen,

00:53:57: bei dem es um ein Mädchen im Rollstuhl geht, das ins All fliegen will, auch einen Song beigesteuert,

00:54:04: als Ela das All eroberte. Das ist sogar zweimal Werbung in einem. Und bei der Buchvorstellung

00:54:12: wurde das Ganze dann tatsächlich auch live in Gebärdensprache übersetzt. Und ich hatte das

00:54:17: Glück dabei zu sein, weil ich das Sensitivität-Redenk dafür machen durfte. Und als letztes

00:54:24: Ashkenhaya Dohan, weil mit der Reihe Urban Fantasy Going da unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen

00:54:40: und Intersektionalitäten in Urban Fantasy Geschichten zusammengefasst werden und da regelmäßig

00:54:46: Antologien rauskommen, bisher, ich hoffe ich kriege alle zusammen, war es Urban Fantasy Going Queer,

00:54:54: Urban Fantasy Going Intersectional, Urban Fantasy Going Fat und Urban Fantasy Going Mental.

00:55:00: Und da finde ich es einfach großartig, weil es halt Sichtbarkeit schafft, ohne den erhobenen

00:55:08: Zeigefinger zu haben, sondern eben Diskriminierungserfahrungen, Marginalisierungserfahrungen, aber

00:55:15: auch empauernde Momente in Urban Fantasy zusammenfasst. Und ich bin ein bekennendes Fantasy-NB

00:55:23: und liebe es immer, wenn da progressive Sachen kommen, weil es die Fantastik einfach sehr viel

00:55:29: besser macht. Wir verlinken das alles natürlich in unseren Show Notes, als Ela das All eroberte,

00:55:36: liegt hier auch im Kinderzimmer, wurde schon begeistert, aufgenommen und gelesen mit den

00:55:42: tollen Grafiken von Adina Herrmann. Grüße gehen raus an dieser Stelle, Becks, vielen, vielen Dank,

00:55:48: dass du heute hier warst und unser Gast warst, unsere Gästin warst und mit uns gesprochen hast,

00:55:53: über all diese Themen, die ich glaube aktueller nicht sein könnten, direkt nach der Europawahl

00:55:59: und die uns wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch sehr beschäftigen werden. Gerade dieses

00:56:03: Stichwort Sicherheit, was du vorhin genannt hast, das fand ich so wichtig für all diese Gruppen,

00:56:09: über die wir gesprochen haben. Vielen, vielen Dank. Dann weiße ich euch noch auf die nächste Folge

00:56:15: hin. In 14 Tagen könnt ihr die hören, ansonsten schaut mal vorbei, aber beim Veto-Magazin auf

00:56:20: www.veto-mack.de oder bei Instagram und TikTok. So schwierig TikTok vielleicht manchmal ist, aber

00:56:28: Veto ist ein toller Account, kommt doch mal rum. Bis dann, ciao.

00:56:34: Hey, bist du noch da? Dann bis bald. Du hörst ganz schön laut,

00:56:54: den Veto-Podcast. Alle zwei Wochen. Überall, wo es Podcasts gibt. Und bis dahin folgt uns auf

00:57:03: auf Instagram und TikTok.

00:57:05: Copyright WDR 2021

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